Restaurierung der Raumschale des Kaiserbahnhofs in Halbe
Rund um Berlin entstanden im 19. Jahrhundert drei Kaiserbahnhöfe – einer davon in Halbe. Dessen prächtig ausgemalte Raumschale wurde nun unter Leitung des Büros ZappeArchitekten vom Restauratorenkollektiv Schwarzer/Ricken aufwendig restauriert.
Kaiserbahnhöfe dienten dazu, „höchste und allerhöchste Herrschaften“ zu empfangen. Hierzulande errichtete man nach der Mitte des 19. Jahrhunderts insgesamt acht Kaiserbahnhöfe. Sie bestanden aus einem großen öffentlich zugänglichen Gefolgesaal und einem kleinen Saal, der nur für den Kaiser bestimmt war – der Kaisersaal. Rund um Berlin gibt es noch drei Kaiserbahnhöfe: einen in Potsdam, einen in Joachimsthal und einen in Halbe. Letzterer entstand im Zuge des Streckenausbaus von Berlin nach Cottbus und weiter nach Görlitz 1865 nach Plänen des Architekten August Orth für den späteren deutschen Kaiser Wilhelm I.Dank seiner vier Türme erinnert der Bahnhof außen an ein Kastell und wurde im Inneren mit gewölbten Decken und Malereien prachtvoll ausgestaltet.
Mit der Abschaffung der Monarchie 1918 verlor der Bahnhof seine ursprüngliche Funktion, verfiel zunächst und wurde in den 1950er-Jahren zu einem Wohnhaus für Eisenbahner und ihre Familien umgebaut. In den 1990er Jahren verfiel der ehemalige Kaiserbahnhof erneut. In diesem Zustand entdeckte ihn der Neuseeländer Peter Macky, der ein ausgesprochenes Faible für die deutsche Geschichte hat, zufällig bei einem Ausflug ins Berliner Umland. Sofort begeistert vom einzigartigen Bahnhofsgebäude erwarb er dieses, um es mit einer neuen Nutzung wieder zum Leben zu erwecken.
Restaurierung und Ergänzung
Mit der Planung der rund 900 000 Euro teuren Restaurierung und Umnutzung beauftragte Peter Macky das Berliner Architekturbüro ZappeArchitekten. Vor diesem hatten sich bereits fünf Architekturbüros an der Sanierungsplanung versucht. „Nach einigen unvollendeten Sanierungsmaßnahmen übernahmen wir das Projekt im Jahr 2015. Nach Originalplänen des Architekten August Orth restaurierten wir den historischen Zustand des Bahnhofs annähernd, indem wir die Säle und Innenräume des Erdgeschosses wiederherstellten. Dabei blieben entstandene Fehlstellen, zum Beispiel an Wandmalereien, dem letzten vorhandenen Kapitell und der Fassade erhalten und werden auch zukünftig ablesbar sein“, beschreibt Stefan Zappe die Herangehensweise der Architekten an den historischen Bestand.
Der kleine Kaisersaal, der – wie der Name schon sagt – dem Kaiser vorbehalten war, nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten im vergangenen Jahr Foto: Ulrich Schwarz
Foto: Ulrich Schwarz
Zudem ergänzten die Architekten das Bahnhofsgebäude um ein schlichtes Nebengebäude in Massivbauweise, dessen Fassade die Stuckateure in einer alten Putztechnik gestalteten. Hierfür verwenden sie geschredderten Ziegelsplitt aus Restziegeln des Kaiserbahnhofs, die als Zuschlag dem Putzmörtel beigegeben wurden.
Während das historische Bahnhofsgebäude als Café und für Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt wird, befinden sich im Nebengebäude die Sanitärräume, die Küche und ein Lagerraum. Das Dachgeschoss des Kaiserbahnhofs wurde zu einer Ferienwohnung ausgebaut.
Restaurierung der historischen Wand- und Deckenflächen
Zunächst galt es für die Maurer, die Überreste der Umnutzung des Bahnhofs in ein Wohnhaus zurück zu bauen. Dies betraf vor allem die in den 1950er Jahren hinzugekommenen Zwischenwände, in die man auch die historischen Sandsteinsäulen integriert hatte. Zu den Einbauten dieser Zeit zählte auch die begehbare Zwischendecke, die man unterhalb der Kuppeldecken eingezogen hatte. Einen Bogen, den man seinerzeit zu einer großen Öffnung erweitert hatte, um in den niedrigen Lagerraum oberhalb der Zwischendecke zu gelangen, mauerten die Handwerker auf einer Rundlehre wieder auf den ursprünglichen Zustand zurück.
