Myskills – berufliche Fähigkeiten entdecken und nutzen
Wie Betriebe durch ein neues Testverfahren berufserfahrene Mitarbeiter finden können
Die Bundesagentur für Arbeit hat zusammen mit der Bertelsmann Stiftung einen beruflichen Kompetenztest entwickelt, um die Kenntnisse und Fähigkeiten von berufserfahrenen Menschen zu erfassen, die keinen formalen Berufsabschluss vorweisen können. „Myskills“ zeigt, welche Tätigkeiten ein Bewerber ausführen kann.
„In Hinsicht auf die Fachkräfteknappheit gehen wir in unserer Branche in die Richtung einer ganz prekären Situation“, sagt Bauingenieurin Karin Petrie, verantwortlich für die Aus- und Weiterbildung am Berufsförderungswerk Berlin-Brandenburg des Bauindustrieverbandes am ÜAZ Bauwirtschaft Frankfurt (Oder) und Koordinatorin für die „Myskills“-Testentwicklung für den Beruf Hochbaufacharbeiter/-in mit Schwerpunkt Maurerarbeiten. „Viel mehr Facharbeiter hören altersbedingt auf als junge nachkommen. Das führt zu Wartezeiten bei den Kunden und Umsatzeinbußen. Gerade mittlere und kleine Betriebe finden keine geeigneten Mitarbeiter und geraten zunehmend in echte Schwierigkeiten.“ Der neuartige Test solle dazu beitragen, die immer größere Lücke zwischen fehlenden Fachkräften und der Zahl berufserfahrener Menschen ohne Beschäftigung zu schließen.
Die Suche nach voll ausgebildeten Fachkräften wird immer schwerer
Viele Unternehmen suchen voll ausgebildete Alleskönner. Aber die sind immer schwerer zu finden. Dabei erledigen heute schon 70% der sogenannten „Ungelernten“ Aufgaben und Standardtätigen von Fachkräften. Mitarbeiter, die über langjährige Erfahrung verfügen, aber eben nicht über einen Ausbildungsabschluss.
Ein neuer Test zeigt, was Menschen mit Berufserfahrung können
Das Testverfahren „Myskills“ zeigt, welches berufliche Handlungswissen sich Arbeitnehmer am Arbeitsplatz angeeignet haben, die keinen formalen oder in Deutschland anerkannten Berufsabschluss haben. Das können Flüchtlinge aus Syrien sein, aber auch viele Deutsche, die heute nicht mehr in ihrem ursprünglichen Ausbildungsberuf arbeiten.
Wie funktioniert Myskills?
„Myskills“ ist ein computergestützter, videobasierter Test, der vom Jobcenter oder der Arbeitsagentur durchgeführt wird. Um Sprachbarrieren zu verringern, ist der Test in sechs Sprachen verfügbar – Deutsch, Englisch, Arabisch, Farsi, Russisch und Türkisch. Er dauert ungefähr vier Stunden. Den Teilnehmer werden etwa 120 Fragen zu konkreten beruflichen Handlungssituationen gestellt. Derzeit gibt es den Test für acht Berufe – darunter für den Beruf Hochbaufacharbeiter/-in mit Schwerpunkt Maurerarbeiten – aber auch für Tischler/in und Bauten- und Objektbeschichter/in (Maler/in). Im Jahresverlauf werden Tests für 30 Berufe zur Verfügung stehen.
Ausgangspunkte: Ausbildungsordnung und betriebliche Anforderungen
„Der Myskills-Test ist in unterschiedliche Handlungsfelder aufgeteilt, die an der tatsächlichen beruflichen Praxis und am aktuellen deutschen Ausbildungsstandard ausgerichtet sind“, sagt Frank Kranz, Ausbildungsmeister für den Bereich Hoch- und Mauerwerksbau beim Berufsförderungswerk des Bauindustrieverbandes Frankfurt (Oder), der den Test inhaltlich entwickelt hat.
