Asbesthaltige Abstandhalter finden
In Betonbauten sind oft Abstandhalter aus Asbest verbaut, die bei Sanierungen zum Problem werden. Experten entwickeln Verfahren, um diese Bauteile zu finden und zu entfernen. Das Thema stand beim Schadstoffkongress DCONex in Münster Ende Januar im Fokus.
Sie schlummern in Brücken, Verwaltungsgebäuden oder auch mehrstöckigen Wohnbauten aus Stahlbeton: asbesthaltige Abstandhalter. Dabei handelt es sich um Distanzelemente zwischen Schalung und Bewehrungsmatte. Sie verhindern ein Absinken der Bewehrung im noch nicht verfestigten Beton. Während der normalen Bauwerksnutzung sind sie ungefährlich, solange nicht in das Material eingegriffen wird. Aber bei Abriss- oder Sanierungsplänen muss man sich klar werden, dass diese Distanzelemente zum Problem werden können. Asbestfasern können freigesetzt werden. Mit diesem Thema setzten sich drei Referenten beim Schadstoffkongress DCONex in Münster Ende Januar auseinander.
Abstandhalter können verschiedene Formen haben. Sie verhindern ein Absinken der Bewehrung im noch nicht verfestigten Beton
Foto: Wesseling Consulting Engineering
Wie lassen sich die Abstandhalter finden und analysieren? Über den aktuellen Stand der Technik berichteten Dr. Sebastian Kollenz, Niederlassungsleiter der Kluge Sanierung GmbH in Mutterstadt, Dr. Martin Hönig von der Wessling Consulting Engineering GmbH & Co. KG in Bochum, und Svenja Schaneng von der Arcadis Germany GmbH in Stuttgart.
Nach heutigem Kenntnisstand wurden asbesthaltige Abstandhalter in Deutschland in den Jahren ab etwa 1960 bis 1993 von mehreren Herstellern angeboten. Sie haben die Form eines Quaders, eines Knochens oder einer Halbkugel. „Schwierig ist es, sie von außen zu sehen. Manchmal gibt es im Beton Formen, die wie Gänsefüßchen aussehen. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass dort Abstandhalter verbaut sind“, sagte Dr. Sebastian Kollenz. Er berichtete, wie die Kluge Sanierung auf ihrem Betriebshof in Duisburg einen Versuch gemacht hat, um Betonoberflächen freizulegen, um Proben der Abstandshalter zu nehmen. Zum Einsatz kamen der Industriesauger „Delfin DM 40 SGA H“, die Handfräse „Galeski Atlas Max 82“ sowie eine Helixschleifwalze. In einem weiteren Feldversuch wurde Überkopf gearbeitet. Messungen zur Astbestfaserexposition ergaben, dass die Grenzwerte hinsichtlich freigesetzter Asbestfasern nicht überschritten wurden. Die Abstandhalter hätten recht gut freigelegt werden können. Allerdings gab Dr. Kollenz auch zu bedenken, dass das Fräsverfahren über Kopf auf Dauer ermüdend sei. Daher wolle man an dem Verfahren noch weiterarbeiten und es entsprechend anpassen.
Einbetonierte Beipackzettel geben Hinweise
Oft helfen auch einbetonierte Beipackzettel bei der Suche nach asbesthaltigen Abstandhaltern, wie Dr. Martin Hönig von der Wessling Consulting Engineering in seinem Vortrag zeigte
Foto: Michaela Podschun
Das Problem der astbesthaltigen Abstandhalter betrifft viele Ländern, in denen sie verbaut wurden, betonte Dr. Martin Hönig von Consulting Engineering. Anhand von Bewehrungsplänen lassen sich Abstandhalter nicht lokalisieren. „In seltenen Fällen haben wir Glück und finden einbetonierte Beipackzettel, auf denen Fabrikat und Zusammensetzung der Abstandhalter notiert sind.“ Dr. Hönig sprach über eine Konzeption zur Bestimmung von Lage und Anzahl astbesthaltiger Abstandhalter in Betonbrücken, die vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik, der Bundesanstalt für Straßenwesen, der Ruhr-Uni Bochum und Wessling Consulting Engineering ausgearbeitet wurde.
