Erweiterung des MKM Museums Küppersmühle in Duisburg nach Plänen von Herzog & de Meuron
Mit der Erweiterung des Duisburger Museums MKM Küppersmühle nach Plänen des Architekturbüros Herzog & de Meuron hat sich nicht nur die Ausstellungsfläche des Museums nahezu verdoppelt, die Industriebauten sind dank des Ziegelanbaus auch zu einem perfekten Ensemble zusammengewachsen.
Den Ursprung der Küppersmühle bildet eine 1860 vom Industriellen Wilhelm Vedder errichtete Getreidemühle. Rund ein halbes Jahrhundert später wurde diese bereits wieder abgerissen und 1908 durch den dreiteiligen Bau einer Industriemühle mit damals modernster Technik ersetzt – das Gebäude, in dem sich heute das MKM Museum Küppersmühle befindet. Nachdem die Werner & Nicola Werke den Betrieb 1912 übernommen hatten, kam ein Kesselhaus mit Schornstein zur Mühle hinzu. Den Abschluss der baulichen Erweiterung bilden die angrenzenden Stahlsilos aus den 1930er Jahren und natürlich die Backstein-Erweiterung aus diesem Jahr. Aber dazu später mehr. Ende der 1960er Jahre fusionierte das Unternehmen mit den Küppers-Werken in Homberg, die der Mühle ihren Namen gaben. Zwölf Jahre später wurde der Mühlenbetrieb jedoch bereits stillgelegt.
Erste Umnutzung im Rahmen der IBA Emscher Park
Zum ersten Mal wurde die Küppersmühle bereits 1999 zum gleichnamigen Museum umgenutzt. Dies geschah im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (kurz IBA) Emscher Park, die im gleichen Jahr ihren Abschluss fand. Im Jahrzehnt davor fanden entlang der Emscher zahlreiche Industriebauten eine neue Funktion: Die Bauten reichen von der Jahrhunderthalle in Bochum, über das Gasometer in Oberhausen bis zum Landschaftspark Nord in Duisburg und zum dortigen Binnenhafen, der in der Gesamtbetrachtung aller öffentlichen und privaten Hafenanlagen als größter Binnenhafen der Welt gilt. In den 1990er Jahren erfolgte im Rahmen der IBA Emscher Park die Umgestaltung des zu einer Industriebrache verfallenen Binnenhafens nach einem Masterplan des britischen Architekten Lord Norman Foster. In den einstigen Industriebauten und den neu errichteten Gebäuden entstand ein Dienstleistungsareal mit Büros und Wohnungen, Gastronomie-, Freizeit- und Kulturangeboten, wozu auch das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst gehört. Darin wird die Sammlung von Hans Grothe gezeigt: Werke der Nachkriegskunst bis zur Gegenwart unter anderem von Georg Baselitz, Anselm Kiefer und Gerhard Richter auf einer Ausstellungsfläche von rund 2500 m2.
Erste Pläne einer Erweiterung
Neben dem Industriekomplex der Küppersmühle wartet die Stahlrahmenkonstruktion vergebens darauf, auf die mit Beton ertüchtigten Stahlsilos gehoben zu werden
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
Der Umbau der Industriemühle zum Museum erfolgte in den Jahren von 1997 bis 1999 nach Plänen des Baseler Architekturbüros Herzog & de Meuron. Schon sechs Jahre später dachte man über eine Erweiterung des Museums nach: Sylvia und Ulrich Ströher hatten die Sammlung Grothe gekauft und ihrer eigenen hinzugefügt. Dadurch war der Platzbedarf erheblich gewachsen. Die damalige Eigentümerin des Mühlenkomplexes, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEBAG, wandte sich wieder an das Architekturbüro Herzog & de Meuron. Diese schlugen eine Erweiterung in Form einer Stahlrahmenkonstruktion vor, die als Querformat oben auf den mit Beton statisch ertüchtigten Stahlsilos ihren Platz finden sollte. Das lässt unweigerlich an die Hamburger Elbphilharmonie denken, handelt es sich doch auch dort um die Aufstockung eines Speichers nach Plänen von Herzog & de Meuron. Eine Weile lag die 1400 Tonnen schwere und rund 40 Millionen Euro teure fertige Stahlkonstruktion neben dem Museum. Fehlerhaft vom Stahlbauer konstruiert, der infolgedessen in Konkurs ging, wurden die Bauarbeiten zunächst eingestellt, bis die Stahlkonstruktion 2014 schließlich abgewrackt wurde.
