Neues Eingangsgebäude für die Klosteranlage Neustift bei Brixen
Der Klosteranlage Neustift bei Brixen fehlte eine den touristischen Besucherströmen angemessene Eingangssituation. Das Architekturbüro MoDusArchitects hat hier, durch eine gelungene Mischung aus Bestandserhalt und eindeutig neuen Elementen die richtige Antwort gefunden.
Maßstäbliche Pläne
Maßstäbliche Pläne finden Sie in der gedruckten Ausgabe der Zeitschrift bauhandwerk
Hier geht es zum Heft->
Oder informieren Sie sich über ein Abonnement->
Das Kloster Neustift in Vahrn, etwa 3 km nördlich von Brixen, das über eine der größten Klosteranlagen Tirols verfügt, wurde bereits im 12. Jahrhundert gegründet und wird noch immer von Augustinermönchen bewohnt. Bekannt ist das Kloster neben der Größe der Anlage, der spätbarocken Stiftskirche und dem wunderschönen Stiftsgarten auch für seine guten Weine und in seiner Funktion als Bildungseinrichtung. So sind auf dem Gelände eine Stiftskellerei, ein Bildungshaus mit Umweltzentrum und ein Schülerheim untergebracht. Zudem werden im Kloster Führungen durch die beeindruckende Bibliothek mit ihrer wertvollen Handschriftensammlung, die Pinakothek und das Stiftsmuseum angeboten.
Was dem Kloster fehlte war eine angemessene Eingangssituation in Verbindung mit einer schlüssigen Wegeführung für die touristischen Besichtigungen. So jedenfalls empfand es nicht zuletzt der Prälat des Klosters, der daher bereits vor 2017 den Architekten Matteo Scagnol, Mitgründer des Büros MoDusArchitects, zu einem Ortstermin eingeladen hatte. „Das Kloster, in Person des Prälaten Eduard Fischnaller, wollte eine neue Präsenz zeigen“, erläutert der Architekt die ersten Ideen. „Das Augustiner Chorherrenstift ist berühmt für seine Bildung und seine Kultur, zu der auch ein Museum gehört, mit entsprechendem Publikumsverkehr. Der Eingang aber war klein und die Wegeführung kompliziert.“
Was wurde gemacht?
Die Brücke führt in das Obergeschoss des Bestandsgebäudes. Von außen ist sie mit schwarz oxidiertem Kupferblech bekleidet
Foto: Simone Bossi
Im Vorbereich des Klosters mit seinen spätbarocken Gebäuden und dem gotischen Kreuzgang befand sich eine Hofstelle, also ein Speicher, mit einem alten Gewölbekeller, und ein schlichtes, nicht denkmalgeschütztes Wirtschaftsgebäude, in dem früher die Wäscherei untergebracht war. Während das Speichergebäude saniert werden konnte, musste das Wäschereigebäude abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Dieser gliedert sich in zwei Teile, nämlich einen Ersatzneubau über dem Grundriss des Vorgängerbaus und ein Treppenhaus als verbindendes Element zum ehemaligen Speicher. Die Besuchenden betreten nun über das Foyer im sanierten Speicher die Klosteranlage und können über das neue Treppenhaus bis in das zweite Obergeschoss gelangen. Hier erreichen sie ein gänzlich neues Element: eine überdachte Brücke, die den Besucherstrom direkt in den Museumsbereich und die Bibliothek im ersten Obergeschoss des historischen Kreuzgangs leitet.
„Einer der größten Eingriffe war, dass im gesamten vorderen Bereich des alten Speichergebäudes die Decke zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss herausgenommen wurde, um einen großzügigen Eingangsbereich zu schaffen“, erläutert Tragwerksplaner Philipp Prighel vom Büro Bergmeister ITB. „Statisch bedeutete dies, dass wir die Knicklängen der Außenwände überprüfen und einige Abschnitte mit einer Mattenbewehrung verstärken mussten.“
Neue große Fensteröffnungen bringen viel Tageslicht in das ehemalige Speichergebäude
Foto: Bergmeister ITB
Während nämlich die Fensteröffnungen zum äußeren Stiftshof davor in ihrer Größe erhalten wurden, sollte umso mehr Tageslicht über die Fenster zum Innenhof hereingeholt werden. Der Bestand musste hier entsprechend mit Stahlträgern und Stahlmatten ertüchtigt werden, denn je größer die Fensteröffnungen, desto schmaler die Wandabschnitte und umso problematischer die Knicklängen. In den zweigeschossigen Foyerbereich wurde ein von den Architekten entworfener Tresen gestellt. Entlang der Außenwände bieten umlaufende Holz-Leder-Bänke, die ebenfalls aus der Feder der Architekten stammen, Sitzmöglichkeiten, während in Glas-Vitrinen die Geschichte des Klosters gezeigt wird. Im hinteren Teil blieben die historischen Räume mit ihren gotischen Elementen erhalten und werden für die Dauerausstellung des Klosters genutzt.
