Wie die Betriebsübergabe in der Familie gelingt

Bei rund 125 000 Handwerksbetrieben steht in den nächsten Jahren eine Übergabe an – in jedem zweiten Fall, Schätzungen zufolge, innerhalb der Familie. Je harmonischer das Miteinander, desto besser gelingt der Betriebswechsel. Die Unternehmerfamilie Ewering aus Reken (NRW) ist ein gutes Beispiel dafür.

Dynamisches Duo: ­Nicole Ewering, Leiterin von Ewering Raumdesign, und Ehemann Dirk, Geschäftsführer und Inhaber der Ewering GmbH
Foto: Brillux

Dynamisches Duo: ­Nicole Ewering, Leiterin von Ewering Raumdesign, und Ehemann Dirk, Geschäftsführer und Inhaber der Ewering GmbH
Foto: Brillux
Einer für alle, alle für einen – das macht eine Familie stark und einen Betrieb erfolgreich. „Zusammenhalt ist alles. Alleine bist du nichts“, bringt es Franz Ewering auf den Punkt. Der 85-Jährige hat die heutige Ewering GmbH 37 Jahre lang geführt, im Jahr 2000 übernahm Sohn Dirk (49) das Ruder. „Die Betriebsübergabe war relativ geschmeidig. Es gab die üblichen Reibereien, aber nie einen großen Streit“, erinnert sich Dirk. Inzwischen steht mit Sohn Felix (23) schon die nächste Generation in den Startlöchern. Auch hier rechnet keiner damit, dass der Übergabeprozess ein Stresstest wird. Was ist das Geheimnis? Kommunikation und Leidenschaft!

Sohn und Enkel wachsen in den Betrieb hinein

Alle drei verbindet die Begeisterung für den Beruf, die ihre Väter ihnen schon von Kindesbeinen an vorgelebt haben. Dirk Ewering wuchs mit seinen beiden Brüdern über dem Geschäft des Vaters auf. „Ich wusste schon früh, dass ich Maler werden wollte. Man hinterlässt schöne Räume und glückliche Kundinnen und Kunden. Das ist immer wieder toll“, sagt der Malermeister und Betriebswirt. Dass er mal das 1929 gegründete Unternehmen leiten wird, war für den geborenen Teamworker keine Frage: „Es reizt mich, gemeinsam mit meinen Mitarbeitenden das Unternehmen weiter zu entwickeln.“ Auch Sohn Felix wuchs in den Betrieb hinein. Gedrängt wurde er nie – das war den Eltern wichtig. „Man kann nur gut in einer Sache sein, wenn man auch Freude daran hat“, sagt Vater Dirk. Felix fuhr schon als Schüler auf Baustellen mit und fing schnell Feuer: „Man kommt in Bruchbuden rein und zaubert gemeinsam etwas Schönes daraus. Das gefällt mir.“

Gemeinsam – das Wort fällt im Gespräch mit der Familie oft. Eines ihrer wichtigsten Rituale: das Mittagessen. „Wir sitzen jeden Tag zusammen und sprechen über Berufliches und Privates“, sagt Mutter Nicole (53), die wie auch der jüngste Sohn Moritz (21) im Betrieb mitarbeitet. Die Verantwortlichkeiten sind klar verteilt: Jedes Familienmitglied hat seinen festen Bereich, den es mit seiner Expertise organisiert. Der tägliche Austausch sorgt dafür, dass jeder weiß, was beim anderen gerade passiert. So kommen Missverständnisse erst gar nicht auf.

Streiten und vertragen

Round Table zum Thema „Zusammenhalt“: Unternehmerfamilie Ewering bei Brillux in Münster
Foto: Brillux

Round Table zum Thema „Zusammenhalt“: Unternehmerfamilie Ewering bei Brillux in Münster
Foto: Brillux
Kommunikation, die Königsdisziplin. Bei den Ewerings gibt es klare Regeln, die alle verinnerlicht haben und die viel dazu beitragen, dass sich alle gesehen und wertgeschätzt fühlen. „Wir sind alle geradeaus, tragen nichts mit uns herum“, sagt der 85-jährige Senior. Dirk Ewering hat das zur Familienmaxime gemacht: „Es darf nichts unterschwellig sein. Das ist in der Familie wie im Unternehmen ganz wichtig.“ Das bedeutet auch: Wenn man sich streitet, verträgt man sich zeitnah wieder. Dirk formuliert es so: „Am nächsten Tag ist wirklich alles gegessen. Man kann sich nicht belasten mit Dingen, die gestern waren, weil heute und morgen genug kommt, das einen fordert.“

Klare Kante – bei Familie Ewering in jeder Hinsicht ein Erfolgsfaktor: Nach einer Übergangszeit von drei Jahren übernahm Dirk mit 25 Jahren die Geschäftsführung. Von dem Tag an trat sein Vater in die zweite Reihe und mischte sich nicht mehr ein. „Ich habe zu meinem Sohn gesagt: ,Wenn du Chef bist, mache ich, was du willst.‘ Und daran habe ich mich auch strikt gehalten“, sagt er. Verantwortung abzugeben, für viele Betriebsinhaber  wahrscheinlich der schwierigste Part. Deshalb gibt es hier oft die größten Probleme.

Dirk Ewering hat schon jetzt damit angefangen: „Felix hat bereits die ersten eigenen Baustellen und macht die Sachen so, wie er meint. Ich mische mich nicht
ein. Täte ich es, würde ich in seine Selbstbestimmung ­reinreden.“

Autor

David Recker ist Gruppenleiter Customer Experience Handwerk bei der Firma Brillux in Münster.

Checkliste: So gelingt die Familiennachfolge

Früh Interesse wecken: Leben Sie Ihrem Nachwuchs Ihre Leidenschaft vor.

Kein Druck: Lassen Sie Ihren Kindern die Wahl, sich frei entscheiden zu können.

Vertrauensvorschuss geben: Übertragen Sie früh Verantwortung.

Offen kommunizieren: Alles sollte auf den Tisch kommen dürfen.

Streiten, aber richtig: Klären Sie Differenzen möglichst immer zeitnah.

Klare Grenzen: Sobald der Nachwuchs Spielführer/-in ist, gehen Sie an die Seitenlinie.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 04/2016

Unternehmen erfolgreich übergeben

Nach Schätzungen von Handwerkskammern stehen in Deutschland rund ein Viertel aller Handwerksbetriebe zur Übergabe an. In vielen Fällen gelingt die Übergabephase nicht reibungslos. Die Ursache...

mehr
Ausgabe 04/2018

Das Lebenswerk in neue Hände geben (Teil II): Vorteile und Stolpersteine einer familieninternen Übergabe

F?r viele das Ideal: Unternehmens?bergabe an die eigenen Kinder. Experten warnen: Dieses Modell scheitert am h?ufigsten

Viele Unternehmen im Bauhauptgewerbe und Handwerk sind hierzulande Familien­betriebe. Da das „Lebenswerk“ natürlich auch möglichst in der Familie erhalten und weitergeführt werden soll,...

mehr
Ausgabe 03/2017

Kaufmännische Karriere im Handwerk

Seit April vergangenen Jahres existiert der Fortbildungsabschluss „Geprüfter Kaufmännischer Fachwirt / Geprüfte kaufmännische Fachwirtin HwO“. Er ist eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zum...

mehr