Umnutzung der Getreidesilos der Plange Mühle im Düsseldorfer Rheinhafen

Im Düsseldorfer Rheinhafen hat das Architekturbüro ingenhoven associates mit der Sanierung der zylindrischen Betonsilos nun einen weiteren Baustein des Ensembles Plange Mühle fertiggestellt. In den Betonsilos befinden sich heute Arztpraxen und Büros.

Die Röhrenform von Beton-Getreidesilos ist ideal, um hierin Schüttgut zu lagern und dieses später von unten entnehmen zu können. Für eine Büro- und Praxisnutzung stellen die runden Grundrisse hingegen eine Besonderheit und ihre Umnutzung eine Herausforderung dar. Das Büro ingenhoven associates hat diese angenommen und innerhalb des Ensembles Plange Mühle im Düsseldorfer Rheinhafen nun auch das aus zehn Betonröhren bestehende Betonsilo umgebaut.

Der Architekt fungierte in dem Projekt auch als Bauherr, der das gesamte historische Ensemble, zu dem auch das 2014 bis 2016 sanierte Holzsilo gehört, bereits in den 1990er Jahren erworben hatte und zu einem modernen Büro- und Medizinstandort entwickeln möchte. Bekannt war die Plange Mühle dafür, dass hier das Mehl für die deutschlandweit bekannte Marke Diamant Mehl gemahlen wurde. Im Düsseldorfer Industriehafen sind die historischen Backsteingebäude der Mühle sowie der denkmalgeschützte Uhrenturm mit Bronzeadler ein echtes Wahrzeichen. Seit 2000 steht auch das Betonsilo, das 1934 erbaut wurde, unter Denkmalschutz.

Nach Abschluss der Sanierung und Umnutzung der Plange Mühle im Düsseldorfer Rheinhafen befinden sich in den Betonsilos Arztpraxen und Büros Nach Abschluss der Sanierung und Umnutzung der Plange Mühle im Düsseldorfer
Rheinhafen befinden sich in den Betonsilos Arztpraxen und Büros
Foto: ingenhoven associates / HGEsch

Nach Abschluss der Sanierung und Umnutzung der Plange Mühle im Düsseldorfer
Rheinhafen befinden sich in den Betonsilos Arztpraxen und Büros
Foto: ingenhoven associates / HGEsch
 

Der Bestand 

Was genau haben die Planer und Planerinnen nun vorgefunden? Was war die Basis des neuen Entwurfs? Die zehn Siloröhren mit einer Höhe von fast 30 m und einem Durchmesser von jeweils etwa 8,5 m, sind immer paarweise angeordnet, so dass sie in einer Doppelreihe mit zwei mal fünf Röhren in Verlängerung des Holzsilos entlang der Uferkante des Rheins stehen. Weiteres Element und für die ursprüngliche Nutzung unverzichtbares Gebäudeteil ist der alle Röhren verbindende Dachreiter, der in Verbindung mit dem 37 m hohen Treppenhaus an der Westseite wie eine Klammer die Röhren zusammenzuhalten scheint. Eine äußerliche Verbindung stellt der Dachreiter auch zur Holzmühle dar, der die innere Nutzung allerdings nicht folgt.

Gegründet wurde das Betonsilo seinerzeit auf elf 50 m langen Betonpfählen, die in die voutenartig verstärkte Bodenplatte einbinden. Die Anforderungen einer Weißen Wanne bei einem Hochwasserereignis konnte allerdings nicht mehr gewährleistet werden, so dass hier nun eine neue Weiße Wanne in den Bestand gebaut wurde.

Die Betonsilos zeigten Abplatzungen und Risse im Putz, Beton- und Korrosionsschäden sowie Hohlräume zwischen Beton und Putzmörtel Die Betonsilos zeigten Abplatzungen und Risse im Putz, Beton- und Korrosionsschäden sowie Hohlräume zwischen Beton und Putzmörtel
Foto: Schüßler Plan

Die Betonsilos zeigten Abplatzungen und Risse im Putz, Beton- und Korrosionsschäden sowie Hohlräume zwischen Beton und Putzmörtel
Foto: Schüßler Plan
Generell musste zunächst natürlich die Betonqualität der Silos geprüft werden. Da im Inneren nicht mit Hubsteigern gearbeitet werden konnte, klopfte hier ein Fassadenkletterer die Wände ab und markierte alle schadhaften Stellen, Ablatzungen und Risse im Putz, Beton- und Korrosionsschäden sowie Hohlräume zwischen Beton und Putzmörtel. Hohlliegenden Putzmörtel fand er im Endeffekt auf 40 Prozent der gesamten Außenoberfläche vor. Die Reduzierung der Querschnitte durch Korrosion der freiliegenden Bewehrung lag bei etwa 50 Prozent. Stärker als die Fassade war der Beton des Dachreiters betroffen, der über Jahre frei bewittert worden war.

