Studie der Soka-Bau beleuchtet Gründe für die Abwanderung von Fachkräften

Der Fachkräftemangel lähmt die Baukonjunktur. Zwar stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Ausbildungsverhältnisse, gleichzeitig beklagt die Branche Abwanderung von Fachkräften in andere Wirtschaftsbereiche. Eine Studie der Soka-Bau zeigt die Gründe: gesundheitliche Probleme, zu geringes Gehalt, Stress.

Der Fachkräftemangel entwickelt sich in der Bauwirtschaft zunehmend zur Konjunkturbremse. So geben in der monatlich stattfindenden Befragung des ifo-Instituts mittlerweile zwischen 15 und 25 Prozent der Baubetriebe an, dass der Mangel an geeigneten Arbeitskräften die Produktion behindere. Dies sind die höchsten jemals gemessenen Werte. Der Mangel an Fachkräften zeigt sich in der Praxis darin, dass offene Stellen in der Bauwirtschaft überdurchschnittlich lange unbesetzt bleiben. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) dauert die Besetzung von offenen Stellen im Hoch-, Tief- und Ausbau, bei denen eine Meisterqualifikation verlangt wird, in der Spitze beinahe doppelt so lange wie im Bundesdurchschnitt aller Berufe. Die Stellen für „Spezialisten“ im Hoch-, Tief- und Ausbau stehen deshalb bereits seit mehr als einem Jahr auf der Liste der Engpassberufe der BA, was eine Anwerbung von Arbeitskräften außerhalb der EU-Länder ermöglicht. Mittlerweile stehen auch Berufe im Tief- und Ausbau, bei denen lediglich eine abgeschlossene Berufsausbildung vorausgesetzt wird, auf der Engpassliste der BA.

Anwerbung versus Abwanderung

Dabei liegt das Problem nicht notwendigerweise im  Gewinn von neuen Auszubildenden und Fachkräften. Die bisher angelaufenen Maßnahmen in diesem Bereich, wie zum Beipiel das Programm Berufsstart Bau, das junge Leute an die Ausbildung am Bau heranführt, sind offensichtlich erfolgreich. So ist die Zahl neuer Ausbildungsverhältnisse im vergangenen Jahr mit einem Plus von rund 7,5 Prozent kräftig gestiegen, insbesondere dank der Integration von Flüchtlingen.

Jedoch scheint die Abwanderung von Fachkräften in andere Branchen ein großes Problem darzustellen. Nach Berechnungen der Soka-Bau gelingt es den Baubetrieben zwar, Auszubildende länger an sich zu binden. Während nur rund 5 Prozent der Auszubildenden des Abschlussjahrgangs 2000 nach fünf Jahren (also im Jahr 2004) noch in ihrem Ausbildungsbetrieb beschäftigt waren, waren dies immerhin 12 Prozent des Ausbildungsjahrganges 2008. Enttäuschend ist allerdings die steigende Zahl derjenigen Auszubildenden, die direkt nach der Ausbildung die Baubranche verlassen. Auszubildende des Jahrgangs 2000 blieben lediglich zu 61 Prozent direkt im Anschluss an das Ausbildungsende in einem Baubetrieb beschäftigt. Zuletzt war sogar nur rund die Hälfte der Auszubildenden direkt im Anschluss noch in der Baubranche tätig.

Um nach den Gründen für den Fachkräfte-Exit zu suchen wurden von Soka-Bau Anfang des Jahres in Nordrhein-Westfalen mehr als 900 Auszubildende, jeweils 300 Arbeitnehmer und Arbeitgeber, einige Ausbilder aus den überbetrieblichen Ausbildungszentren und rund 230 abgewanderte Arbeitnehmer befragt. Dabei stellte sich heraus, dass es sich bei den abgewanderten Arbeitnehmern hauptsächlich (zu zwei Dritteln) um ausgebildete Fachkräfte handelt, und die Hochbaubetriebe vergleichsweise stärker von dem Problem der Abwanderung von Fachkräften betroffen sind.

