Warum Vakuumisolierglas eine noch nach Jahrzehnten befriedigende Energiebilanz aufweist 

Zu Unrecht wird behauptet, dass in der Denkmalpflege die Energiewende nicht zu erreichen sei. Mit Vakuumisolierglas können Bestandsfenster so ertüchtigt werden, dass sie eine noch nach Jahrzehnten befriedigende Energiebilanz aufweisen.  

Querschnitt eines denkmalgerechten Fensters IV 60 mit konventionellem Isolierglas (oben) und eines Fensters mit Vakuumisolierglas (unten)
Zeichnung: Holzmanufaktur Rottweil

Querschnitt eines denkmalgerechten Fensters IV 60 mit konventionellem Isolierglas (oben) und eines Fensters mit Vakuumisolierglas (unten)
Zeichnung: Holzmanufaktur Rottweil
Seit einigen Jahren ist es mit am Markt verfügbarem Vakuumisolierglas möglich, nahezu jedes Bestandsfenster nach Niedrigenergiehausstandard mit sehr guten Wärmedurchgangskoeffizienten der Verglasung zu ertüchtigen. Gleichzeitig kann der Fugendurchgangskoeffizient der Fenster verbessert werden, und zwar dergestalt, dass es, im Rahmen eines ganzheitlichen Konzepts, nicht zu bauphysikalischen und bauhygienischen Problemen in den Gebäuden kommt. Die Anforderungen der Denkmalpflege und die Erfordernisse der Ressourcenschonung, der Energieeffizienz und der Schadensfreiheit sind so tatsächlich am Bauteil Fenster erfüllbar.  In Anbetracht der physikalisch definierten Rahmenbedingungen für Verglasungen können weitere Entwicklungsstufen nun keine Quantensprünge mehr sein, sondern höchstens noch Verfeinerungen.

Material und technische Daten

Vakuumisolierglas gehört zur Gattung der Isolierverglasungen. Diese bestehen aus zwei miteinander verbundenen Scheiben. Der Scheibenzwischenraum, in der Regel 8 bis maximal 24 mm, war bis in die 1980er Jahre meist noch mit Luft gefüllt. Seit den ersten Energie- und Ölkrisen und den folgenden Auflagen zur Verbesserung des Wärmedurchgangskoeffizienten wurde der Scheibenzwischenraum mit aufwendig zu gewinnenden Edelgasen wie Argon, Krypton oder Xenon gefüllt. Schrittweise wurde auch das Glas optimiert.

Fenster, die der aktuellen Wärmeschutzverordnung entsprechen, haben in der Regel Dreischeibenverglasungen in einer Bautiefe von mindestens 40 mm mit Edelgasfüllung der Scheibenzwischenräume und Wärmedämmbeschichtungen der Scheiben. So ist ein Wärmedurchgangskoeffizient Ug der Verglasung (g = glass) von 0,5 W/m2K zu erreichen.

Unterschiedlicher Glasaufbau

Diese energetische Optimierung der Funktionswerte von Verglasungen bedeutete mehr und dickere Scheiben mit der Folge deutlich höherer Gewichte und eines höheren Verbrauchs der begrenzten Ressourcen der Edelgase: Eine teuer erkaufte und für Bauwirtschaft und Umwelt problematische Verbesserung. Für die Baudenkmalpflege und die Baukultur bedeutete dies zudem viele ästhetische und gestalterische Einschränkungen und materielle Verluste. Dieser Entwicklungsstand der Technik bot hohe Anreize für Innovationen. Das Ergebnis ist eindrucksvoll: Vakuumisolierglas, mit optisch weniger wahrnehmbaren Stützen und garantierbarer Langzeitstabilität des Vakuums ist lieferbar in unterschiedlichem Glasaufbau mit Float (Flachglas), ESG (Einscheibensicherheitsglas), VSG (Verbundsicherheitsglas) oder historisch anmutendem Glas. Der Wärmedurchgangskoeffizient der Verglasung beträgt Ug von 0,4 W/m2K und der Wärmedurchgangskoeffizient des gesamten Fensters ist Uw (w = window) unter 0,8 W/m2K mit hervorragenden schalltechnischen Eigenschaften und bester solarer Rückgewinnung.

