Restaurierung der Wandgestaltung von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht im Rathaus in Plauen
Bunt kann schön sein. So im Fall der jüngst wiederentdeckten und restaurierten Wandgestaltung der Künstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht im Rathaus in Plauen. Die im April dieses Jahres abgeschlossene Arbeit des Restaurators Martin Fliedner macht das 250 m2 große Kunstwerk wieder erlebbar.
Auf der linken Seite mussten großflächige Verluste im Randbereich der Wandgestaltung vollständig rekonstruiert werden
Foto: Thomas Wolf / Wüstenrot Stiftung
Nach einem Entwurf des Ateliers INSTAV (v.d.s. Praha, závod Karlovy Vary) baute das VE Wohnungsbaukombinat „Wilhelm Pieck“ (Karl-Marx-Stadt) 1976 das Rathaus in Plauen als Stahlskelettbau mit einer schräggestellten mehrgeschossigen Glasfassade. Es passte den Neubau des Nord-West-Flügels in die bestehende historische Bebauung ein. Im Neubauflügel entstand im Eingangsbereich zu beiden Seiten der Treppe eine Wandgestaltung der Künstler Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht. Diese entschieden sich damals bei der Ausführung ihres 250 m2 großen Werkes für ein Gemisch aus Granulat und Sichtbetonkleber in abstrakt-geometrischen Formen. Die unterschiedliche Körnung und Struktur des verwendeten Materials und die Farbenvielfalt brachten dem Kunstwerk Plastizität und Strahlkraft und im Volksmund den Namen Geisterbahn ein. Jedoch hielt die Oberfläche der Wandgestaltung der Beanspruchung nicht stand. Vielleicht einer der Gründe, warum man das Kunstwerk schon Ende der 1980er Jahre hinter Sandsteinplatten versteckte. Das war Glück im Unglück, denn so blieb es der Nachwelt erhalten.
Pneumatisches Beschichtungsverfahren
Foto: Friedrich Kracht
Für die Applikation ihrer Wandgestaltung verwendeten die Künstler Adler und Kracht Schablonen und ein Spritzgerät. Die von ihnen entwickelte Auftragsmethode wird als pneumatisches Beschichtungsverfahren bezeichnet. Schon seit Anfang der 1960er Jahre arbeiteten die beiden Künstler an einem „Verfahren zur industriellen Herstellung von farbstarkem, witterungs- und lichtbeständigem keramischen Granulat oder aus Natursteinsplitt oder Glassplitt bestehendem Beschichtungsmaterial auf Oberflächen von Beton, Plast oder Glas“. Für die Anhaftung des Granulats verwendete man einen Kleber der Firma Moran aus Leipzig. Der so genannte „Sichtbetonkleber SBK“ gehörte als eigenständige Komponente zum Verfahren. Zudem konnte man die Beschichtung mehrlagig aufbringen und damit die optische Wirkung von Wandputzen erzielen. Die Gestaltungsmöglichkeiten ergaben sich durch die Struktur des Materials und durch das Mischen der unterschiedlichen Farben und Materialien untereinander.
Ungewisser Zustand der Wandgestaltung
Hier stecken noch die Anker zur Befestigung der Sandsteinplatten in der Wand (insgesamt 855). Diese konnten ausgebohrt werden, ohne Beschädigungen an der Wandgestaltung zu hinterlassen
Foto: Martin Fliedner
Im Laufe der Zeit geriet die Wandgestaltung in Vergessenheit. 2014 beschloss der Rat der Stadt eine Untersuchung zur Sanierung und zum Umbau des Rathauses. Diese zeigte eine ausführliche Dokumentation der Schäden an der Glasfassade, aber auch, dass die eigentliche Tragkonstruktion des Nord-West-Flügels in einem guten und damit sanierungsfähigen Zustand war. Die Freilegung der Wandgestaltung wurde in der Untersuchung als Option genannt. 2017 reichte die mit dem Umbau und der Sanierung des Rathauses beauftragte iproplan Planungsgesellschaft aus Chemnitz den Antrag auf Baugenehmigung ein. Drei Bohrkernuntersuchungen gaben Aufschluss über den guten Erhaltungszustand auf den Oberflächen der Proben. Die Farben waren noch vorhanden. Doch gaben die Proben natürlich noch keinen Aufschluss darüber, ob man die Wandgestaltung im Ganzen erhalten könnte.
