Wie optische Fehler am WDVS bewertet und beseitigt werden

Beschädigungen am Putz sind  sehr unschön und fallen ins Auge. Müssen optische Mängel hingenommen werden oder liegt eine technische Beeinträchtigung der Fassade vor? Wir zeigen auf, wie optische Unregelmäßigkeiten bewertet und beseitigt werden.  

Immer wieder werden an neu ausgeführten Fassadenoberflächen neben technischen Mängeln auch optische Fehler gerügt. Oft handelt es sich dabei um geringfügige Unregelmäßigkeiten, die unwesentlich sind und daher vom Grundsatz her hingenommen werden müssen. Leider gibt es in der gebauten Praxis aber auch Situationen, bei denen der Istzustand der Fassaden erheblich vom geschuldeten Sollzustand abweicht – vermeidbare Probleme, wenn entsprechende Sorgfalt und handwerkliche Qualität bei der Ausführung ausreichend berücksichtigt werden. In diesem Beitrag werden beispielhaft optische Mängel an Putzoberflächen eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS) beschrieben.

Aufgabenstellung

nicht-deckender-anstrich-an-fassade.jpg Nicht deckender Anstrich an der Fassade
Foto: Björn Etzel

Nicht deckender Anstrich an der Fassade
Foto: Björn Etzel
Am Neubau eines Nichtwohngebäudes wurde ein WDVS überwiegend auf Stahlbetonwänden ausgeführt. Insbesondere an einer Fassade wurden zahlreiche technische und optische Fehler bemängelt.Im Rahmen zweier Ortstermine wurden die Mängel fotografisch und kartografisch aufgenommen. Auftragsgemäß wurde auf kostenintensive Laboranalysen und Materialuntersuchungen sowie zerstörende Untersuchungen verzichtet. Die Verantwortlichkeiten sollten nicht bewertet werden.

Grundlagen zur Bewertung der Hinnehmbarkeit von optischen Unregelmäßigkeiten

Entscheidendes Kriterium zur Beantwortung der Frage, ob festgestellte optische Unregelmäßigkeiten hinnehmbar oder nicht hinnehmbar und damit zu beseitigen sind, ist nicht das bloße Vorhandensein, sondern sind vielmehr die Folgen für die geforderten optischen und technischen Funktionen, im vorliegenden Fall der Fassadenoberflächen.

Um die Auswirkung von Unregelmäßigkeiten auf die technische Funktionstüchtigkeit und das optische Erscheinungsbild des Bauteils/Bauwerks vereinfacht beurteilen zu können, entwickelte Prof. Oswald Bewertungstabellen. Diese werden in Sachverständigenkreisen zur Bewertung der Hinnehmbarkeit eingesetzt. Diese Vorgehensweise wurde auch im vorliegenden Fall gewählt.

Zur sachverständigen Beurteilung von technischen oder optischen Unregelmäßigkeiten schlug Oswald folgende drei Ergebnisvarianten vor:

Ist-Fall 1: eine hinzunehmende Unregelmäßigkeit

Ist-Fall 2: ein deutlicher, durch Nachbesserung zu beseitigender Mangel oder

Ist-Fall 3: ein geringer Mangel, bei unverhältnismäßigem Nachbesserungsaufwand, durch Minderung in Höhe des Minderwertes abzugelten, hinnehmbare Abweichung

Besonderheiten zur visuellen Beurteilung von Oberflächen

wellen-in-putzfassade.jpg Unebenheiten und Wellen in der gesamten Fassade
Foto: Björn Etzel

Unebenheiten und Wellen in der gesamten Fassade
Foto: Björn Etzel
Bei der visuellen Bewertung von Oberflächen ist vor allem Objektivität ein wichtiges Kriterium. Darüber hinaus müssen die verschiedenen Funktionswerte von Oberflächen berücksichtigt werden. Unter Geltungswert versteht man die rein optische Bedeutung (ästhetischer Wert) der erbrachten Leistung (zum Beispiel Farbton, Struktur usw.). Unter Gebrauchswert versteht man die rein technische Funktion der erbrachten Leistung (zum Beispiel Regenschutz, Wärmeschutz usw.). Beide Werte zusammen ergeben den Gesamtwert einer fehlerfreien Leistung = 100 Prozent. Der Geltungswert wird beispielsweise nach Gebäudetypen, Bedeutung des Beschichtungsverfahrens oder Fassadenausrichtung bewertet.