Dreimal längere Garantie als bei Isolierglas

Im europäischen Raum hergestelltes Vakuumisolierglas ist ein längst überfälliges, nun aber ausgereiftes Produkt mit einer dreimal längeren Garantieleistung als bei Isolierglas. In Russland, Japan und China wird Vakuumisolierglas schon seit fast drei Jahrzehnten hergestellt, vertrieben und verbaut, im Vergleich zu dem lieferbaren europäischen Vakuumisolierglas jedoch mit einem deutlichen schlechteren Ug-Wert sowie mit auffälligen Evakuierungsstöpseln und sichtbareren Stützen zwischen den Scheiben.

Die Grundkonstruktion besteht aus zwei nur 3 mm dicken Glasscheiben, von denen eine mit einer hauchdünnen Metallbeschichtung mit niedriger Wärmeabstrahlung, einer so genannten Low-E-Beschichtung, versehen ist. Der Scheibenzwischenraum von nur
0,1 mm ist evakuiert, womit das Medium für den Transport von Wärme und Schall entfällt und damit zu sehr guten Isoliereigenschaften führt. Allerdings resultiert aus dem im Scheibenzwischenraum vorhandenen Vakuum ein Druck von 10 Tonnen pro Qudratmeter auf den Scheiben. 

Die Durchbiegung der dünnen Scheiben wird durch nahezu unsichtbare, zylindrische Abstandshalter („Spacer“ oder „Micropillars“) aus Glas, Keramik oder Metall verhindert. Die beiden Scheiben sind mit einem wenige Millimeter breiten Rand miteinander verklebt und dadurch dauerhaft dicht.

Möglichkeiten der Anwendung im Bestand

Querschnitte der Bestandsverglasung (oben), der Bestandsverglasung mit einem zusätzlichen Vakuumisolierglas innen (Mitte) sowie eines umgebauten Fensters mit Ersatz der Bestandsverglasung durch ein Vakuumisolierglas (unten)
Zeichnung: Holzmanufaktur Rottweil

Querschnitte der Bestandsverglasung (oben), der Bestandsverglasung mit einem zusätzlichen Vakuumisolierglas innen (Mitte) sowie eines umgebauten Fensters mit Ersatz der Bestandsverglasung durch ein Vakuumisolierglas (unten)
Zeichnung: Holzmanufaktur Rottweil
Mit dem Einbau von Vakuumisolierglas in bestehende Fenster kann Folgendes erreicht werden: Einfach verglaste Holzfenster, gefertigt in Hartholz, mit Rahmenstärken meist unter 60 mm, haben mit einer einfachen, 3 bis 4 mm dicken Scheibe einen Uw-Wert von
4,96 W/m2K. Gefertigt in Weichholz (Nadelholz) haben diese Fenster einen Uw-Wert von 4,56 W/m2K. Durch den Einbau eines 7,7 mm dicken Vakuumisolierglases kann bei in Hartholz gefertigten Fenstern der Uw-Wert bis auf 1,24 W/m2K und bei Nadelholz bis auf
1,11 W/m2K verringert werden. Das ist eine Verbesserung um mehr als den Faktor 4.

Bei Holzverbundfenstern sind durch den Einbau von Vakuumisolierglas noch leicht bessere Uw-Werte zu erreichen. Stand der Technik ist heute, diese verbesserten Scheiben zur Vermeidung von Kondensat im Scheibenzwischenraum in den Außenflügel einzubauen. Bei Holzkastenfenstern ist durch den Einbau eines 7,7 mm dicken Vakuumisolierglases sogar ein Uw-Wert von 0,94 W/m2K zu erreichen. Das heißt, mit Verglasungen ist ein sehr gutes Niedrigenergiefenster realisierbar, ohne dabei die optische Erscheinung, die Filigranität der Rahmengeometrie, zu verändern.

