Baufirmen aus NRW sind offen für Ausbildungspartnerschaften mit Ghana

Wie offen ist der Bausektor für eine Ausbildungs-Kooperation mit Nicht-EU-Ländern? Können sich Handwerksfirmen Azubis aus Ghana vorstellen? „Ja“, sagt die Bertelsmann Stiftung mit Sitz in Gütersloh. Sie stellt eine Studie vor, an der Betriebe aus NRW teilgenommen haben. Fazit: „Aus dem ausgeprägten Bedarf und Interesse der Bauunternehmen in NRW lässt sich schlussfolgern, dass für eine Ausbildungspartnerschaft zwischen Ghana und NRW Realisierungspotenzial besteht“, fasst die Bertelsmann Stiftung zusammen.

Die explorative Studie zum Fachkräftebedarf und Kooperationsinteressen von Unternehmen im Baubereich in NRW beleuchtet die Potenziale einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zur länderübergreifenden, beruflichen Ausbildung mit Ghana. „Es gibt immer mehr Belege und Prognosen, dass den akuten und ansteigenden Fachkräftebedarfen auf dem deutschen Arbeitsmarkt angesichts des demografischen Wandels nur durch zusätzliche Zuwanderung auf allen Qualifikationsstufen zu begegnen ist. Eine entscheidende Rolle spielen dabei Kooperationen mit Nicht-EU-Ländern und eine gemeinsame Entwicklung und Gewinnung von Fachkräften“, heißt es in der Pressemitteilung der Bertelsmann-Stiftung. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) biete seit März 2020 neue Möglichkeiten. Es erweitere die Grundlagen der Bildungs- und Erwerbsmigration und strukturiere diese neu. Aufgrund der Coronapandemie ließen sich die Maßnahmen bisher aber kaum in die Praxis umsetzen.

Große Potenziale und zugleich eine neue Dynamik liegen in dem Ansatz der transnationalen Ausbildungspartnerschaften. „Insbesondere Kooperationen mit afrikanischen Staaten stellen einen vielversprechenden, wenn auch herausfordernden Weg dar“, sagt Susanne Schultz von der Bertelsmann-Stiftung. Sie ist Projekt-Managerin im Programm „Integration und Bildung“. Zudem ist sie promovierte Expertin zu Migration und Westafrika und Associated Research Fellow am Center on Migration, Citizenship and Development (COMCAD).

Innovativer und nachhaltiger Weg der gemeinsamen Fachkräfteentwicklung

„Pilothafte Ausbildungspartnerschaften sind zudem ein ideales Mittel, um bestehende strukturelle Hürden ausfindig zu machen und Wege für deren Überwindung zu testen“, betont sie. Die Studie untersucht die Möglichkeiten und konkreten Anknüpfungspunkte am Beispiel der bestehenden Länderkooperation des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen mit Ghana. Anhand qualitativer wie quantitativer Befragungsergebnisse nimmt sie insbesondere die Perspektive von Arbeitgebern in NRW in den Blick. Einerseits geht es um den konkreten Bedarf an Auszubildenden und andererseits um deren Offenheit, sich in einer ausbildungspartnerschaftlichen Kooperation mit einem Land wie Ghana in Subsahara-Afrika zu engagieren.

Deutlicher Fachkräftebedarf in der Baubranche und Offenheit zur Kooperation

Im Fokus der Studie steht mit dem Bausektor einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands. In den vergangenen Jahren verzeichnete die Branche einen immer größeren Bedarf an Fachkräften und Auszubildenden, was sich perspektivisch weiter verschärfen werde. In Ghana wiederum herrsche im Baubereich große Dynamik hinsichtlich der Berufsbildung und Standardisierung von Ausbildung. So unterstreicht Heinz G. Rittmann (Bauverbände NRW e.V.), dass solche Partnerschaften dringend notwendig sind, "... um unsere Bedarfe zu decken. Sie sind ein Weg in die Zukunft für das deutsche Baugewerbe als auch für den Sektor in den Herkunftsländern, allerdings nur mit Beteiligung der Unternehmen."

In der qualitativen Untersuchung weisen alle 13 befragten Unternehmen in NRW aufgrund einer allgemeinen Überalterung der Branche sowie eines Mangels an qualifizierten und interessierten Bewerbern deutliche Bedarfe an Fachkräften oder Auszubildenden auf. Fast durchweg äußern sie eine große Offenheit, mit einem Land wie Ghana im Rahmen eines strukturierten Programms gemeinsam Fachkräfte zu entwickeln. „Wir sind da ganz offen und könnten uns durchaus vorstellen, mit afrikanischen Staaten auf dieser Ausbildungsebene zu kooperieren", sagt dazu Rolf Müller (Graf Bauunternehmung GmbH & Co. KG) „Wir würden eher den Weg verfolgen, dass wir die Leute selbst ausbilden und nicht bereits Fachkräfte einstellen".

Bedenken wegen sprachlicher Verständigung

Schwierigkeiten erwarten die Unternehmen aufgrund eigener Erfahrungen, aber zum Teil auch nur auf Basis von Vermutungen. Das betrifft zum Beispiel die administrativen Schritte zur Einreise sowie die allgemeine Verwaltung der Integration und Arbeit. Weiterhin äußern sie Bedenken bezüglich der sprachlichen und auch kulturellen Verständigung. Hier brauche es besondere Unterstützung. Überdies besteht ein Wunsch nach einer soliden Partnerstruktur und Personalauswahl vor Ort. Fast alle befragten Unternehmen zeigen sich außerdem bereit, sich finanziell an einem solchen Vorhaben zu beteiligen, etwa durch Bezuschussung von Sprachkursen und Visavergabe sowie eine teilweise Übernahme der Reisekosten.

Letztendlich sollte „eine Ausbildungspartnerschaft mit Ghana ... nicht nur den deutschen Unternehmen dienen, sondern so angelegt sein, dass sie strukturell auch zur Berufsbildung und zur Vermittlung an Unternehmen in Ghana beiträgt" (Moritz Koch, MC-Bauchemie Müller GmbH & Co. KG). (bhw/ela)

www.bertelsmann-stiftung.de


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