Erhaltenswerte Fenster ertüchtigen
Die Fensterrestaurierung ist nicht nur ein Beitrag zum Erhalt der Baukultur, sondern auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Die geforderten Funktionsverbesserungen erstrecken sich von Wärme- und Kälteschutz, UV-, Brand- und Schallschutz bis zu eingebauter Sicherheitstechnik.
Die Erfahrungen der Holzmanufaktur Rottweil zeigen: Es gibt für jede Situation unter Berücksichtigung von materiellen, konstruktiven, bauphysikalischen, denkmalpflegerischen und – nicht zuletzt – kostenspezifischen Gesichtspunkten eine Lösung für die Ertüchtigung erhaltenswerter Fenster. Ganz gleich, ob es sich um kleine oder große, um spätmittelalterliche oder Fenster des späten 20. Jahrhunderts handelt, ob die Fenster aus Holz oder Metall bestehen, ob es Dreh-, Kipp-, Wende-, Schwingflügel, Senk- oder Vertikalschiebefenster sind: Immer lässt sich ein einvernehmliches Konzept für die Restaurierung und Funktionsverbesserung finden. Manchmal sind solche Lösungen erstaunlich einfach, manchmal auch höchst komplex.
Einfachverglaste Fenster
Einfachverglaste Fenster gibt es anders als im europäischen Ausland heute in Deutschland nur noch weniger als 2 Prozent. Die vorhandenen sind häufig im Baudenkmal eingebaut und stehen wegen der ungenügenden Dämmwerte regelmäßig zur Disposition. Den Dämmwert der Gläser gibt der Wärmedurchgangskoeffizienten (Ug-Wert) an. Gläser stellen die größte Schwachstelle des Fensters dar. Einfachverglaste Fenster haben im Durchschnitt einen Ug von 5,0 W/m²K.
Das Stuttgarter Schloss währen der energetischen Ertüchtigung der Einfachverglasung
Foto: Swisspacer
Additive energetische Ertüchtigungen wie ein neues Innen-, oder Vorfenster, eine Erweiterung zu einem Sonderverbundflügel oder ein Einbau von einer Sonderisolierverglasung können den Ug-Wert enorm verbessern auf bis zu 0,6 W/m²K. Bei diesen Ausführungen bedauern allerdings viele, die ihre alten Fenster lieben und wertschätzen, den Verlust der schönen Scheiben mit leichten Wellen, Schlieren und Blasen. Der Erhalt der alten Verglasungen zu gewährleisten, als auch eine nachhaltige und hocheffiziente energetische und funktionale Ertüchtigung zu erreichen, kann mit dem Produkt „Revetro“ erreicht werden. Die bestehenden Fensterscheiben werden vorsichtig ausgebaut, gereinigt und als äußere Ebene im neuen Isolierglas verbaut mit bis zu einem Ug-Wert von 0,5 W/m²K. Somit ändert sich an der Optik des Fensters nur sehr wenig.
Kastenfenster
Die Entwicklung von Kastenfenstern und mehrschaligen Verglasungen hat eine lange Geschichte. Sie beginnt in römischen Badeanlagen und endet vorerst mit den Architektur-Ikonen unserer Tage. Kastenfenster definiert man als zweischalige Fenster, dabei gibt es eine Vielzahl an Aufbauvarianten. Die moderne, fassadenübergreifende Variante des Kastenfensters wird in der Fachliteratur „Doppel-Glasfassade“ genannt.
Sowohl die innere als auch die äußere Ebene kann ertüchtigt werden. Dabei muss die Gefahr der Kondensatbildung berücksichtigt werden. Das gemeinsame Forschungsprojekt mit dem Fraunhofer-Institut bestätigte in vollem Umfang die allgemein bekannte Konstruktionsregel „Fugen innen dicht und außen offen“ für Kastenfenster.
Doppel- und Verbundfenster
Bei der Baseler Bunnmattschule wurden beide Ebenen der Verbundfenster gekoppelt und eine Isolierverglasung eingebaut
Foto: Holzmanufaktur Rottweil
Es geht um knapp 40 Millionen in Deutschland noch erhaltene Verbundfenster. Bis zur Marktreife des Isolierglasfensters in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts war das Verbundfenster das energieeffiziente, nutzerfreundliche und kostengünstige Fenster. Das Verbundfenster war der letzte harte Wettbewerber zum Isolierglasfenster, war ein letztes Aufbäumen, bevor das Fenster mit Isolierverglasungen zum Massen-, Verschleiß und Wegwerfbauteil wurde. Das Verbundfenster ist die einzige Fensterkonstruktion, bei der beide Flügel dicht und direkt aufeinander liegend und mit Verbundfensterbeschlägen miteinander verbunden sind. Das wichtigste Konstruktionsmerkmal des Verbundfensters ist der gemeinsame Drehpunkt beider Flügel am Rahmen. Vom
Konstruktionsprinzip her ist es ein aufgedoppeltes Einfachfenster.
