Umbau der ehemaligen Oberpostdirektion in Berlin

Große Freiheit bei der Raumgestaltung war aufgrund der Stahlskelettkonstruktion bereits beim Bau der Oberpostdirektion 1928 in Berlin gegeben. Größtmögliche Flexibilität war auch das Ziel des 2024 abgeschlossenen Umbaus durch das Büro Bollinger + Fehlig Architekten.

An der Fassade zeigt sich die expressionistische Gestaltung im Kontrast zu den weißen Putzflächen im Schmuck aus rotbraunen Terrakottasteinen An der Fassade zeigt sich die expressionistische Gestaltung im Kontrast zu den weißen Putzflächen im Schmuck aus rotbraunen Terrakottasteinen
Fotos: Marcus Ebener

An der Fassade zeigt sich die expressionistische Gestaltung im Kontrast zu den weißen Putzflächen im Schmuck aus rotbraunen Terrakottasteinen
Fotos: Marcus Ebener
Die ehemalige Oberpostdirektion ist eines der Hauptwerke des Berliner Expressionismus der 1920er Jahre. Kein Wunder also, dass es als architektonisch bedeutendes Dienstgebäude unter Denkmalschutz steht. 1922 beschloss die Deutsche Reichspost den Bau im Berliner Ortsteil Charlottenburg. 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte das Verwaltungsgebäude aufnehmen können. Entworfen hat es der Oberpostbaurat Willy Hoffmann. Das 1928 fertiggestellte Gebäude ist sein Hauptwerk. Noch bis 2019 wurde das Dienstgebäude durch Abteilungen und Tochterfirmen der Deutschen Telekom genutzt.

Expressionistisches Dienstgebäude

Bei der ehemaligen Oberpostdirektion handelt es sich um eine Vierflügelanlage mit einem Verbindungsbau in der Mitte mit Kantine und großem Saal. An einen der Flügel schließen sich zwei niedrigere Anbauten an, wobei der größere davon in einem runden Turmbau endet. Im kleineren Anbau befand sich die Dienstwohnung des Oberpostdirektors. An der Fassade zeigt sich die expressionistische Gestaltung deutlich im Kontrast zu den weißen Putzflächen im Schmuck aus ­rotbraunen Terrakottasteinen an den Gebäudekanten, den Eingängen und Fenstereinfassungen sowie
dem Hauptgesims.

Das fünfgeschossige Haupttreppenhaus direkt hinter dem Haupteingang mit 18 m hohen, mit Fliesen verkleideten Pfeilern Das fünfgeschossige Haupttreppenhaus direkt hinter dem Haupteingang mit 18 m hohen, mit Fliesen verkleideten Pfeilern
Foto: Marcus Ebener

Das fünfgeschossige Haupttreppenhaus direkt hinter dem Haupteingang mit 18 m hohen, mit Fliesen verkleideten Pfeilern
Foto: Marcus Ebener
Im Inneren ist es vor allem das fünfgeschossige Haupttreppenhaus direkt hinter dem Haupteingang mit 18 m hohen, mit Fliesen verkleideten Pfeilern, die kreisförmig angeordnet sind, an dem die expressionistische Gestaltung deutlich wird. Expressiv ist auch die intensive Farbgebung, die sich in weiteren der zahlreichen Treppenhäusern findet. Konstruiert ist das Gebäude wie viele Bauten der 1920er Jahre aus einem inneren Tragwerk in Stahlskelettbauweise mit äußeren Umfassungswänden aus Mauerwerk. Das erlaubte große Freiheiten bei der Raumgestaltung.