Der große, schon nach der Mitte des 19. Jahrhunderts öffentlich zugängliche Gefolgesaal im Kaiserbahnhof in Halbe nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten im vergangenen Jahr
Foto: Ulrich Schwarz
Nachdem die Maurer auch die Zwischendecke entfernt hatten, tauchte zur Überraschung der Architekten und Restauratoren darunter die vergleichsweise gut erhaltene, dekorativ bemalte Kuppeldecke auf. Nur rund ein Viertel der Oberflächen war aufgrund eingedrungener Feuchtigkeit an den Kuppeldecken beschädigt. Ein Teil des an den Ziegelgewölben noch vorhandenen losen Bestandsputzes ließ sich mit einer Stützkonstruktion aus Schichten von Papier, Styropor und Hartfaser wieder befestigen und anschließend durch gezieltes Hinterspritzen mit Ledan als Hinterfüllmaterial auf Kalkbasis wieder an die Oberfläche der Ziegel anbinden. Dort wo der Originalputz aufgrund von Feuchteschäden zu sehr in Mitleidenschaft gezogen war, mussten die Ziegelgewölbe mit Kalkputz und einem Kalkmörtel mit leicht hydraulischem Zusatz neu verputzt werden. Hierzu fertigte sich Stuckateur Ryszard Gomula vom polnischen Stuckateurbetrieb Wrobud entsprechende Lehren aus Holz an, damit er die Putzflächen der Bögen und Gewölbe sauber abziehen konnte. „Mit dem Stuckateurbetrieb Wrobud, der auch einen Sitz in Berlin hat, arbeiten wir schon seit Jahrzehnten zusammen“, berichtet Restaurator Klaus Ricken vom Restauratorenkollektiv Schwarzer/Ricken, das für die Restaurierung der Raumschale zuständig war. Anders sah die Lage bei den Putzoberflächen an den Wänden aus. Hier fehlte der Putz nämlich komplett. „Nur oberhalb der Zwischendecke waren noch originale Putzoberflächen an den Wänden vorhanden. Diese haben wir auf die Wandoberflächen unterhalb der einstigen Zwischendecke übertragen“, erklärt Klaus Ricken.
Reproduktion der Stuckelemente
Der weit überwiegende Teil der Stuckstäbe war an den Gewölberippen noch gut erhalten. Nichtsdestotrotz richtete sich Stuckateur Ryszard Gomula im Vestibül seine Werkstatt ein, um dort fehlende Stuckstäbe für die Rippen der Gewölbedecken zu reproduzieren. Die korinthischen Kapitelle der Sandsteinsäulen und Pilaster fehlten hingegen so gut wie vollständig. „Von den originalen Kapitellen war nur noch ein einziges an einem der Pilaster vorhanden“, erinnert sich Architekt Zappe. Und dieses Kapitell war obendrein auch nur noch zu zwei Dritteln vorhanden. „Zusammen mit dem Stuckateur haben wir das Kapitell ergänzt und auch auf die Rundsäulen übertragen. Das war nicht ganz einfach, aber eine sehr spannende Aufgabe“, so Restaurator Ricken. Das rekonstruierte Kapitell formte Stuckateur Gomula mit einem zweikomponentigen Silikonkautschuk ab und goss in die so entstandene, von einem Gipsmantel gestützte Negativform, den Stuckgips für die Reproduktion dieser Zierelemente.
Die Stuckateure bereiten im Gefolgesaal an den Säulen die Montage der reproduzierten Kapitelle vor
Foto: ZappeArchitekten
Aber nicht nur die Kapitelle der Säulen waren nicht mehr vorhanden, auch die Basis der meisten Säulen fehlte oder war so sehr beschädigt, dass sie erneuert werden musste. Das Basenprofil ließ sich anhand der Maße der Fußplatte (Plinthe) und den Resten des Profils (Hohlkehle am Schaft) rekonstruieren. Dieses Profil übertrug Ryszard Gomula auf eine Profillehre aus Metall, mit der er die Basis am Säulenfuß neu ziehen konnte.
Wiederherstellung der dekorativen Malerei
Nach der Reinigung ließen sich die Malereien aus Leimfarbe durch gleichmäßiges Aufsprühen von in Wasser gelöster Methylcellulose zum Teil so gut festigen, dass sie nun fast wischfest sind. Aufstehende Malschichten besprühten die Restauratoren bis zur Durchfeuchtung mehrfach und drückten sie dann vorsichtig mit in Hostaphanfolie gewickelte Baumwolle wieder an.