Falltypische Bewertungsbedingungen

Der untere Fassadenbereich bis circa 3,00 m Höhe wurde entlang des Weges zwischen dem Gebäude und dem Nachbargebäude, Abstand circa 2-3 m, bewertet. Ein größerer Abstand war wegen des Nachbargebäudes nicht möglich. Die oberen Bereiche über circa 3,00 m Höhe mussten im Bereich zweier Treppentürme im Betrachtungsabstand von rund 1-3 m bewertet werden. Zum Zeitpunkt der Ortstermine war das Wetter bewölkt bis regnerisch; eine Überbetonung der Unregelmäßigkeiten auf den Fotos war somit ausgeschlossen.

Wellen im Oberputz

Nicht vollständig hergestellter Oberputz
Foto: Björn Etzel

Nicht vollständig hergestellter Oberputz
Foto: Björn Etzel
In unregelmäßigen Abständen verlaufen horizontale Wellen im Putz der Nordfassade. Diese sind über die gesamte Fassade zu erkennen. Die Abstände zwischen den Wellen betragen rund 2,00 bis 4,00 m. Punktuell sind auch erhabene und vertiefte Bereiche vorhanden. Aus der Übersicht sämtlicher Unregelmäßigkeiten (dokumentiert in der Ansichtszeichnung der Fassade) war zu entnehmen, dass es sich nicht um einzelne Unebenheiten handelt, sondern dass die gesamte Fassade uneben ist.

Wegen des schmalen Weges der nachbarschaftlichen Bebauung ist kein frontaler Blick auf die Fassade möglich; der Weg führt direkt an der Fassade vorbei. Es handelt sich hierbei um den üblichen Blick, den man bei der Nutzung des Weges hat, und somit um gebrauchsübliche Bewertungsbedingungen im vorliegenden Einzelfall. Die technischen Eigenschaften der Fassade werden von den Unebenheiten nicht wesentlich beeinflusst; bei den Unebenheiten handelt es sich um optische Unregelmäßigkeiten.

Bewertung: Aufgrund der Vielzahl und der stark ausgeprägten Unregelmäßigkeiten kann nicht mehr von hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten ausgegangen werden. Die Unebenheiten sind deutliche Abweichungen von der üblichen Beschaffenheit und somit nicht hinnehmbare, nachzubessernde Mängel.

Fehlstellen im Oberputz

Über die gesamte Fassadenfläche verteilt sind eine Vielzahl von Fehlstellen im Oberputz erkennbar. Dort ist der Oberputz nicht vollflächig oder zu dünn aufgetragen worden. An einigen Stellen könnten auch Unebenheiten im Unterputz vorhanden sein, die dazu geführt haben, dass dort beim Abscheiben des Oberputzes kaum oder kein Oberputz verblieben ist. Dies wäre nur durch eine zerstörende Untersuchung festzustellen gewesen.

Bei den vorgefundenen Fehlstellen handelt es sich nicht um Beschädigungen, sondern um handwerkliche Unzulänglichkeiten. Es wurden nicht alle Lagen des Putzsystems in ausreichender Dicke oder gesamter Fläche aufgebracht. Der Oberputz, aber auch der Unterputz, sind ungleichmäßig aufgetragen. Die Fehlstellen sind im gesamten Bereich entlang des Weges und im Bereich der Treppentürme, die ohne Hilfsmittel erreichbar sind. Bei einigen Stellen fehlte mindestens die Körnung des Oberputzes; oft war auch das Putzgewebe zu erkennen. Ein freiliegendes oder nicht ausreichend eingebettetes Putzgewebe beeinflusst aufgrund des fehlenden Feuchteschutzes die technische Gebrauchstauglichkeit der Fassaden und des WDVS erheblich.

Bewertung: Fehlstellen können sowohl technische Mängel als auch optische Unregelmäßigkeiten sein; die Abgrenzung ist fließend. Unter beiden Aspekten handelt es sich hier um Abweichungen von der üblichen Beschaffenheit und somit um Mängel. Es sind Nachbesserungsarbeiten erforderlich, um ein dauerhaft gebrauchstaugliches Putzsystem herzustellen.