Flexible Raumgestaltung

Größtmögliche Flexibilität war auch das Ziel der Umbauplanungen durch das Büro Bollinger + Fehlig Architekten als Generalplaner im Auftrag der M.S.C. Objekt Berlin S.à r.l.. Dabei sollte der Denkmalwert des Gebäudes natürlich erhalten bleiben. „Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble auf einer Bruttogrundfläche von etwa 35 000 m2 war in seiner ursprünglichen Form – wie vom Architekten und Oberpostbaurat Willy Hoffmann konzipiert – für eine moderne Nutzung veraltet. Mit diesem Projekt war es uns ein wichtiges Anliegen, zu zeigen, wie sich solche Gebäude ökonomisch und ökologisch sinnvoll modernisieren lassen“, erklärt Jens Fehlig, geschäftsführender Gesellschafter von Bollinger + Fehlig Architekten.

Die Stahlskelettbauweise kam den Planern bei der Neuaufteilung der Grundrisse in den oberen Etagen in Einzel- und Großraumbüros entgegen. Zwar wurde die historische Zellenbürostruktur in der Eingangsebene erhalten, um den ursprünglichen Charakter des Gebäudes sichtbar zu machen, alle anderen Zellenbüros mit Mittel- und Seitenfluren wandelten die Architekten aber in zeitgemäße Büroflächen um. Mit minimalen Eingriffen modernisierten sie zudem den halböffentlichen Mitteltrakt, frischten die Veranstaltungsräume auf und erhielten sie in ihrem historischen Zustand. Alle im Gebäude neugestalteten „Zukunftsräume“ können je nach Mieterwunsch flexibel umfunktioniert werden. Sie verbinden historische und moderne Elemente und berücksichtigen unterschiedliche Bedürfnisse wie Rückzug, Begegnung und kooperatives Arbeiten.

Rückbau und Asbestsanierung

Situation nach der Schadstoffsanierung (Entfernung des Putzes) in einem der unteren Geschosse Situation nach der Schadstoffsanierung (Entfernung des Putzes) in einem der unteren Geschosse
Foto: Bollinger + Fehlig Architekten

Situation nach der Schadstoffsanierung (Entfernung des Putzes) in einem der unteren Geschosse
Foto: Bollinger + Fehlig Architekten
Um dies zu erreichen, musste ab dem dritten Obergeschoss umfangreich rückgebaut werden. „Alle nichttragenden Wände aus Schlackesteinen haben wir entfernt“, sagt Andrea Göldel, Projektleiterin im Büro Bollinger + Fehlig Architekten. Vorab musste jedoch der gesamte asbestbelastete Innenputz entfernt werden. „Eine Baustelle in Schutzanzügen“, erinnert sich Projektleiterin Göldel. Dabei ergaben sich zwei Abbruchphasen: Der Schwarzbereich der Asbestsanierung wanderte nach und nach durch das Gebäude, gefolgt vom schadstofffreien Rückbau.

„Anfangs dachten wir, wir könnten den Estrich flicken“, sagt Architektin Göldel. Jedoch standen die Bestandswände auf den Rohdecken. Das hatte nach deren Rückbau einen Flickenteppich aus Estrichflächen zur Folge, der sich nicht vernünftig erhalten ließ. Ein Standardestrich kam jedoch auch nicht in Frage. „Wir haben zusammen mit einem Estrichspezialisten einen Sonderaufbau geplant“, berichtet Andrea Göldel. Dieser wurde als Zementestrich ausgeführt.

Treppenhäuser

Das runde Treppenhaus nach der Schadstoffsanierung. Hier wurden die Treppengeländer komplett erneuert Das runde Treppenhaus nach der Schadstoffsanierung. Hier wurden die Treppengeländer komplett erneuert
Foto: Bollinger + Fehlig Architekten