Musterfläche und restauratorische Vorarbeiten
Ende 2018 begann man damit, erste Sandsteinplatten links des Eingangs vorsichtig zu entfernen. „Durch Lücken im darunterliegenden Vergussmörtel war erkennbar, dass die Wandgestaltung in gutem Zustand war“, erinnert sich der mit der Restaurierung der Wandgestaltung beauftragte Restaurator Martin Fliedner. Um jedoch ein besseres Bild der Fläche zu erhalten, musste der Vergussmörtel, der sich zwischen den Sandsteinplatten und der Wandgestaltung befand, entfernt werden.
Die Wandgestaltung war hinter Sandsteinplatten versteckt
Fotos: Martin Fliedner
„Zum Vorschein kam eine weitestgehend intakte Oberfläche – zwar verschmutzt durch großflächige Kalkauflagerungen und stark beeinflusst durch die Vielzahl an Ankern, welche die Sandsteinplatten hielten, dennoch in erstaunlich gutem Zustand“, so Restaurator Fliedner. Dieser legte eine Musterfläche an, die den Zustand nach abgeschlossener Restaurierung präsentieren sollte. Er wählte eine Fläche aus, die auf der einen Seite durch das Baugerüst gut zugänglich war und auf der anderen Seite alle Schadensarten zeigte.
„Klar war, dass eine Reinigung zwingend notwendig war. Der eingebrachte Vergussmörtel hatte großflächige Kalkschleier auf der rauen Oberfläche hinterlassen. Im Porenraum hatten sich zudem Zuschlagstoffe des Mörtels abgelagert“, sagt Martin Fliedner. Zur Entfernung der groben Verschmutzungen probierte er ein Partikelstrahlverfahren mit unterschiedlichen Strahlmitteln und Arbeitsdrücken aus, bis die optimale Reinigungsmethode mit 2 bar Luftdruck und Aluminiumsilikat als Strahlmittel gefunden war.
Zudem mussten die Löcher, die das Entfernen der Anker hinterlassen hatten, mit Kalkmörtel geschlossen werden, da sie durch ihre regelmäßige Anordnung und natürlich auch durch den Verlust an Oberfläche die Wandgestaltung stark störten. Bewusst wurde ein materialfremder Mörtel gewählt. „Zum einen ließen sich die exakten Rezepturen der Wandgestaltung nicht mehr nachstellen, da sowohl das Bindemittel Morinol als auch die keramischen Granulate nicht mehr verfügbar waren“, so Restaurator Fliedner. Zudem hätte der ursprüngliche Auftrag mit Druckluft einen sehr hohen Nachbearbeitungsaufwand bedeutet. Ein Grundsatz der Denkmalpflege und Restaurierung ist es allerdings, neu Hinzugefügtes sichtbar zu machen. Das ist auch hier der Fall.
„Farbliche Anpassungen der ergänzten Bereiche sorgten für ein geschlossenes Bild und machten das Kunstwerk in seiner immensen Farbwirkung und Strahlkraft wieder erlebbar. Die im März 2019 abgeschlossene Musterfläche bildete ein weiteres Argument für den Erhalt des Kunstwerkes“, sagt Martin Fliedner.
Restaurierung der Wandgestaltung
Anfang Juni 2019 fiel der Startschuss zur Restaurierung der gesamten Wandgestaltung. Die Stadt Plauen und die Wüstenrot Stiftung entschlossen sich gemeinsam zu einer vollständigen Freilegung und denkmalgerechten Restaurierung unter Ausführung des an der Musterfläche erarbeiteten Vorgehens. Im Rahmen ihres operativen Programms „Baubezogene Kunst der DDR“ beauftragte die Wüstenrot Stiftung die restauratorischen Arbeiten und übernahm auch die Kosten in Höhe von rund 165 000 Euro.
Ende 2020 wurden dann insgesamt 175 m2 Sandsteinplatten entfernt. Der Vergussmörtel zeigte erfreulicherweise nur eine geringe Anhaftung an den Sandsteinplatten, so dass diese im Wesentlichen ohne Beschädigungen des Kunstwerks abgenommen werden konnten. „Der Vergussmörtel wies stark variierende Bindung zur Oberfläche der Wandgestaltung auf. Im oberen Bereich lag dieser weitestgehend lose auf, im unteren Bereich hingegen klebte er partiell stark an der Oberfläche“, sagt Restaurator Martin Fliedner. Dort, wo der Mörtel stärker an der Oberfläche klebte, musste er mit Hammer und Meißel zurückgearbeitet werden, bis nur noch eine dünne Schicht Mörtel übriggeblieben war. Diese wurde dann mit dem Partikelstrahlverfahren entfernt. Dabei fielen insgesamt rund 12 Tonnen Mörtel an. Danach reinigte der Restaurator die gesamte Wandfläche mit dem bereits an der Musterfläche erprobten Verfahren. Die Anker konnten ausgebohrt werden, ohne Beschädigungen an der Wandgestaltung zu hinterlassen.