Putzabsätze um nachträglich hergestellte Bauteile

Um die Eingangstüren ist ein deutlicher Putzabsatz zu erkennen. Die Laibungen der Türen im Erdgeschoss wurden nachträglich eingeputzt
Foto: Björn Etzel

Um die Eingangstüren ist ein deutlicher Putzabsatz zu erkennen. Die Laibungen der Türen im Erdgeschoss wurden nachträglich eingeputzt
Foto: Björn Etzel
Um die Eingangstüren ist ein deutlicher Putzabsatz zu erkennen. Die Laibungen der Türen im Erdgeschoss wurden nachträglich eingeputzt, weil diese bereits als nachträglicher Arbeitsgang geöffnet worden war. Im unteren Fassadenbereich sind in der Fläche der Fassade ebenfalls deutliche quadratische und rechteckige Putzabsätze zu erkennen. Diese stammen offensichtlich von nachträglich hergestellten Elektroeinbauten.

Bewertung: Putzoberflächen sind so herzustellen, dass ein einheitliches und homogenes Bild der Fassadenoberfläche entsteht. Dazu ist es erforderlich, dass der abschließende Oberputz in einem Arbeitsgang in der gesamten Fassadenfläche hergestellt wird. Ist dies aus technischen Gründen nicht möglich, ist durch geeignete und geplante Maßnahmen die Trennung der Arbeitsgänge vorzunehmen. Dies können zum Beispiel geeignete Putzprofile sein, die im Sockelbereich zum Einsatz kommen.

Das Herstellen nachträglicher Einbauten in WDVS, die das Öffnen des Oberputzes erforderlich machen, führen zwangsläufig handwerklich zu Putzübergängen. Bei sorgfältiger Ausführung können diese optisch unauffällig hergestellt werden, sind aber handwerklich nicht vollständig vermeidbar. Um Putzabsätze in der Fläche zu reduzieren, ist die Abfolge der Arbeitsschritte maßgebend. Die Herstellung des Oberputzes in der gesamten Fläche muss der letzte Arbeitsgang sein.

In Einzelfällen, wenn Putzabsätze klein genug sind und sich unauffällig an nicht exponierten Stellen befinden, können sie hinzunehmende Unregelmäßigkeiten sein. Im vorliegenden Fall ist die Vielzahl und Ausgeprägtheit der Putzabsätze und deren Unregelmäßigkeit sowie die handwerklich wenig sorgfältige Ausführung keine übliche Beschaffenheit und somit nicht hinnehmbar. Dies ist ein nachzubessernder Mangel.

Unterschiedliche Farbverläufe

Es konnten vertikale Streifen im Egalisierungsanstrich sowie zusätzlich Bereiche festgestellt werden, in denen der Egalisierungsanstrich nicht deckend aufgetragen wurde. Die Streifenbildung ist nicht sehr stark ausgeprägt und die nichtdeckenden Bereiche sind nicht sehr groß und begrenzt. Im Vergleich zu den übrigen optischen Unregelmäßigkeiten sind die unterschiedlichen Farbverläufe und der nicht deckende Egalisierungsanstrich als untergeordnet zu betrachten.

Bewertung: Die Bereiche, in denen der Egalisierungsanstrich nicht gedeckt hat, kann dort nachgearbeitet werden, wo diese ohne Hilfsmittel erreichbar sind. Die Streifenbildung ist so gering, dass diese unter der Berücksichtigung des Geltungswertes der Nordfassade eine hinzunehmende Unregelmäßigkeit ist.

Fehlerhafte Ausführung des Sockelbereiches

putzabsatz-im-sockelbereich.jpg Horizontaler Putzabsatz im Sockelbereich. Der gebrauchsübliche Abstand zur Fassade zwecks Bewertung ist wegen des Gehwegs sehr gering
Foto: Björn Etzel

Horizontaler Putzabsatz im Sockelbereich. Der gebrauchsübliche Abstand zur Fassade zwecks Bewertung ist wegen des Gehwegs sehr gering
Foto: Björn Etzel
Im Sockelbereich der Nordfassade ist deutlich ein horizontaler Putzabsatz zu erkennen. Der Putzabsatz verläuft von Osten bis Westen in ungleichmäßiger Höhe über die gesamte Fassadenbreite.

Bewertung: Der über die gesamte Fassade horizontal durchlaufende Putzabsatz entspricht nicht der üblichen Beschaffenheit, auch nicht, wenn der Fassade ein niedriger Geltungswert unterstellt wird. Es handelt sich damit um einen nicht hinnehmbaren Mangel, der korrigiert werden muss.