Dieser Fenstertyp hat gezeigt, dass er bereits viele Jahrzehnte erfolgreich genutzt wurde und über so gute Fähigkeiten zu funktionstechnischer Verbesserung verfügt, dass er heutigen Anforderungen mehr als gerecht werden kann. Das Einsetzen einer Isolier- oder einer Vakuumverglasung im Verbundflügel außen mit zusätzlichen Dichtungsebenen kann den Ug-Wert der Verbundfenster garantiert ohne Kondensatbildung im Zwischenraum von 3,0 W/m²K um den Faktor 6 auf 0,5 W/m²K verbessern. Im Umsetzungsbeispiel der Bunnmattschule wurden beide Fensterebenen gekoppelt und eine Isolierverglasung eingebaut. Somit ist die Gefahr der Kondensatbildung im Scheibenzwischenraum auch ausgeschlossen.
Panzerfenster
Das panzerverglaste Fenster entspricht konstruktiv und in seinem Erscheinungsbild bezüglich Ansichtsbreiten, Profilen und Querschnitten dem einfach verglasten Fenster des frühen 20. Jahrhunderts. Nur die Verglasung ist anders. Zusätzlich zu der zeittypischen und in einem äußeren Glasfalz liegenden Glasscheibe wurde auch zur Raumseite hin, an der üblicherweise gefasten oder profilierten Flügellichtkante, ein zusätzlicher Glasfalz eingefräst, um eine zweite Glasebene anzuordnen. Die Scheiben wurden ohne Verbindung untereinander in die Glasfälze eingesetzt. Der Scheibenzwischenraum ist damit nicht vollständig hermetisch verschlossen, was zur Folge hat, dass der Scheibenzwischenraum mit Staubablagerung, Kondensatwasserniederschlag und Erblindungserscheinungen des Glases belastet wird.
Um den Kälteschutz auf einen Ug-Wert von 0,4 W/m²K zu erhöhen, können die außen- oder innenliegende Glasscheibe durch Isolier- oder Vakuumglas ersetzt werden. Ebenso ist das Einsetzen nur einer Isolierverglasung möglich.
Isolierfenster
Nach der DIN EN 1279-1 ist eine Mehrscheiben-Isolierverglasung (MIG) eine mechanisch stabile und haltbare Einheit aus mindestens zwei durch einen oder mehrere Abstandhalter voneinander getrennten und im Randbereich hermetisch versiegelten Glasscheiben. Die beiden Gläser können auf unterschiedliche Art und Weise miteinander verbunden werden. Die ersten Isolierglasscheiben hatten keine besseren Ug-Werte als Kastenfenster vor 2000 Jahren. Erst der Einsatz von Beschichtungen und Füllungen mit Kryptongas in den Scheibenzwischenraum erhöhte enorm den Wärmedurchgangskoeffizienten.
Das Außenfenster eines Baseler Wohnhauses erhielt im Außenfenster Originalglas und im Innenfenster Isolierglas
Foto: Saint-Gobain Glass
Obwohl grundsätzlich der Erhalt der historischen Substanz angestrebt wird, gibt es bisher keine generelle Antwort auf die Frage, wie mit vorhandenen Isolierverglasungen im Baudenkmal umzugehen ist. Jedes Fenster muss separat betrachtet werden. Dabei muss der Erhaltungszustand der Bestandsgläser geprüft werden. Der Erhalt der Isoliergläser ist die präferierte, bis heute aber noch selten praktizierte Option. Es gibt jedoch Konzepte und Varianten für eine funktionale Verbesserung vorhandener Isoliergläser, die bisher noch nicht umgesetzt worden sind. Hierzu zählt ein Erhalt des vorhandenen Isolierglases mit funktionaler Verbesserung. Eine Variante ist, das vorhandene Isolierglas mit einer zusätzlichen Floatglasscheibe beziehungsweise einer Vakuumisolierglasscheibe zu erweitern. Möglich ist auch, die Scheiben des Isolierglases zu trennen und mit einem neuen Randverbund und einer zusätzlichen Scheibe beziehungsweise einer Klimafolie weiterzuverarbeiten und zu verbessern.
Der Einsatz lohnt sich
Vor dem Hintergrund der Diskussion über Energieeinsparung und Klimawandel wird das Baudenkmal mit seinen scheinbar unberechtigten Sonderkonditionen gerne als Buhmann und Energieschleuder an den Pranger gestellt. Vielmehr sind mit intelligenten technischen Maßnahmen beispielhafte und zugleich nachhaltige Lösungen zu erreichen. Intelligente und vor allem ökologisch intelligente Modelle und Konzepte prüfen immer zuerst die Möglichkeit zur Bestandserhaltung, zur Pflege und Verbesserung von Gebäuden und ihren Ausstattungen. Es ist ökologisch und meist auch ökonomisch nicht sinnvoll, ein intaktes Bauteil wie ein Fenster auszutauschen, vor allem dann, wenn dieses Bauteil mit einfachen und bewährten Maßnahmen nachhaltig energetisch optimiert werden kann.
Handwerk trifft Wissenschaft
Wissenschaftlich verifiziert hat die Holzmanufaktur Rottweil ihr empirisch erworbenes Wissen mit verschiedenen gemeinsamen Projekten mit Hochschulen und Instituten. Gewürdigt wurde das Engagement durch den Ressourceneffizienzpreis des Landes Baden Württemberg und ganz aktuell durch die Verleihung des Seifriz-Preises. Dieser würdigt die gute gemeinsame Arbeit von Meistern und Professoren – Handwerk trifft Wissenschaft.
AutorHermann Klos ist Schreinermeister, Restaurator im Tischlerhandwerk und Geschäftsführer der Holzmanufaktur Rottweil.