Der Altbeton musste also lokal mit Spritzbeton saniert werden. Zusätzlich brachten die Handwerker von außen einen Dämmputz auf. Vor allen Dingen aber musste der Bau an die neue Nutzung angepasst werden.

Die statische Anpassung

Für eine sinnvolle Bespielbarkeit der Ebenen wurden die zehn kreisrunden Flächen der einzelnen Siloröhren ebenenweise zu einer Fläche zusammengefasst, auch wenn diese später brandschutztechnisch wiederum in zwei Abschnitte geteilt und auch in mehrere Nutzungseinheiten untergliedert werden mussten. Hierfür entfernten die Handwerker jeweils die mittigen Silowände, also jeweils die Bereiche, an denen die sich gegenüberstehenden Röhren berühren, über eine Breite von etwa 5 m. Da die Stabilität der Röhren aber gerade in ihrer idealen Form als geschlossener Zylinder lag, musste hier Stück für Stück, etagenweise von unten nach oben vorgegangen werden.

„Die Stabilität des Gesamtgebäudes, aber auch der einzelnen Röhren, wird im Endeffekt über die neuen Decken hergestellt. Als Zwischenlösung wurde in der Bauphase zunächst ein etwa 1,60 m breites Stück als lastabtragender Pfeiler stehengelassen und erst weggenommen als alle neuen Decken gegossen und ausgehärtet waren“, erklärt hierzu Tragwerksplaner Markus Krah vom Büro Schüßler-Plan, das im Projekt für die Statik zuständig war. Gearbeitet wurde dabei von unten nach oben, wobei der Beton für die neuen Decken von oben senkrecht durch die Montageöffnungen eingeführt wurde.

Dass der Rückbau der Silowände und Betondecken sowie der Bau der neuen Betondecken von unten nach oben durchgeführt wurde, hatte also zum einen logistische Gründe, da bei der umgekehrten ­Vorgehensweise die bereits gebauten Decken den Weg des Betons versperrt hätten, zum anderen machte die Lage in der Erdbebenzone 1 dies erforderlich. „Auf Grund des Standortes mussten wir auch im Bauzustand das Schwingungsverhalten der Silos beachten. Wenn die Hauptmasse oben angeordnet wird, ist dies statisch ungünstig“, so Markus Krah.

Neue, tiefer liegende Geschossdecke Neue, tiefer liegende Geschossdecke
Foto: Schüßler Plan

Neue, tiefer liegende Geschossdecke
Foto: Schüßler Plan
Die 28 cm dicken Geschossdecken wurden mit Auflagertaschen auf den Silowänden erstellt und mit einer Betonkernaktivierung realisiert. Während alle anderen Decken zwar neu gegossen, aber in ihrer Höhe nicht verändert wurden, war es notwendig, die Decken der fünften und sechsten Etage in ihrer Lage zu verändern, um im sechsten Obergeschoss eine ausrechende lichte Höhe zu gewährleisten. Der bestehende Silodeckel (Decke fünftes Obergeschoss) wurde abgerissen und durch eine neue Stahlbetondecke, etwa 70 cm unterhalb der alten Decke ersetzt. Während der Bauphase hingen dadurch die Bestandsstützen zeitweise, eingeklemmt zwischen den Silowänden, quasi in der Luft und mussten entsprechend nach unten verlängert werden.

Hierfür wurde außerdem ein ­neuer Abfangbalken zwischen den Silowänden eingezogen. Zudem versetzten die Handwerker die neue Aufschlussdecke, die nun als Dachterrasse mit intensiver Dachbegrünung genutzt wird, um die Dicke der alten Decke (30 cm) nach oben. Da zudem zu der alten Konstruktion Unterzüge gehörten, die nochmals mit 42 cm unterhalb der Bestandsdecke saßen, konnte das Geschoss von einer Stehhöhe von teilweise nur 2 m auf 3 m erweitert werden.

