Festival Construction Love: Leidenschaftliche Plädoyers für die Bauwende

Leidenschaftliche Plädoyers für das Bauen im Bestand: Auf der Zeche Zollverein feierte die Veranstaltung Construction Love am 19. und 20. Februar eine gelungene Premiere. Die Essener Baufachagentur Brandrevier hat das Baufluencer-Forum weiterentwickelt und legte den Schwerpunkt des ersten Tages auf die Bauwende. Unter der Moderation von Julia Kleine machten Annabelle von Reutern, Architektin und Expertin für zirkuläres Bauen, Turit Fröbe, Architekturhistorikerin und Baukulturvermittlerin,  Dachdecker und Mentor Oliver Oettgen und Kommunikationsexperte und Journalist Michael Adler deutlich, wie wichtig ein Umdenken im Bausektor sei.

Architektin Annabelle von Reutern sagt „Abriss ist over“ beim Festival Construction Love auf der Zeche Zollverein
Foto: Michaela Podschun

Architektin Annabelle von Reutern sagt „Abriss ist over“ beim Festival Construction Love auf der Zeche Zollverein
Foto: Michaela Podschun
„Keinen Bock, keine Zeit, zu teuer“, brachte Annabell von Reutern die Gründe auf den Punkt, warum das Sanieren von Bauwerken zu wenig Beachtung findet. „Die Bauwende ist eine Herausforderung für uns alle. Ich verstehe, dass viele Angst davor haben. Trotzdem klage ich an“, so von Reutern. Sie brachte das Beispiel des Deutschlandhauses in Hamburg mit. Das historisch bedeutende Bauwerk wurde 2019 abgerissen und neu gebaut. „Hier wurde an der Bevölkerung vorbei entschieden. Leider war der Protest zu leise“, fasste sie zusammen.  Auch das „Mäntelchen der Nachhaltigkeit“ kritisierte von Reutern. Denn die 33 Palmen im Inneren machten den Neubau nicht nachhaltig. Annabelle von Reutern machte Mut, in kleinen Schritten zu denken. „Auch wenn es nur darum geht, 20 alte Türgriffe zu retten, dann ist das wichtig.“  

Baukulturelle Bildung in der Schule  

Architekturhistorikerin Turit Fröbe möchte den Begriff Architektur durch Baukultur ersetzen
Foto: Michaela Podschun

Architekturhistorikerin Turit Fröbe möchte den Begriff Architektur durch Baukultur ersetzen
Foto: Michaela Podschun
Turit Fröbe machte sich für baukulturelle Bildung stark, die in Deutschland eindeutig zu kurz komme und eigentlich mit auf den Lehrplan der Schulen gehöre. Sie plädierte dafür, nicht mehr in schöner und hässlicher Architektur zu denken. Denn auch jedes schäbige Gebäude habe doch etwas Gutes, das man erkennen müsse. In Deutschland gebe es aber kein Gremium, das sich um die Baukultur kümmere. Wichtig sei, ein Kompetenzzentrum dafür zu schaffen, wie es die Schweiz vormacht.

Oliver Oettgen, Dachdeckermeister und Influencer, habe nach eigenen Worten sehr lange überlegt, was er denn eigentlich bei Construction Love erzählen solle. Dann sei es ihm klar geworden. „Wenn ich an Bauwende denke, denke ich immer auch an den Fachkräftemangel. Das Handwerk sei zu lange passiv gewesen und habe sich um Azubis zu wenig Gedanken gemacht. „Irgendjemand wird es schon machen, hieß die Devise. Und ich frage mich, ob das jetzt mit der Bauwende genauso abläuft.“ Am Bau gehe man immer noch zu verschwenderisch mit Materialien um und sei damit beschäftigt, das Tagesgeschäft am Laufen zu halten.  „Die Bauwende bietet viel Chancen! Wir eröffnen neue Märkte, erhalten Wettbewerbsvorteile und bekommen Innovationskraft!“ sagte er. Die Themen nachhaltiges Bauen und Recycling müssten mit in die handwerkliche Ausbildung integriert werden. Denn dann können Handwerker Bauherren beraten und die Bauwende vorantreiben.  

„Transformation braucht Kommunikation“, betonte Michael Adler. Jede Wende müsse positiv besetzt sein. Ein „Yes-we-can-Gefühl“ schaffe Zusammenhalt.

Autorin

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften ­bauhandwerk und dach+holzbau.