Vorschläge zur Mängelbeseitigung

Die vorhandenen Fehlstellen sowie Beschädigungen müssen verschlossen werden. Besonders hervorstehende Bereiche sind zu entfernen/entgraten. Die vorhandene Oberfläche ist zu reinigen und falls erforderlich mit einem geeigneten Haftgrund vorzubereiten. Es wird eine Haftzugprüfung in Form eines „Abreißtests“ empfohlen. Eine nur punktuelle Behebung der technischen Mängel, ohne vollständige Neuherstellung des Oberputzes, wird nicht ohne zusätzliche oder verbleibende optische Unregelmäßigkeiten möglich sein. Zur Instandsetzung ist daher eine vollflächige Ausgleichsspachtelung mit Armierungsgewebe auf das vorhandene Putzsystem aufzubringen. Diese Ausgleichsspachtelung muss alle Unebenheiten und Putzabsätze überdecken. Möglicherweise sind mehrere Spachtelschichten erforderlich, damit alle Unebenheiten zu einer gleichmäßig ebenen Oberfläche ausgeglichen werden können. Abschließend wird die Spachtelschicht erneut mit Oberputz und abschließendem Egalisierungsanstrich versehen.

Fazit

Wegen der Vielzahl der Unregelmäßigkeiten war eine lückenlose Dokumentation jeder einzelnen Auffälligkeit zu aufwändig. In der Ansichtszeichnung der Fassade wurden die kartographierten Unregelmäßigkeiten eingetragen; dabei konzentrierten sich die Gutachter auf die wesentlichen und auffälligsten Probleme. Wegen der Vielzahl und Ausgeprägtheit liegen hier keine hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten vor. Auch für eine Fassade, die durch ein Nachbargebäude verdeckt wird und somit nicht offen einsehbar ist, entspricht das Erscheinungsbild nicht der üblichen Beschaffenheit. Wesentliche Unregelmäßigkeiten an Fassadenoberflächen sind unnötig und lassen sich durch fachgerechte Planung und sorgfältige handwerkliche Ausführung meistens vermeiden.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Jürgen Gänßmantel ist Inhaber des Inge­nieurbüros Gänßmantel in Kaufbeuren, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, Energieberater Baudenkmal und Mitglied im Vorstand des Fachverbandes Innendämmung e.V. (FVID) mit Sitz in Frankfurt am Main.

Literatur

Oswald R., Abel R.: Hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden; 2. Auflage, Bauverlag Wiesbaden/Berlin 2000

Arbeitskreis der Sachverständigen im bayerischen Maler- und Lackiererhandwerk: Richtlinie zur visuellen Beurteilung beschichteter Oberflächen (Richtlinie-Oberfläche – Rili-Ofl). Fraunhofer IRB-Verlag Stuttgart, 2. Auflage 2005

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 03/2010

Ab wann ein Riss ein Mangel ist

Risse können unterschiedlich groß sein und ganz verschieden Ursachen haben. Man kann sie erst ab einer bestimmten Breite sehen. Zudem können sie auch nur vorübergehend auftreten. Sie können...

mehr
Ausgabe 09/2018

Wann ist eine Unregelmäßigkeit ein Mangel?

Abrisse im Ixelbereich zwischen Wand und Decke im Trockenbau Foto: Joachim Schulz

Die Ablehnung der Fehlerbeseitigung seitens des Verkäufers, mit dem allgemeinen Hinweis auf „hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Gebäuden“ ist nicht zu akzeptieren, da dies kein erforderlicher...

mehr
Ausgabe 10/2023

Wie sich optische Mängel am WDVS vermeiden lassen

In der bauhandwerk 6.2023 haben wir anhand eines Praxisbeispiels gezeigt, wie optische Beeinträchtigungen von WDVS-Oberflächen, die sehr unschön sind und ins Auge fallen, sachverständig bewertet...

mehr
Ausgabe 09/2011

Dunkle Farben fürs WDV-System: HBW- oder TSR-Wert?

Aktuell fordern die technischen Grundlagen und Regelwerke, dass bei der Endbeschichtung von Wärmedämmverbundsystemen ein Hellbezugswert (HBW) von 20 und bei hoch wärmegedämmtem Mauerwerk von 30...

mehr
Ausgabe 11/2014

Abgeriegelt: WDVS mit Brandschutz in der Potsdamer Speicherstadt

Bei einem großen Wohnungsbauvorhaben in Potsdam kamen zum Schutz des WDV-Systems Brandriegel von puren zur Anwendung. Sie genügen den gewachsenen Anforderungen durch immer dickere und komplexere...

mehr