Umbau eines Schafstalls zum Wohnhaus
Aus einem 250 Jahre alten Schafstall in Gütersloh sollte ein Wohnhaus werden. Für das mit der Umbauplanung betraute Büro Spooren Architekten galt es dabei, nicht nur die Substanz zu sanieren, sondern neben viel Tageslicht auch den Dämmstandard eines Neubaus ins Haus zu holen.
Man erkennt sofort, dass dieses Gütersloher Fachwerkhaus einmal ein Wirtschaftsgebäude war. Die doppelte Deelendurchfahrt und der hohe Natursteinsockel weisen es als ehemaligen Schafstall aus. Der hohe Sockel war wegen der Tiere notwendig. Die hätten sonst – vor allem im Winter dicht aneinandergedrängt – die Wände auseinander gedrückt und das Fachwerk zum Einsturz gebracht. Die doppelte Deelendurchfahrt erlaubte den Bauern, die Schafe zur gleichen Zeit auf ein- und derselben Gebäudeseite durch das eine Deelentor herein- und durch das andere herauszutreiben.
Sockelarbeiten
60 cm hoch musste der Natursteinsockel sein, damit die Schafe den Stall nicht auseinander drücken konnten. Doch als die mit der Umbauplanung beauftragte Architektin Mareike Busker den 1751 erbauten Viehstall gemeinsam mit ihrem Bauherrn besichtigte, sah sie sich mit einem nur noch 35 cm hohen Sockel konfrontiert. Das lag daran, dass das Gelände um ein Gebäude herum auf dem Lande in der Regel jedes Jahr um etwa 1 mm anwächst. Das macht bei einem rund 250 Jahre alten Haus 25 cm. Dies gefiel dem Bauherrn gar nicht, der den Schafstall zum Wohnhaus umbauen lassen wollte. Tageslicht war ihm besonders wichtig. Um möglichst viel davon ins Gebäude zu bekommen, müsste dieses aber auf einem Hügel stehen und nicht in einer Mulde versinken. „Wir haben das Gelände ums Haus herum um diese 25 cm abgetragen, damit wir es nicht komplett an einen anderen Ort versetzen mussten“, erklärt Mareike Busker. Und die Gütersloher Architektin weiß wovon sie spricht, denn sowohl der Umbau von Ställen und Remisen als auch die Translozierung ganzer Gebäude gehört zum Leistungsspektrum des Büros.
Das Gelände musste aber auch noch aus einem weiteren Grund abgegraben werden. „In dem Teil des Gebäudes, in dem der Schäfer gewohnt hatte, war der Sockel insgesamt nur 25 cm hoch“, erzählt Architektin Lisa Spooren, Partnerin im Büro Spooren Architekten. Damit reichte das angewachsene Gelände bis an das Schwellholz der Fachwerkkonstruktion heran, weshalb dieses verrottet war. Die Schwellhölzer auf dem Natursteinsockel im Stallteil waren dagegen tadellos. Also musste nicht nur das Gelände abgetragen, sondern von den Zimmerleuten auch die Schwellhölzer der Schäferwohnung ausgetauscht werden.
Energetische Entkopplung der Natursteinsockel
Sowohl die Sockel im Stallteil als auch die der Schäferwohnung mussten neu aufgemauert werden. Hierzu hängten die Handwerker das Fachwerk zunächst abschnittweise an Spanngurten auf. Die alten Sockel wurden zunächst genauestens fotografisch dokumentiert, um sie später genauso wieder aufmauern zu können, und dann entfernt, um darunter neue Fundamente zu betonierten. Als nächstes folgte eine Bodenplatte aus Stahlbeton. Ohne eine energetische Entkopplung der neu aufgemauerten Natursteinsockel von der Bodenplatte hätten die Sockel im Winter die Kälte geradezu aus dem Boden gesogen – eine typische Wärme- beziehungsweise Kältebrücke. Das Kondenswasser wäre von den Natursteinen nur so heruntergelaufen. Damit dies nicht geschieht, mauerten die Handwerker die Sockel auf druckfesten Porenbetonsteinen auf der neuen Betonsohle auf. Die wurde darüber hinaus 16 cm dick mit Polystyrol unter dem Heizestrich gedämmt. Von innen mauerten die Handwerker eine Schale aus Kalksandstein vor die Natursteinsockel und dämmten sie vertikal mit einer Polyurethanplatte, so dass nur von außen zu erkennen ist, dass die Sockel aus Naturstein gemauert sind. Besonders knifflig wurden die Dämmarbeiten für die Handwerker auf der Gebäuderückseite. Nämlich dort, wo die im Gebäude den Deelendurchfahrten folgenden Natursteinsockel die gedämmte Hülle durchdringen, damit in der rechten der beiden Durchfahrten eine Loggia entstehen kann. Damit die Dämmebene durch die Natursteinsockel weitergeführt werden kann, mussten sie mit einer Polyurethanplatte geteilt und der geteilte Sockel um den gedämmten Kern aus Polyurethan herumgemauert werden.