Geld und Gesundheit

Was die Abwanderungsgründe angeht, nennt der größte Teil der Befragten gesundheitliche Gründe, gefolgt von schlechten ökonomischen Rahmenbedingungen wie einem zu niedrigen Gehalt, Kündigung beziehungsweise Insolvenz des Arbeitgebers und zu hohe Arbeitsbelastung. Als Zielbranche nennen die abgewanderten Fachkräfte mehrheitlich das verarbeitende Gewerbe, gefolgt vom öffentlichen Bereich und dem Handel. Für rund 40 Prozent der abgewanderten Fachkräfte ist der Abschied aus der Branche endgültig. Vor allem jüngere Arbeitnehmer (bis 25 Jahre) können sich aber durchaus vorstellen, wieder in die Baubranche zurückzukehren, insbesondere, wenn sich die ökonomischen Bedingungen verbessern würden.

Aus der Studie können mehrere Schlüsse gezogen werden: Zum einen wird von den befragten Personen bestätigt, dass die Abwanderung von Fachkräften ein drängendes Problem darstellt und in den kommenden Jahren noch weiter an Brisanz gewinnen wird. Zum anderen wird deutlich, dass die harte körperliche Arbeit am Bau immer noch eine besondere Herausforderung für die Arbeitnehmer darstellt. Dies deckt sich mit Daten zum Renteneintritt der Arbeitnehmer, die der Soka-Bau vorliegen. Danach haben im Jahr 2017 28 Prozent der Neurentner in der Baubranche eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bezogen, wohingegen dies nur für 18 Prozent der gesamten westdeutschen männlichen Neurentner galt. Alterns- und altersgerechte Arbeitsplätze sind nicht nur notwendig, um die Zahl der Frühverrentungen, insbesondere wegen Erwerbsminderung, zu senken, sondern auch, um jungen Fachkräften eine Perspektive in der Branche zu geben und sie in der Branche zu halten. Hierzu sind sowohl Möglichkeiten persönlicher Weiterentwicklung und beruflichen Aufstiegs als auch das Ermöglichen horizontaler Karrierewege notwendig, um für ältere Beschäftigte altersgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Dazu gehört es auch, die Möglichkeiten des technischen Fortschritts besser zu nutzen. Die Baubranche investiert im Branchenvergleich ohnehin verhältnismäßig wenig in Ausrüstungsgüter.

Darüber hinaus ist offensichtlich nicht alles Gold, was glänzt. So wartet die Branche während der Ausbildung regelmäßig mit den höchsten Azubigehältern in Deutschland auf, und die Auszubildenden sind mit ihrer Ausbildung auch ausgesprochen zufrieden. Im Ergebnis gehen rund drei Viertel der Azubis davon aus, dass sie ihr ganzes Leben in der Bauwirtschaft arbeiten beziehungsweise so lange in der Baubranche tätig sein werden, wie es die Lebensumstände und die Gesundheit zulassen.

Nach der Ausbildung tritt aber für viele Beschäftigte insbesondere in nicht tarifgebundenen Betrieben offensichtlich die Ernüchterung ein, da der starke Wettbewerb in der Branche häufig zu Lasten der Löhne der Beschäftigten geht. Zu nennen wäre hier insbesondere der Wettbewerb zwischen deutschen Baubetrieben und europäischen Entsendebetrieben, die allein aufgrund der niedrigeren Sozialabgaben in ihren Heimatländern einen Kostenvorteil haben. Unter den großen Mitgliedsländern der EU ist die deutsche Baubranche am stärksten von Entsendungen betroffen, das Verhältnis aus entsandten Arbeitnehmern zur Zahl der inländischen Beschäftigten im Bauhauptgewerbe lag im vergangenen Jahr bei rund 15 Prozent. Darüber hinaus verpflichten sich selbst die öffentlichen Auftraggeber in Deutschland bisher nicht flächendeckend über Tariftreueregelungen dazu, nur Aufträge an tariftreue Betriebe zu vergeben.

Autoren

Marcel Macherey ist Referent Qualifizierungsförderung Bau, Dr. Torge Middendorf ist Manager Volkswirtschaft/Öffentlichkeitsarbeit bei der Soka-Bau in Wiesbaden.

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