Laut der Konzeption ist seit 1943 geregelt, dass Abstandhalter zur Sicherung der Betondeckung verwendet werden. Ab 1981 wird dies auf eine enge Anordnung der Abstandhalter konkretisiert. Erst ab 2001 wird in den entsprechenden Normen für den Stahlbetonbau auf die DBV-Merkblätter „Abstandhalter“ und „Betondeckung“ verwiesen, die konkrete Mindestvorgaben für die Anzahl (pro lfd. m beziehungsweise pro m²) machen. Als grobe Faustregel für die Erkundung gilt: Es kann mit einem Abstand von 100 cm und einer Verlegedichte von 2 bis 4 Stück/m² gerechnet werden.
Statik als Problem
„Bei der Frage, wie die Abstandhalter separiert werden können, haben wir es immer automatisch mit der Statik-Frage zu tun“, sagte Dr. Hönig. Denn je mehr Löcher gebohrt werden, desto mehr Bedenken haben Statiker. Daher berücksichtigt die Konzeption auch verschiedene Aspekte: Möglichkeiten des getrennten Rückbaus von Teilbrückenbauwerken, die notwendigen Arbeitssicherheitsmaßnahmen beim Umgang mit asbesthaltigen Massenströmen auf der Baustelle und die Festlegungen zur Entsorgung.
Kluge Sanierung erprobte das Herausfräsen von Abstandhaltern
Foto: Kluge Sanierung
Für das Entfernen von asbesthaltigen Abstandhaltern werden verschiedene Verfahren wie Überbohren, Ausstrahlen oder Ausschlitzen empfohlen. Wichtig sei, dass eine Asbestfaserfreisetzung vermieden werde. Eine nachträgliche Abtrennung im Bauschutt sollte messtechnisch überwacht werden. Zerstörungsfreie Prüfverfahren, wie Röntgentechnik, Radar oder Thermografie, ermöglichen laut Experten-Meinung nach heutigem Stand nicht das Erkennen von überdeckten Abstandhaltern. „Durch Röntgen können unter Umständen die Bindedrähte zur Fixierung der Abstandhalter als sehr dünne Linien sichtbar gemacht werden, welche wiederum einen Hinweis auf die Position der Abstandhalter geben können. Sie sind jedoch von den Bindedrähten der Bewehrung kaum unterscheidbar“, heißt es in der Konzeption.
350 000 Astbesthalter in einem Beton-Gebäude
Bei Svenja Schaneng, Senior-Projektmanagerin beim Ingenieurbüro Arcadis, ging es um die Asbesterkundung eines Stahlbetonskelettbaus mit einer Geschossfläche von 90 000 m2 aus den 1970er Jahren. Es sollte abgerissen werden, wurde zum Zeitpunkt der Erkundung noch genutzt. Außenwände, Böden, Innenwände und Stützen bestanden aus Ortbeton. Balkon- und Fenster-Brüstungen sowie Fassadenplatten waren aus Betonfertigteilen. Während in vertikalen Elementen, ganz gleich ob Ortbeton oder Fertigteile, überwiegend Abstandhalter aus asbestfreiem Kunststoff festgestellt wurden, wurden in allen Geschossdecken asbesthaltige Abstandhalter nachgewiesen. Letztlich, so merkten auch die Kongress-Zuhörer an, sei es bei solch einem Bauwerk doch utopisch, alle asbesthaltigen Abstandhalter vorab herauszubohren. „Wir gehen hier von 350 000 Stück aus“, sagte Svenja Schaneng.
Mehrere Arten von Abstandhaltern sind in einem Bauteil möglich
Foto: Arcadis
Eine weitere Kernaussage ihres Vortrages war, dass in einem Bauteil mehrere Arten von Abstandhaltern verbaut sein können. So wurde im Zuge des vorgestellten Fallbeispiels klar, dass in Stützen beispielsweise sowohl solche aus Kunststoff als auch mineralische verbaut seien. Den Ergebnissen einer projektspezifischen Variantenuntersuchung entsprechend, wurde daher ein Rückbau vorgeschlagen, bei dem verschiedene Punkte berücksichtigt werden sollten: Wasserbedüsung direkt an der Abbruchstange und Rohbauwässerung mit kurzer Vorlaufzeit zum Abbruch, um die Staubentwicklung zu minimieren sowie eine geringe Abwurfhöhe des Materials. Lagerflächen sollten so gewählt werden, dass mehrere Umschlagsprozesse vermieden werden, Bauabfälle sollten kontinuierlich in gedeckelten Transportmulden abgefahren werden. Zu den Staubschutzmaßnahmen gehörte auch die Bewässerung aller Fahrtwege und der Einsatz eines Reinigungsfahrzeuges.