Neue Erweiterung fordert interne Durchgängigkeit
Für den Erweiterungsbau errichteten die Handwerker neben den Silos einen Stahlbetonrohbau, der später eine Ziegelfassade erhielt
Foto: Benedikt Kraft / DBZ
2013 wandte sich das Ehepaar Ströher, das die Gebäude der Küppersmühle mittlerweile von der GEBAG übernommen hatte und auch bereits als Sponsoren an der ersten gescheiterten Erweiterung beteiligt war, ebenfalls wieder an die Baseler Architekten. Eine Machbarkeitsstudie kam nun zu einem vollkommen anderen Ergebnis. Die ursprüngliche Idee eines beleuchteten Kubus, der auf den Silotürmen balanciert und weithin sichtbar ist, wurde über Bord geworfen. Stattdessen schlugen die Architekten einen Anbau vor, der in Dimension und Material der Abfolge historischer Backsteinbauten am Hafen entspricht, also dem Gegenteil ihres ursprünglichen Entwurfs.
In zwei Stahlröhren der zehn verbliebenen, zuvor mit Beton statisch ertüchtigten Silos, schnitten die Handwerker vier Öffnungen hinein
Foto: MKM Duisburg / Herzog & de Meuron / Simon Menges
Um von dem bereits umgenutzten Teil der Industriemühle in einen Erweiterungsbau zu gelangen, musste eine interne Verbindung hergestellt werden, die die Silotürme durchdringt. Hierzu schnitten die Handwerker in zwei Stahlröhren der zehn verbliebenen, zuvor mit Beton statisch ertüchtigten Silos, vier Öffnungen hinein und verbanden diese auf zwei übereinander liegenden Ebenen im ersten und zweiten Obergeschoss über Stahlbrücken miteinander. Auf der darunterliegenden, von massiven Stahlbetonpfeilern getragenen Erdgeschossdecke standen ursprünglich 16 Siloröhren. Da man bereits vorab die sechs Innensilos entfernt hatte, blieb zwischen dem Ring der zehn verbliebenen Siloröhren eine Fläche der Erdgeschossdecke frei, in die die Handwerker ein riesiges Oval hineinschnitten – ein Passepartout für ein lebendes Bild, in dem sich Museumsbesucher bewegen, das andere Gäste von den Brücken aus betrachten können. So wurden die Silos selbst zum begehbaren Ausstellungsobjekt.
Erweiterungsbau aus gebrochenen Ziegeln
Herzog & de Meuron erweiterten die Küppersmühle im Duisburger Binnenhafen um einen markanten Ziegelbau (links neben den grauen Stahlsilos)
Foto: MKM Duisburg / Herzog & de Meuron / Simon Menges
Der Erweiterungsbau schließt sich direkt an die Siloröhren an: ein Stahlbetonrohbau aus drei Teilen mit unterschiedlicher Höhe von etwa 27,5 m bis 33,5 m. In Masse, Höhe und Materialität orientieren sich diese Teile an den Bestandsbauten, setzen sie fort und runden sie zu einem harmonischen Ganzen ab. In zwei Teilen befinden sich Ausstellungsflächen, der dritte Teil bietet Zugang und beherbergt Versorgungseinrichtungen. Auf fünf Ebenen, davon eine unter der Erde, beträgt die Grundfläche fast 5000 m2, dazu kommen Ausstellungsflächen von rund 2500 m2.
