OWL-Handwerk als „Fels in der Brandung“ in der Corona-Pandemie

Betriebe vermelden eine gute Geschäftslage und blicken vorsichtig optimistisch in die Zukunft.Die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Krise können viele Handwerker allerdings nicht mehr nachvollziehen und sind unzufrieden. Auch die Holzverknappung macht ihnen zu schaffen.

Von Michaela Podschun

„Als Fels in der Brandung hat sich das ostwestfälisch-lippische Handwerk auch im dritten Corona-Halbjahr gezeigt“, resümiert Peter Eul, Präsident der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe zu Bielefeld, beim ersten rein virtuell vorgestellten Konjunkturbericht für das Frühjahr 2021. Auch in weiterhin stürmischen Zeiten habe sich die Geschäftslage im OWL-Handwerk über den Herbst bis ins Frühjahr 2021 stabilisiert. Gemeinsam mit Wolfgang Borgert, dem stellvertretenden Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, stellt Eul das Zahlenwerk vor. Volle Auftragsbücher und eine überwiegend positive Stimmung sind das Ergebnis der Umfrage, die regelmäßig seit 1978 durchgeführt wird.  Dieses Mal haben in der Zeit vom 19. bis 29. März 2021 online 1.051 Handwerksunternehmen mit insgesamt 14.330 Beschäftigten teilgenommen.

51 Prozent der Betriebe bewerten Auftragslage positiv

Insgesamt 51 Prozent aller befragten Betriebe bewerten ihre geschäftliche Situation als gut und 33 Prozent als zufriedenstellend. 16 Prozent melden hingegen eine schlechte Geschäftslage.  Allerdings klaffen die Antworten in den unterschiedlichen Gewerken weit auseinander. „Motor für die gute Handwerkskonjunktur sind weiterhin die Bau- und Ausbauhandwerke, die sowohl vom Immobilienboom und den niedrigen Zinsen profitieren als auch von den erhöhten Investitionen ins Eigenheim im Lockdown“, heißt es von der OWL-Handwerkskammer.  

Während 67 Prozent der Betriebe aus dem Bauhauptgewerbe und 66 Prozent der Betriebe aus den Ausbau-Handwerken eine gute Bilanz melden, sind es bei den Handwerken für den privaten Bedarf, zu denen Friseure, Kosmetiker und auch Fotografen zählen, nur 15 Prozent. Grund dafür sind die zeitweisen Schließungen und die hohen Hygieneauflagen während der Öffnungsphasen. „Viele Unternehmen klagen zudem darüber, dass die finanziellen Corona-Hilfen zu spät kamen“, berichtet Eul über die Unzufriedenheit in der Branche. Viele Firmen könnten die politischen Maßnahmen mittlerweile nicht mehr nachvollziehen.  Eul: Im ersten Lockdown war die Akzeptanz  der politischen Entscheidungen sehr hoch.“ Generell sieht er aber keine Pleitewelle und blickt optimistisch in die Zukunft. „Viele Handwerker sind auch kreativ geworden und haben während der Pandemie ihr Portfolio erweitert. Beispielsweise stellen Glaser jetzt Trennwände und Spuckschutz her“, sagt er.

Stabiler Geschäftsklimaindikator

Für das nächste Halbjahr erwarten 28 Prozent der Firmen eine bessere und 58 Prozent eine unveränderte Geschäftslage, 14 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung. Der Geschäftsklimaindikator (GKI) des Handwerks, der als konjunktureller Leitindikator die aktuelle Lagebewertung der Unternehmen und ihre Erwartungen bis zum Herbst 2021 bündelt, habe sich mit 124 Punkten weiter stabilisiert, ergänzt Wolfgang Borgert. „Das Beschäftigungsklima verbleibt mit 104 Punkten auf vergleichsweise niedrigem Niveau und das Investitionsklima dokumentiert mit 102 Punkten trotz leichter Steigerung eine weiterhin überwiegend zurückhaltende Investitionsneigung“, führt er aus.

Die konjunkturellen Klimaindikatoren des Handwerks basieren auf den Salden der Positiv- und Negativmeldungen zu aktueller Lage und Zukunftserwartungen, aus denen der geometrische Mittelwert errechnet wird (ähnlich wie beim Ifo-Geschäftsklimaindex). Die neutralen Meldungen („zufriedenstellend“, „gleichbleibend“) werden nicht berücksichtigt. Der Wert 100 markiert jeweils die Grenze zwischen positivem und negativem Geschäftsklima, Beschäftigungsklima und Investitionsklima.

Gestiegene Umsätze und Auftragsbestände

Ein Blick auf die Umsätze zeigt, wie die Mehrheit der OWL-Handwerksbetriebe an der Pandemie vorbeigeschrammt sind. Der Gesamtumsatz des Handwerks lag zuletzt bei rund 18 Mrd. Euro. 25 Prozent melden gestiegene Umsätze und 30 Prozent gestiegene Auftragsbestände. Aber die Negativmeldungen liegen weiterhin mit 39 Prozent beziehungsweise 34 Prozent deutlich höher. Selbst bei den Bau- und Ausbaubetrieben sind die Umsätze bei 20 beziehungsweise 25 Prozent der Befragten gesunken. Beim Blick in das nächste Halbjahr spürt die Handwerkskammer aber vorsichtigen Optimismus: 32 Prozent erwarten steigende und 21 Prozent sinkende Umsätze.