„Aus statischer Sicht stellt auch das Dach des Bestandsgebäudes eine Besonderheit dar“, so Bauingenieur Prighel. Das Satteldach mit Sprengwerk wurde mit Trockeneis bearbeitet, um das Holz aufzuhellen, lokal verstärkt und mit einer Holzfaserwärmedämmung ertüchtigt. Dennoch war das Ziel der Architekten, die Proportionen des Daches im Prinzip beizubehalten. „Allerdings hatten unsere Berechnungen ergeben, dass die maximale Tragkraft unter dem lag, was an diesem Standort an Schneelast zu erwarten sei. Daher musste der Bauherr seine Zustimmung dazu geben, das Dach vom Schnee zu befreien, sobald 50 cm Schnee am Boden liegen.“ So jedenfalls wurde es im statischen Abnahmebericht festgehalten.
Konischer Einschub
Im Ersatzneubau, in dem heute neben weiteren Ausstellungsflächen ein Seminar- und Veranstaltungsraum sowie ein Chorprobenraum untergebracht sind, steht über einem rechteckigen Grundriss ein Sparrendach mit eleganten Zugbändern aus schwarzem Rundstahl. Während das Holzdach hier von unten nicht sichtbar ist, sind die Stahlrohre optisch geschickt in die Aufhängung der Beleuchtung eingebunden.
Über dem trichterförmigen Einschub des Treppenhauses ist das Dach hingegen wie ein großer, mit dem Treppenverlauf ansteigender konischer Kasten konzipiert, der zwischen den beiden Satteldächern sitzt. Die geradläufige, ebenfalls konische Treppe verläuft vom Erdgeschoss über ein Zwischenpodest im ersten bis in das zweite Obergeschoss entlang einer großen Sichtbetonwand und führt dort direkt auf die neue Verbindungsbrücke. Durch ein großes Fenster, das nicht von einer tragenden Stütze gestört werden sollte, bietet sich den Besuchenden hier ein wunderbarer Blick über den Stiftsgarten und in die Umgebung.
„Für uns als ausführende Firma war der Bau des Mittelteils auf Grund der schrägen Decke schon eine Herausforderung“, erläutert Roland Oberegger vom Bauunternehmen Oberegger GmbH. „Und auch die große Sichtbeton-Innenwand zwischen Neubau und Treppenhaus wurde von uns in nur zwei Etappen gegossen. Das heißt, wir haben zunächst den Bereich vom Erdgeschoss bis in das erste Obergeschoss hergestellt, aber dann in einem Arbeitsgang den zweiten Teil von etwa 3 m Höhe bis zu einer Gesamthöhe von knapp 10 m.“
Die neue Brücke
Auch der Bau der neuen Brücke beziehungsweise ihre Einbindung in den Bestandsbau war spannend, da der denkmalgeschützte Altbau so wenig wie möglich verändert werden durfte. Dennoch ging es natürlich nicht ohne eine statische Ertüchtigung der bestehenden Außenwand, auf die nun ein Teil der Brückenlasten wirken. Zunächst einmal wurde nämlich festgestellt, dass es sich nicht etwa um meterdicke massive Klostermauern handelte, sondern um eine zweischalige Wand mit Luftkammer, die es zu verstärken galt. Diese Verstärkung übernehmen nun zwei nachträglich in die Wand eingesetzte und wieder zugemauerte Stahlstützen sowie ein Verteilerbalken aus Stahlbeton. Im Obergeschoss musste das bestehende Fenster zu einem Durchgang erweitert werden. Dabei folgt der Durchbruch dem Achsverlauf der Brücke, so dass der Einschnitt nicht im rechten Winkel in der Mauer sitzt. Um einen sauberen Wandabschluss zu schaffen, mussten die Wände links und rechts des Durchbruchs mit Vollziegeln wieder aufgemauert werden.