Vor dem Stahlbetonrohbau vermauerten die Handwerker die von Hand gefertigten Klinker Breno FKS im Sonderformat 280 x 115 x 144 mm von Gima. Die Abkürzung FKS steht in der Farbbezeichnung für Fußsortierung, Kohlebrand und Salzglasur. Da diese Klinker ab Werk mittig vorgekerbt produziert wurden, konnten die Maurer sie auf der Baustelle spalten und anschließend mit der gebrochenen Seite nach außen vermauern. So entstand eine raue und stark strukturierte Backsteinfassade. Ein Teil davon interpretiert mit seiner Abfolge schmaler Lisenen das historische Vorbild der Speicherbauten im Hafen, während die Maurer den schräg gestellten Teil der Erweiterung mit der imposanten Ziegelwand in einer Zick-Zack-Struktur als geschränktes Mauerwerk ausführten. Lediglich der Schriftzug „Küppersmühle“ und die Steine der modernen Interpretation einer Eckbossierung treten daraus als glatte Flächen hervor. Allein für den Schriftzug wurden knapp 1000 Klinker in millimetergenauer Planung handgeschliffen verbaut. Für einige Buchstaben mussten sogar mehrere, teils einzigartige Formsteine produziert werden, um Bögen wie den im „R“ überhaupt legen zu können.
Treppenhaus-Skulptur aus rotem Sichtbeton
In der Erweiterung befindet sich auch das Treppenhaus aus ziegelrot eingefärbtem Sichtbeton. Ein solches Treppenhaus, das in seiner Färbung den Backstein der Fassaden aufgreift, wurde in kleinerer Dimension bereits bei der Umnutzung 1999 im Altbau der Industriemühle ausgeführt. Diesmal war die Arbeit für die Rohbauer jedoch weitaus komplexer, da sie die organische Form der Treppe exakt mit Schalbrettern in die dreieckig spitz zulaufende Grundfläche des Treppenhauses einpassen mussten. Insgesamt ist die Ausführung den Handwerkern virtuos gelungen: Die Flächen auf den Wangen der Treppe sind so tadellos geschliffen wie feinster Terrazzo und wirken auch optisch und haptisch perfekt, wenn Auge und Hand über die glatten Flächen streifen.
Man befindet sich in diesem Treppenhaus innerhalb des Museums wie in einer anderen Welt. Die Flut an Eindrücken moderner Kunst, die in den weiß gestrichenen Ausstellungsräumen hängt und steht kommt im warmen weich geformten Treppenhaus zur Ruhe. Trotz des Auf- oder Abstiegs in dieser begehbaren Skulptur und der damit verbundenen körperlichen Anstrengung eine Erholung für den Geist, so dass man sich erfrischt und aufnahmebereit für den nächsten Teil der Ausstellung fühlt.
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Baubeteiligte (Auswahl)
Auftraggeber MKM Stiftung für Kunst und Kultur, Bonn, www.stiftungkunst.de
Nutzer MKM Museum Küppersmühle, Duisburg, www.museum-kueppersmuehle.de
Architekten Herzog & de Meuron, Basel, www.herzogdemeuron.com
Jacques Herzog, Pierre de Meuron, Robert HöslProjektteam: Roland Schreiber, Mikolaj Bazaczek, Juliane Brantner, Teodor-Octavian Cuciureanu, Florian Hartmann, Sebastian Hefti, Māra Igaune, Susanne Kozlowski, Hannah Reusser und Daniel Schürer
Generalplaner Drees & Sommer, Basel, www.dreso.ch
Statik Drees & Sommer Advanced Building Technologies, Stuttgart, www.dreso.de
Bauleitung Diete + Siepmann Ingenieur GmbH, Kaarst, www.diete-siepmann.de
Ziegel Gima, Girnghuber, Marklkofen, www.gima-ziegel.de