Das runde Treppenhaus nach der Schadstoffsanierung. Hier wurden die Treppengeländer komplett erneuert
Foto: Bollinger + Fehlig Architekten
Ein besonderer Fokus der Denkmalpflege lag auf den aufwendig expressionistisch gestalteten Treppenhäusern, von denen es reichlich im Gebäude gibt, da hier vieles original erhalten war. „Die Farbgebung musste in jedem Treppenhaus einzeln mit der Denkmalpflege abgestimmt werden“, erinnert sich Andrea Göldel. Dies betraf die Farbgebung der Wände ebenso wie die der neuen Kautschukbeläge, die die Handwerker über den sehr unterschiedlichen historischen Bodenbelägen verlegten, und die Farben der Handläufe. Die Treppengeländer mussten erhöht werden, um heutige Anforderungen zu erfüllen. Dazu wurde ein zweiter Handlauf oberhalb der Bestandshandläufe angebracht. Im runden Treppenhaus musste das Geländer dagegen komplett erneuert werden. Die zum Teil recht kräftige Farbgebung in den Treppenhäusern ist historisch belegt und mit der Denkmalpflege abgesprochen.

Brandschutz und Trockenbau

Die Stahlstützen werden aus Gründen des Brand- und Denkmalschutzes mit Gipskartonplatten eingehaust Die Stahlstützen werden aus Gründen des Brand- und Denkmalschutzes mit Gipskartonplatten eingehaust
Foto: Bollinger + Fehlig Architekten

Die Stahlstützen werden aus Gründen des Brand- und Denkmalschutzes mit Gipskartonplatten eingehaust
Foto: Bollinger + Fehlig Architekten
„Die große Zahl an Treppenhäusern hat uns beim Brandschutz sehr geholfen, weil wir dadurch das Gebäude gut in Brandabschnitte unterteilen konnten, so dass jeder Brandabschnitt über zwei Rettungswege verfügt“, sagt Architektin Göldel. Die Stahlstützen wurden sowohl aus Gründen des Brandschutzes als auch aus Denkmalschutzgründen mit Gipskartonplatten eingehaust. Denn sie hatten historisch gesehen eine rein konstruktive und keine gestalterische Funktion. Daher waren sie auch in die Flurwände eingebunden. Nur im obersten Geschoss, wo die ­Stahlstützen nur die Dachlast tragen müssen, durften sie nun unverkleidet bleiben. Hier wurden Großraumbüros ohne Trennwände realisiert.

Bei der Neuaufteilung der Grundrisse ab der vierten Etage wurden die künftigen Mieter mit einbezogen, so sie denn bereits feststanden. Wo noch keine Mieter feststanden, wurden die Anschlüsse zu den Treppenhäusern, die Besprechungsräume sowie die WCs und Teeküchen festgelegt. Letztere sind wegen der Wasseranschlüsse nicht mehr veränderbar.

Fazit

Im obersten Geschoss durften im Großraumbüro die Stahlstützen sichtbar bleiben Im obersten Geschoss durften im Großraumbüro die Stahlstützen sichtbar bleiben
Fotos: Marcus Ebener

Im obersten Geschoss durften im Großraumbüro die Stahlstützen sichtbar bleiben
Fotos: Marcus Ebener
Nach dem Umbau der ehemaligen Oberpostdirektion in Berlin ist ein modern und flexibel nutzbarer Bürobau in einem Baudenkmal entstanden. Intensiv war dabei die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. „Wir hatten zum Teil alle vierzehn Tage Abstimmungstermine mit dem Denkmalschutz“, erinnert sich Andrea Göldel. Intensiv war auch die Zusammenarbeit mit den Fachplanern. „Gut ist es, wenn die Fachplaner im Bestand Erfahrung haben. Unsere Fachplaner haben gute und realistische Vorschläge mit eingebracht“, sagt Projektleiterin Göldel.

Autor

Dip.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr M.S.C. Objekt Berlin S.à r.l., Berlin

Planung Bollinger + Fehlig Architekten, Berlin, www.bollinger-fehlig.de

Tragwerksplanung SFB – Saradshow Fischedicke Bauingenieure, Berlin, www.sfb-bauingenieure.de

Schadstoffgutachten Umweltplanung Dr. Klimsa, Potsdam und Berlin,

www.klimsa-umweltplanung.de

IUP Ingenieure, Braunschweig, www.iup-net.com

Denkmalgutachten ProDenkmal, Bamberg, Berlin und Schwerin, www.prodenkmal.de

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