Bauhauptgewerbe stark ausgelastet

Die Kapazitätsauslastung der Firmen sieht so ähnlich aus wie im Herbst 2020. 53 Prozent melden eine starke Auslastung von 80 Prozent und mehr, während 24 Prozent eine niedrige Auslastung von bis zu 60 Prozent vermelden. Die mit Abstand stärksten Werte meldet das Bauhauptgewerbe: 73 Prozent der Betriebe berichten von einer starken und lediglich sechs Prozent von einer schwachen Auslastung. „Weiterhin zufriedenstellend - wenngleich etwas schwächer als im Vorjahr - ist die Auslastung im Ausbaugewerbe: 66 Prozent melden eine hohe und 17 Prozent niedrigere Kapazitäten.

16,7 Wochen Wartezeit auf einen Handwerker

Die durchschnittliche Auftragsreichweite ist laut Handwerkskammer im Vergleich zu Herbst 2020 von 7,9 auf 9,8 Wochen gestiegen. Im Baugewerbe wartet man mit 16,7 Wochen und im Ausbaugewerbe mit 10,6 Wochen am längsten auf Handwerker. Wobei Wolfgang Borgert klar macht, dass die Wartezeit auch die Materialbeschaffung und die Personalplanung umfasse. In diesem Zusammenhang macht die Handwerkskammer auch auf zwei Themen aufmerksam, die Sorgen bereiten: Materialverknappung und Fachkräftemangel. „Wie aus dem Nichts heraus“ hätten sich, laut Borgert, Engpässe und Preissteigerungen bei Holz ergeben, begründet mit Import-Schwierigkeiten. Aufgrund einer hohen Nachfrage werde viel Holz in die USA geliefert. Drei Viertel der Dachdecker und Zimmerer in OWL melden daher höhere Preise.

Was den Personalbedarf angeht, so ist der Beschäftigungsklimaindikator im Bauhauptgewerbe leicht gestiegen auf 115 Punkten (Herbst 2020 107 Punkte). Derzeit sind im OWL-Handwerk etwa 160.000 Mitarbeiter, davon rund 10.500 Azubis, beschäftigt. „Nach unserer Umfrage ist von aktuell bis zu etwa 12.000 offenen Stellen im OWL-Handwerk auszugehen. Mehr als 6.000 Fach- und Führungskräfte, 2.500 Hilfskräfte und 3.500 Azubis werden derzeit benötigt. Besonders starker Personalbedarf besteht bei den Bau- und Ausbauberufen“, fasst Handwerkskammer-Präsident Peter Eul zusammen.

Appell in Richtung Schulen

Er schickt einen Appell in Richtung Schulen: „In allen Schulformen müssen digitale Formate zur Berufsorientierung dringend ausgebaut werden – unter Einbindung regionaler Partner, also etwa auch der Ausbildungsberaterinnen und -berater der Handwerksorganisationen. Diese legen schon vor und verstärken derzeit massiv eigene Aktivitäten, Jugendliche etwa in WhatsApp-Sprechstunden zu beraten oder beim Azubi-Online-Dating mit Betrieben zusammenzubringen. Doch gerade auf Schulebene müssen wir da den Turbogang einlegen.“ Da das Handwerk unverzichtbarer Partner bei der Energiewende sei, lege die Ausbildung in einem der Bau- und Ausbau-Handwerke beispielswiese eine gute Basis für einen sicheren und spannenden Arbeitsplatz.

Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

 


Digitalisierungsgrad im Handwerk

Die Digitalisierung ist für jeden zweiten Handwerksbetrieb in Deutschland (56 Prozent) eine Herausforderung.  Das geht aus einer aktuellen Studie des Digitalverbands Bitkom und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) hervor. 36 Prozent geben an, Probleme dabei zu haben, die Digitalisierung im eigenen Unternehmen zu bewältigen, 13 Prozent betrachten sie sogar als Risiko. Gleichwohl haben sich doch mehr Handwerker auf den digitalen Weg gemacht.  Jeder zweite Betrieb in Deutschland (53 Prozent) setzt digitale Technologien oder Anwendungen ein. Das sind acht Prozentpunkte mehr als im Jahr 2017, wo 45 Prozent der Betriebe digital arbeiteten. Cloud Funding, Tracking-Systeme für Maschinen oder Betriebsmittel, digitale Organisation von Dokumenten werden in vielen Unternehmen eingesetzt. „Büro-, Verwaltungs- und Planungsarbeiten können enorm vereinfacht werden, so dass die Betriebe wieder Zeit für ihre eigentliche Arbeit und damit ihr Handwerk an sich gewinnen“, sagt ZDH-Geschäftsführer Karl-Sebastian Schulte.
Die OWL-Handwerkskammer hat in ihrem Frühjahrskonjunkturbericht die Digitalisierung nicht abgefragt. Nach einer aktuellen Studie erreichen die Handwerksbetriebe beim Digitalisierungsgrad einen Indexwert von 57 von 100 möglichen Punkten, teilt die Bielefelder Kammer mit.  „Es hört sich immer an, als wäre das Handwerk rückständig. Aber es läuft sehr viel digital. Und in der Vergangenheit waren Handwerker immer weit vorne bei der Einsetzung neuer Technologien“, sagt Wolfgang Borgert. (bhw/ela) 

Die OWL-Handwerkskammer bietet Beratung zur Digitalisierung an.
 
 

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