Der Test zeige sehr genau, welche handlungspraktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten jemand schon habe, wo man ihn bereits einsetzen könne und wo weiterer Schulungs- und Qualifizierungsbedarf bestehe, um jemanden mittelfristig zur Fachkraft zu entwickeln. „Und zwar in sechs Handlungsfeldern. Das reicht vom Erstellen von einschaligen Baukörpern, über das Erschließen von Bauwerken, das Herstellen von Baukörpern mit tragenden Funktionen, das Abdichten und Dämmen von Baukörpern, die Durchführung von einfachen Ausbauarbeiten bis zur Herstellung von besonderen Bauteilen und Sichtmauerwerk.“ Zahlreiche Vertreter der Innungen, Kammern, Ausbildungsmeister, Betriebsinhaber und Unternehmensvertreter aus der Branche haben in Expertenrunden an den konkreten Fragestellungen und Testanforderungen beratend mitgearbeitet.
„Der Test zielt auf praktisches Handlungswissen. Was ist zu tun? Wie mache ich das? Was muss ich als nächstes tun? Mit welchem Werkzeug? Wir haben das so hinbekommen, dass Arbeitgeber davon ausgehen können, dass jemand sich auskennt und beruflich damit zu tun gehabt hat, wenn er die Fragen beantworten kann.“
Wichtig sei, die Ergebnisse des Tests richtig zu interpretieren, so Kranz. „Denn der Test ist schwer. Vier Punkte in einem Handlungsfeld wird nur jemand schaffen, der in Deutschland eine Ausbildung sehr gut abgeschlossen und schon praktisch gearbeitet hat. Für alle anderen ist das fast nicht zu schaffen. Gerade auch, weil es Unterschiede gibt, wie die Dinge in verschiedenen Ländern gemacht werden.“
Schon jemand mit 2 Punkten in einem Handlungsfeld habe grundlegende Kenntnisse und könne einige Facharbeiten in diesem Bereich selbständig ausführen. „So jemandem sollten sich Arbeitgeber unbedingt anschauen und ihm eine Chance geben“, meint Frank Kranz. Mit einem Punkt könne jemand unter Anleitung arbeiten, da seien schon Erfahrungen vorhanden. Und mit 3 Punkten sei jemand in der Lage, viele anspruchsvollere Arbeiten selbständig auszuführen, ohne dauernd beim Meister nachfragen zu müssen. „Für so jemanden ist der Weg zur Fachkraft nicht mehr weit. Gleichzeitig zeigt der Test aber auch genau, was jemand noch nicht kann und wo man gezielt mit Fortbildungen und Qualifizierungen ansetzen sollte.“
Neuer Weg, um zukünftige Fachkräfte zu finden
Besonders interessant für Arbeitgeber ist, dass man durch den Test sieht, in welchen konkreten Arbeitsfeldern jemand bereits direkt anschlussfähige Fähigkeiten hat und gezielt einsetzbar ist. „Wenn ein Baubetrieb zum Beispiel Aufträge zum Fassadenputzen im Verbundsystem hat, kann er bei seiner Arbeitsagentur oder beim Jobcenter gezielt nach Menschen fragen, die in diesem Arbeitsbereich im Test gut abgeschnitten haben. Die fehlenden Fähigkeiten können dann über die Zeit entwickelt werden, während man schon zusammen arbeitet. Im besten Fall bis zur vollen Qualifikation über eine Externenprüfung. Dafür gibt es Wege, die zusammen mit den Arbeitsagenturen oder Jobcentern gefunden werden können. Das ist für Betriebe ein neuer Weg, um zukünftige Fachkräfte zu finden und zu entwickeln“, sagt Frank Kranz.
Im Anschluss an den Berufstest für Hochbaufacharbeiter, der schon bundesweit in allen Arbeitsagenturen und Jobcentern durchgeführt wird, folgen noch weitere Tests für die Berufe Ausbau- und Tiefbaufacharbeiter. Der Test für Ausbaufacharbeiter geht inhaltlich in Richtung Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerarbeiten, umfasst aber auch ein breites Wissen aus der gesamten Grundbildung Bau. Der Tiefbaufacharbeiter hingegen fokussiert inhaltlich auf den Straßenbau und umfasst darüber hinaus ebenfalls ein breites Fähigkeitenspektrum des gesamten Bauberufsgruppe und speziell des Tiefbaus.
Mehr Informationen zu Myskills unter: www.Myskills.de und https://www.arbeitsagentur.de/Myskills.
Autor
Johannes Wiek ist Freier Journalist und Kommunikationsberater in Witten und unterstützt die Bertelsmannstiftung bei der Pressearbeit für Myskills.