„Ich will mich nicht geschlagen geben. Wir müssen so viele asbesthaltige Abstandhalter herausholen wie möglich, ob vor dem maschinellen Rückbau oder danach, über eine Sortierung und Aufbereitung des Abbruchmaterials“, lautete Martin Hönigs Schlussplädoyer. Denn um die Bauwende zu schaffen, benötigt man viel recyceltes Material, das frei von Schadstoffen sei.
Kreislauffähige Baustoffe brauchen Produkt-Status
Dieser Meinung waren auch die Teilnehmer einer Online-Pressekonferenz mit dem Titel „Nachhaltige und kreislauffähige Baustoffe in der Bau- und Immobilienwirtschaft – Ausblick 2025“. Dr. Thomas Welter, Geschäftsführer des BDA, Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB, Dr. Jan Christoph von der Lancken, Geschäftsführer EPEA GmbH Part of Drees & Sommer, René Grupp, CEO von Sievert SE sowie Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, kritisierten fehlende politische Rahmenbedingungen. Denn derzeit haben recycelte Baustoffe keinen Produkt-Status. „Welcher Bürgermeister würde einen Kindergarten bauen, wenn die verwendeten Materialien noch als Abfall gelten?“, fragte Felix Pakleppa. Dies sei entscheidend, um die Wiederverwendung von Bauteilen rechtssicher zu gestalten.
Johannes Kreißig betonte die Wichtigkeit von Strategien, wie die Einführung eines digitalen Produktpasses, um die Wiederverwendung von Baustoffen zu fördern. Dr. Thomas Welter kritisierte: „Abriss wird steuerlich gefördert, während nachhaltige Sanierungen erschwert werden. Das muss sich ändern.“ Dr. Welter forderte marktwirtschaftliche Anreize sowie eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Branchen, um intersektorale Lösungen, wie die Nutzung landwirtschaftlicher Nebenprodukte im Bauwesen, zu fördern.
Beim Umgang mit Schadstoffen ist es auch wichtig, entsprechende Schulungen zu durchlaufen.Beim Schadstoffkongress in Münster stellte sich beispielsweise die Asbest Akademie aus Ahaus vor. Sie bietet eine Mischung aus Online-Kursen und Präsenzterminen an, um den kleinen und großen Asbestschein (TRGS 519) und Auffrischungs-Lehrgänge zu machen.
Michaela Podschun ist Redakteurin der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Abstandshalter aus verschiedenen Materialien
Kunststoff: Verwendung schon vor 1950. Abstandhalter aus Kunststoff haben eine geringe Kontaktfläche zur Schalung. Aufgrund ihrer geringen Tragfähigkeit werden sie im Allgemeinen nur für vertikale Schalungen empfohlen.
Beton, Zementmörtel: Verwendung schon vor 1950. Abstandhalter aus Beton wurden oftmals direkt auf der Baustelle hergestellt („einfachere“ Quaderform mit quadratischer, ebener Unterseite) oder industriell als Halbkugeln gefertigt. Beide wurden mit einem eingelegten Draht zur Befestigung an der Bewehrung ausgeführt.
Asbestzement, später Faserzement (ab 1960): Abstandhalter aus Asbestzement wurden ausschließlich industriell gefertigt und wiesen typischerweise eine Zylinder- oder Knochenform auf. Zumeist wurde mittig ein Loch zur Durchführung des Befestigungsdrahtes vorgesehen.
Metall: Abstandhalter aus Metall sind aufgrund ihrer Korrosionsgefahr im Brückenbau nicht üblich. Beispiele aus der Praxis zeigen einzelne Anwendungen.
Quelle: Konzeption zur Bestimmung von Lage und Anzahl asbesthaltiger Abstandshalter in Betonbrücken, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Brücken- und Ingenieurbau Heft B 200; downloadbar unter: https://bast.opus.hbz-nrw.de/frontdoor/index/index/docId/2953