Vollständige Dichtheit nicht zu erreichen

Mit Vakuumisolierglas können Bestandsfenster so ertüchtigt werden, dass sie eine noch nach Jahrzehnten befriedigende Energiebilanz aufweisen. Damit ist die häufige Behauptung widerlegt, mit Fenstern im Baudenkmal sei keine Nachhaltigkeit zu erreichen. Auch der bauphysikalisch motivierte Einwand, Fenster dürften nicht zu dicht sein, ist obsolet. Denn die bauphysikalischen Probleme hängen nicht mit einem guten oder sehr guten Wärmedurchgangskoeffizienten der Materialien zusammen, sondern mit dem Fugendurchgangskoeffizienten sowie dem Lüftungs- und Nutzungsverhalten. Vollständige Luftdichtheit kann auch bei mit Dichtungen nachgerüsteten Bestandsfenstern nicht erzielt werden.

Die Fenstersanierung des ehemaligen Hauptsteueramtes in Stuttgart ist die bisher größte Maßnahme in Baden-Württemberg mit der Verwendung von Vakuumisolierglas 
Foto: Holzmanufaktur Rottweil

Die Fenstersanierung des ehemaligen Hauptsteueramtes in Stuttgart ist die bisher größte Maßnahme in Baden-Württemberg mit der Verwendung von Vakuumisolierglas 
Foto: Holzmanufaktur Rottweil
Die Sanierung der Fenster am 1897 als königliches Steuerkollegium und Hauptsteueramt erbauten Gebäude ist die bisher größte Maßnahme in Baden-Württemberg unter Verwendung von Vakuumisolierglas. Der Gesamtbestand der eingebauten originalen, wiederaufbauzeitlichen Fenster ist grundsolide.

Keine „Vorher-Nachher-Bilder“

Mit dem Einbau der Vakuumisolierverglasung verbessert sich der zu erreichende Faktor der energetischen Ertüchtigung um den Faktor 2, und vor allen Dingen ist die Eingriffstiefe in den Bestand deutlich geringer. Generell wird es mit dem Einbau einer Vakuumisolierverglasung die plakativen „Vorher-Nachher-Bilder“ nicht mehr geben, da es nach der Maßnahme genauso aussehen wird wie vorher. Die beim VIG häufig ins Spiel gebrachten sichtbaren Abstandshalter zwischen den Scheiben sind in aller Regel, auch für mit dem Projekt Vertraute, kaum zu identifizieren. Und nicht zuletzt: Mit dem physikalisch kaum noch zu verbessernden Ug-Wert 0,6 W/m2K gewähren auch diese Fenster, die nach 70 Jahren den Test der Zeit überstanden haben, bereits das, was für zukünftige Produkte generell erreicht werden soll: eine lebenslange Garantie.

Haus Frey als Beispiel für das Neue Bauen

Herausragendes Beispiel für das Neue Bauen: das Haus Frey in Basel mit weit offener Süd- und Westfassade 
Fotos: Holzmanufaktur Rottweil

Herausragendes Beispiel für das Neue Bauen: das Haus Frey in Basel mit weit offener Süd- und Westfassade 
Fotos: Holzmanufaktur Rottweil
Ein weiteres Beispiel ist das Haus Frey, eine 1935 von Hermann Baur errichtete Villa in Riehen bei Basel, für die Schweiz ein herausragendes Gebäude des Neuen Bauens. Hierbei handelt es sich um eines von drei, in diesem Fall vor allem wegen der sorgfältigen Renovierung der Fenster, von der Denkmalpflege Basel 2022 ausgezeichneten Projekten. Die nach Süden und Westen hin geöffneten Fassaden sind mit filigranen, aufwendig detaillierten Fenstern in Baubronze geschlossen.