Neue Nutzung

Etwas weniger spektakulär als man vielleicht vermuten würde, war die Umsetzung der neuen Fensteröffnungen, da die Wanddicke der Silos mit 20 cm recht moderat und somit ein Durchbruch gut zu realisieren war. Mit einer Metallsäge wurden die Fensterdurchbrüche eingeschnitten und die Füllungen im Stück in das Innere der Röhren gehoben, zerkleinert und mit Bobcats und Schüttrutschen abtransportiert. Über je zwei Fenster mit einer Größe von jeweils 2,20 m Breite und 2,70 Höhe werden die halbkreisförmigen Räume nun sehr gut mit Tageslicht versorgt.

Da die Wanddicke der Betonsilos mit 20 cm recht moderat ist, ließen sich die Durchbrüche für die neuen Fensteröffnungen gut realisieren Da die Wanddicke der Betonsilos mit 20 cm recht moderat ist, ließen sich die Durchbrüche für die neuen Fensteröffnungen gut realisieren
Foto: ingenhoven associates / HGEsch

Da die Wanddicke der Betonsilos mit 20 cm recht moderat ist, ließen sich die Durchbrüche für die neuen Fensteröffnungen gut realisieren
Foto: ingenhoven associates / HGEsch
Neu sind im Gebäude die Treppenhäuser, wobei das Treppenhaus an der Ostseite in einer der Siloröhren ganz neu konzipiert und umgesetzt wurde, während das Treppenhaus an der Westseite an die neue Nutzung angepasst werden musste. Hier wurde in den bestehenden rechteckigen Turm ein neuer Treppenlauf aus Stahlbeton gesetzt, der in seiner dreieckigen Form die acht Etagen der Siloröhren miteinander verbindet.

„Das Thema der Stützen in der Luft hatten wir übrigens nicht nur bei der Verschiebung der Geschossdecke im fünften Obergeschoss, sondern auch im Untergeschoss“, so Krah. „Auch im Kellergeschoss hatten die Stützen der Achse C zeitweise keinen Bodenkontakt, um hier den Boden der neuen WU-Wanne in einer Platte durchlaufen lassen zu können.“ In der Achse C waren, wie beschrieben, Teile der Stahlbetonröhren etagenweise entfernt worden, so dass hier am Ende im Untergeschoss keine Lasten mehr abzufangen waren.

Auf Grund des hohen Wasserdrucks durch Grund- und Hochwasser waren die Druckfestigkeit und der Wassereindringwiderstand der bestehenden Wände geprüft worden. „Das Untergeschoss steht bei Hochwasser komplett im Wasser“, erklärt der Tragwerksplaner weiter. „Es war klar, dass eine neue, innenliegende WU-Wanne den Bestand ertüchtigen musste und dass ein Anbetonieren der neuen Bodenplatte an die Stützen, beziehungsweise ein Abdichten mit Klemmfugenbändern an dieser Stelle nicht ausgereicht hätte.“

Wie aber lässt sich ein runder Grundriss ideal nutzen? Die Grundidee der Architekten war, mit dem Plange Mühle Campus, Unternehmen aus der Mode-, Medizin-, Architektur- und Beratungsbranche eine Heimat zu bieten. Und so wird das Betonsilo heute unter anderem von einer radiologischen Praxis und einer orthopädischen Klinik mit den entsprechenden Räumlichkeiten wie Empfang, Operations- und Bettenetage, genutzt. Aber auch für Büros bieten die halbkreisförmigen Röhren spannende Grundrisse und zudem einen großartigen Ausblick über den Düsseldorfer Hafen.

Autorin

Dipl.-Ing. Nina Greve studierte Architektur in Braunschweig und Kassel. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin in Lübeck (www.abteilung12.de) und ist unter anderem für die Zeitschriften DBZ, bauhandwerk und dach+holzbau tätig.

Baubeteiligte (Auswahl)

  

Bauherr harbour properties, Düsseldorf, www.harbour-properties.com 

Architektur ingenhoven associates, Düsseldorf, www.ingenhovenarchitects.com 

Tragwerksplanung Schüßler Plan, Düsseldorf, www.schuessler-plan.de 

Bauausführung Michael Schmidt Bauunternehmung, Duisburg, bauen-mit-schmidt.de

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