„Ursprünglich wollten wir eine farbliche Ergänzung durch eingefärbte Putze, keine Ergänzungen der Malerei“, sagt Restaurator Klaus Ricken. Das Fragmentarische sollte also sichtbar bleiben. So hatten es Klaus Ricken und Hartmut Schwarzer mit ihrem Team bereits am Neuen Museum in Berlin ausgeführt. „Wir haben uns dann aber doch entschieden, eine komplette Restaurierung mit allen Oberflächen zu machen“, so Restaurator Ricken. Im Gefolgesaal führten sie ihre Arbeiten mit Leimfarbe aus, im Kaisersaal mit den hochwertigeren Ölfarben, wobei die Malereien an der flachen Kuppel des Kaisersaals so irreversibel verschmutzt waren, dass die Restauratoren ihre Retuschen hell überlasierten.
In den Zwickeln der Gewölbedecken fanden sich im Kaisersaal noch Malereien mit Engels- und Rankenmotiven, die jedoch nicht mehr in allen Zwickeln vorhanden waren. „Diese haben wir abgepaust und mit einer Lochpause auf die Fehlstellen als Konturen übertragen, um sie dann in nachgemischten Farben auszumalen. Für die sehr filigranen Konturlinien eigneten sich lange Rindshaarpinsel am besten, die lasierten Farbschattierungen haben wir in Rot, Ocker, Grün und Blau mit Aquarellpinseln aufgetragen“, so Klaus Ricken.
Im Gefolgesaal ergänzten die Restauratoren die Schablonenmalerei der Mittelrosette durch Spiegelung und Übertragung in unvollständige Ornamentbereiche
Foto: ZappeArchitekten
Ganz ähnlich verfuhren die Restauratoren im Gefolgesaal mit der Schablonenmalerei der Mittelrosette. Auch von dieser nahm Restaurator Ricken eine Pause ab. Die zum Teil durch Spiegelung und Übertragung in unvollständige Ornamentbereiche ergänzte Zeichnung war für den Restaurator Grundlage für die Schablone, die er für eine Hälfte der Mittelrosette herstellte. Dem Befund entsprechend führte er die Schablonierung in den Fehlstellen und an der neugefassten Seite in changierenden ocker-grünen und rotbraunen Farbtönen aus.
Im Vestibül fanden die Restauratoren nur noch am Standort einer Wand, die die Maurer abgerissen hatten, auf der Fläche einer Steinbreite unter der Decke einen Rest der ursprünglichen Deckengestaltung dieses Raums. Die dort vorgefundene Linierung übertrugen sie anschließend auf den Rest der Decke im Vestibül.
Fazit
Nicht alles wurde von der Raumschale im Kaiserbahnhof in Halbe bis ins kleinste Detail rekonstruiert. An manchen Stellen sind die Spuren ablesbar, die die Zeit dem Original zugefügt hat. Zum überwiegenden Teil wurde die historische Gestaltung jedoch wiederhergestellt, was handwerklich nicht immer einfach war, da an manchen Stellen vom Original so gut wie gar nichts mehr vorhanden war. Davon, dass die Handwerker und Restauratoren ihre Arbeiten mit großem Können ausgeführt haben, kann man sich bei einem Besuch des im vergangenen Jahr wiedereröffneten Bahnhofsgebäudes in Halbe überzeugen. Ein Umweg lohnt sich.
AutorDipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr Kaiserbahnhof Halbe Limited, Peter Macky, Berlin
Architekten ZappeArchitekten, Berlin, www.zappearchitekten.de
Statik IB Krone, Berlin, www.ibkrone.de
Restaurierung Restauratorenkollektiv Ricken/Schwarzer, Klaus Ricken, Berlin, www.restauratorenkollektiv.de
Bauarbeiten Generalbau Schubert + Partner, Cottbus, www.generalbaugmbh.de
Stuck- und Putzarbeiten Firma Wrobud, Ryszard Gomula, Berlin, www.wrobud.de
Herstellerindex (Auswahl)
Hinterfüllmaterial Ledan, Kremer Pigmente, Aichstetten, www.kremer-pigmente.com
Kalkputz Kalkputz Klima, Baumit, Bad Hindelang, www.baumit.de
Rajasil KP, Heck Wall Systems, Marktredwitz, www.wall-systems.com
Hydraulischer Kalk, Zement- und Kalkwerke Otterbein, Großenlüder-Müs, www.zkw-otterbein.de
Abformmasse aus Silikonkautschuk EcoSil, Reckli, Herne, www.reckli.com
Leim- und Ölfarben Kreidezeit Naturfarben, Lamspringe, www.kreidezeit.de