96 Prozent der Fensterfläche sind aus Glas, zur Einhaltung der hohen Schweizer Anforderungen an Energieeffizienz musste daher ein Vakuumisolierglas eingebaut werden. Denn nur dieses kann die Kältebrücken der nicht thermisch getrennten Rahmenprofile in einem ausreichenden Maße kompensieren. Ein Auge lacht, ein Auge weint; immerhin konnten die seltenen Rahmenprofile erhalten werden.

Isolierverglasungen als Auslaufmodell

Es ist absehbar, dass konventionelle Isolierverglasungen Auslaufprodukte sind. Das Ende der Verbesserungsmöglichkeiten dieser Verglasung ist physikalisch bedingt erreicht. Die zuletzt erzielten Verbesserungen der Funktionswerte sind teuer mit Edelgasen erkauft. Der seitens der Bauherrschaft oft gewünschte Einsatz einer Dreischeibenverglasung geht mit sehr hohen Gewichten und großen Materialdicken einher und ist daher für Bestandsfenster ungeeignet.

Vakuumisolierglas ist eine dünne Verglasung von 7,7 statt 42 mm Dicke. Der Einbau von Vakuumisolierglas ist auch bei sehr alten und wertvollen Bestandsfenstern, sofern er dort zulässig ist, eine nutzerfreundliche Variante, mit diesen Fenstern einen Niedrigenergiehausstandard zu erreichen. Im Bereich der Neuanfertigung ist es möglich, Fenster wieder so filigran herzustellen, wie dies über Jahrhunderte der Fall war. Und es gilt bei diesen Fenstern: Je geringer der Rahmenanteil, desto besser die Energieeffizienz.

Ein weiterer Mehrwert ist die hundertprozentige Wiederverwertbarkeit der Scheiben, sie können vollständig recycelt werden und entsprechen den zunehmenden Bemühungen der Bauwirtschaft, nach dem „Cradle-to-Cradle“-Prinzip zu arbeiten.

Ausblick

Querschnitte durch ein Hybridglas (oben) und durch ein Bestands-Vakuumisolierglas (unten)
Zeichnung: Holzmanufaktur Rottweil

Querschnitte durch ein Hybridglas (oben) und durch ein Bestands-Vakuumisolierglas (unten)
Zeichnung: Holzmanufaktur Rottweil
Das Weiterbauen im Bestand wird, bedingt durch Energiekrisen, Ressourcenknappheit und die Notwendigkeit, nachhaltig zu wirtschaften, zu einem Prinzip der Bauwirtschaft werden. Zumindest in der Politik und bei den Architekten ist angekommen, dass es keinen Sinn ergibt, immer mehr, immer schneller, immer billiger zu bauen. Für die Fenster bedeutet dies, dass sie nicht alle 15 bis 20 Jahre ausgetauscht werden dürfen, nur, weil sich die Funktionsansprüche ändern. Die Fenster müssen künftig ressourceneffizient die sich ändernden Funktionsansprüche durch Ergänzen des Bestehenden adaptieren können. Vakuumisolierglas ist das Glas der Zukunft.

Vakuum-Hybridgläser, bei denen man die Bestandsscheibe um ein Vakuumisolierglas ergänzt, werden bereits heute realisiert. Ein noch größerer Mehrwert wird aber möglich sein, wenn es gelingt, Vakuumisolierglas unter Wiederverwendung, beziehungsweise Beibehaltung des Bestandsglases, zu produzieren. Wenn dies erreicht ist, ist Vakuumisolierglas ein wichtiger Baustein, um das Credo der Baudenkmalpflege „Erhalten durch Pflege, Reparatur, Restaurierung und bei Bedarf Ertüchtigung“ in die Praxis umzusetzen.

Autor

Hermann Klos ist Schreinermeister, Restaurator im Tischlerhandwerk und Geschäftsführer der Holzmanufaktur Rottweil.

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