Um einen sauberen Wandabschluss zu schaffen, mussten die Wände links und rechts des Durchbruchs mit Vollziegeln wieder aufgemauert werden
Foto: Bergmeister ITB
„Angefangen haben wir damit, die Brücke bis an den Altbau heran zu schalen und zu gießen. Am Ende der Brücke zum Altbau hin wurden dann Betonanschlüsse einbetoniert, um später eine Verbindung zum Verteilerbalken herzustellen“, erzählt Vorarbeiter Oberegger. Um den Durchbruch abzufangen, musste oberhalb ein Stahlträger-Sturz ergänzt werden, der auf zwei Stahlstützen aufliegt. Während eine der Stützen in der Wand neben dem Durchbruch steht und hier auch stehen bleiben kann und muss, ist die zweite Stütze, die mitten im Durchgang stand, nur eine temporäre Stütze. Nachdem der Brückenquerschnitt also fertig in den Altbau hineingegossen und nach drei Wochen abgeschalt war, wurde diese wieder entfernt.
Cocon aus oxidiertem Kupfer
Die Verbindungsbrücke fällt als neues, modernes Element sofort auf und ist doch gleichzeitig durch ihre Farbigkeit und Monomaterialität zurückhaltend. Die Architekten wählten schwarz oxidierte Kupferbleche für die Außenhaut. Durch schräge, umlaufende Falze und ihren schwarzbraunen Farbton wirkt die Brücke wie ein Cocon, etwas Natürliches, das sich zwischen die Gebäude spannt. „Die umlaufenden Falze der Metallverkleidung so auszuführen, dass die von den Architekten vorgegebene Linienführung eingehalten wurde, war sehr aufwendig“, erklärt Markus Prader von der Bauspenglerei Stampfl, die die Metallarbeiten am Projekt übernommen hatte. „Auch über die Einbaurinne hinweg, die das gesamte Dach statt einer Regenrinne umfasst, mussten die Fälze durchlaufen.“
Es galt also, zunächst die grobe Struktur aufzuschnüren und festzulegen, in welchem Winkel die Fälze um den Baukörper herumgeführt werden mussten, auch um zu vermeiden, dass Elementstöße dort entstehen, wo sie nicht sein durften. Die Spengler konnten dementsprechend immer nur relativ kleine Elemente in der Werkstatt vorbereiten, um diese dann vor Ort einzupassen. Wie gut das funktioniert hat, zeigte sich schließlich daran, dass am Ende nur wenige Millimeter zwischen Dach und Fassade fehlten, die problemlos vor Ort gerichtet werden konnten. Ein weiterer Knackpunkt an dem Projekt war, dass die Winkelfälze an der Fassade auch auf die Dacheindeckung übertragen werden mussten, wobei an den Dachflächen auf den jeweiligen Wasserlauf geachtet wurde. Die Fälze wurden um 90° Grad gedreht und die Bahnen daher um die Breite der Fälze von 1,3 cm verschoben, um das Gesamtbild der durchlaufenden Fälze wiederzugeben.
Kunst am Bau
Die Wände neben diesem Aufzug wurden vom österreichischen Künstler Paul Renner gestaltet
Foto: Simone Bossi
Vom Cocon zur Pflanzenwelt: Ein anderes Element, das sich dem Thema Natur widmet, sind die den Aufzug umschließenden Wände, die nicht von den Architekten, sondern dem österreichischen Künstler Paul Renner gestaltet wurden. Dieser hatte, durch den Stiftsgarten inspiriert, Blätter und Pflanzenteile des Klostergartens gesammelt, feucht auf Metallplatten (ebenfalls oxidierte Kupferplatten) gelegt, wo diese rostige Abdrücke hinterließen, und mit einem Speziallack fixiert. Bis zur Fertigstellung der insgesamt etwa 50 m2 großen und bis zu 9 m hohen Fläche des Kunstwerkes lebte und arbeitete der Künstler im Kloster.
Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Augustiner Chorherrenstift Neustift, I-Vahrn, www.kloster-neustift.it
Architektur MoDus Architects, I-Brixen, www.modusarchitects.com
Statik Bergmeister ITB, Philipp Prighel, I-Vahrn, www.bergmeister.eu
Bauunternehmen (GU) Oberegger GmbH, I-Vahrn, www.obereggergroup.com
Spenglerarbeiten Stampfl GmbH, I-Rodeneck, www.bauspenglerei-stampfl.it
Holzbauarbeiten Zimmerei Silgoner, I-Rodeneck, www.zimmerei-silgoner.com
Betonboden- und Malerarbeiten Die Meistermaler, I-Vahrn, www.meistermaler.it
Pflasterarbeiten und Mauerrestauration Amac bau, I-Rodeneck, www.amac-bau.it