An den Stellen, wo sich die Wandgestaltung vom Ziegelsteinträger gelöst hatte, brachte Restaurator Fliedner Hinterfüllmörtel ein
Foto: Wüstenrot Stiftung
An den Stellen, wo sich die Wandgestaltung vom Ziegelsteinträger gelöst hatte, brachte Restaurator Fliedner Hinterfüllmörtel ein. So konnte die Bindung zum Untergrund wieder hergestellt werden. Insgesamt waren 855 Ankerlöcher und an einigen Stellen auch weitere Verletzungen der Oberfläche zu sehen. Nahe am Boden fanden sich Ausbrüche. All diese Verletzungen mussten mit Kalkmörtel geschlossen werden.
„Eine Besonderheit stellten die Wandflächen in unmittelbarer Nähe zum Eingang dar. Diese waren nicht mit Sandstein verblendet, hier befand sich ein glattgezogener Kalkzementputz direkt auf der Oberfläche. Um diesen entfernen zu können, musste die Oberfläche der verschiedenen Wandanstriche zunächst mit Hammer und Meißel bearbeitet werden. Der Putz konnte im Anschluss dann ebenfalls mittels Partikelstrahlreinigung entfernt werden“, so Martin Fliedner.
Auch Risse, vor allem an den Ecken, mussten geschlossen werden. Hohlstellen wurden mit Kalkmörtel hinterfüllt. Hierzu setzte Martin Fliedner Injektionsschläuche ein, über die der dünnflüssige Mörtel eingebracht werden konnte. Die Füllung der Hohllagen erfolgte in mehreren Arbeitsschritten.
Retusche der Wandgestaltung
Wandabschnitt nach Abschluss der Retusche
Foto: Martin Fliedner
Nun konnte die Retusche beginnen. Für die Sockelzone setzte Martin Fliedner Acrylfarben ein, da der Farbauftrag hier wasserunlöslich sein sollte. Für den Rest verwendete er wasserlösliche Gouachefarben, damit dieser Teil der Arbeit reversibel bleibt.
Die sehr raue Oberfläche und die besondere Lichtsituation, die durch einen starken Einfall von direktem Tageslicht und leichtem Streiflicht durch die Deckenbeleuchtung geprägt ist, bildeten eine große Herausforderung für den Restaurator bei der Retusche. Zudem konnte er das Kunstwerk nicht mit Abstand betrachten, da die schräge Fassadenverglasung von außen spiegelte. So beeinflusste die in Teilen recht kurze Distanz zum Kunstwerk die Arbeit stark.
Alle Eingriffe bleiben an der Wandgestaltung ablesbar. „Die erzielte Beruhigung der Farbigkeit versetzt den Betrachter in die Lage, den Eindruck eines geschlossenen Kunstwerks und das zugrundeliegende Konzept zu erfahren“, so Martin Fliedner. Dazu war es erforderlich, auch großflächige Verluste im Randbereich auf der linken Seitenfläche der Wandgestaltung vollständig zu rekonstruieren. Das war möglich, weil die Wandgestaltung von geometrischen Formen und Wiederholungen geprägt ist. Nachdem Restaurator Martin Fliedner auch den ursprünglichen Sockelstreifen ergänzt hatte, war die Restaurierung im April dieses Jahres beendet.
Fazit
Nun ist die Wandgestaltung am Rathaus in Plauen wieder als Ganzes erlebbar. „Kunst muss sichtbar sein, wenn man sich mit ihr auseinandersetzen will“, sagt Prof. Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung. „Mit der Freilegung des Werks von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht am Neuen Rathaus Plauen wird ein ganz besonderes Werk wieder in die Öffentlichkeit gebracht“.
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.
Baubeteiligte (Auswahl)
Eigentümerin Stadt Plauen, www.plauen.de
Bauherrin und Projektträgerin Prof. Philip Kurz, Nadine Schäfer, Wüstenrot Stiftung, Ludwigsburg, www.wuestenrot-stiftung.de
Projektsteuerung Thomas Knappheide,
Ulrike Stimpel, Büro Knappheide, Wiesbaden, www.knappheide.eu
Restaurierungsarbeiten
Dipl. Rest. (FH) Martin Fliedner, Möschwitz,
www.fliedner-restaurierung.de