Fachwerkwand zurückversetzt
Der Gütersloher Schafstall ist ein dreischiffiges Vierständerhaus. Vier Reihen geschossübergreifender Stiele tragen das Fachwerk. Schafe waren darin aber nur rund 150 Jahre lang untergebracht. Ihnen folgten Kühe. Deren Fütterung und das Ausmisten der Ställe war für die Bauern und für deren Kinder, die mit diesen Aufgaben betraut waren, ein durchaus gefährliches Geschäft. Immer wieder kam es zu Verletzungen durch die Kühe. Folgerichtig kam es vor gut 120 Jahren in der Viehhaltung zu einer kleinen Revolution: Ein Mistgang wurde angebaut, der eine weitgehend gefahrlose Reinigung der Ställe erlaubte. „Das einzige, was einem da noch passieren konnte, war, dass man angeschissen wurde“, schmunzelt Thomas Spooren. Üblicherweise baute man die Mistgänge seinerzeit an den Abseiten der Fachwerkgebäude außen an. Nicht so in Gütersloh. Dort versetzte man stattdessen eine Ständerreihe im Fachwerk nach innen, um hinter der bestehenden Außenwand Platz für den Mistgang zu schaffen. Diese Fachwerkwand wurde im Zuge der Umbauarbeiten von den Handwerkern an ihren ursprünglichen Platz zurückversetzt.
Sanierung der Gefache
Anfänglich waren die Gefache des 2013 unter Denkmalschutz gestellten Stallgebäudes mit Lehm gefüllt. „Man sieht das noch an den Nuten zur Aufnahme der Staken des Weidengeflechts, die überall am Fachwerk zu sehen sind“, sagt Architekt Spooren. Schon bald hatte man aber auch im landwirtschaftlichen Fachwerkbau erkannt, dass Lehm der Viehhaltung wenig Widerstand entgegenbringt und die Gefache mit Backsteinen gefüllt. Die waren zu Beginn der Sanierungs- und Umbauarbeiten auch im Gütersloher Fachwerkhaus noch vorhanden, aber in der für die damalige Zeit schlechten Qualität. „Die alten Backsteine waren brüchig und zu weich gebrannt“, erinnert sich Lisa Spooren. „Wir konnten sie nicht wiederverwenden.“
Für die Fachwerksanierung des ehemaligen Schafstalls war es ein Vorteil, dass das Haupt- und das Wirtschaftsgebäude der Hofstelle im April 2013 abbrannten. Der „Feuerteufel aus dem Rhedaer Forst“ hatte die Scheune, den Schaf- und den Hühnerstall verschont. Das Haupthaus der Hofstelle hatte man vor gerade mal 100 Jahren aus deutlich hochwertigeren Ziegelsteinen erbaut. Da es zu Beginn der Bauarbeiten am ehemaligen Schafstall Mitte 2014 nur noch eine Ruine war, diente es als Ziegelsteinlieferant für die Gefachsanierung.
Schilf und Lehm auf den Fachwerkwänden
Im Gebäude ist noch ein original auf Weidengeflecht mit Lehm verputztes Gefach erhalten. Dass Lehm und Fachwerk sich besonders gut vertragen, ist hinlänglich bekannt. Da lag es nahe, das Baumaterial, das schon unsere Altvorderen für den Fachwerkbau nutzten, im Zuge der Sanierung auch im Inneren des Hauses wieder zum Einsatz zu bringen. Die Handwerker brachten auf das historische Eichenfachwerk der Außenwände von innen zum Ausgleich eine etwa 8 cm starke Lehmschicht auf und befestigten darüber auf einer Holzständerkonstruktion Schilfrohrmatten, die sie anschließend mit Lehm verputzten. Den 12 cm dicken Zwischenraum füllten sie zur Dämmung mit Blähton, an den Seiten mit Holzwolle-Leichtbauplatten, die das Herausrieseln des Granulats zu verhindern. Dieser Wandaufbau ist kapillaraktiv und dampfdiffusionsoffen, so dass Tauwasser sowohl nach außen als auch nach innen schnell wieder abtrocknen kann.
Wärmedämmung im Dach- und Obergeschoss
Wärmedämmung findet neben der Bodenplatte vor allem im Dach- und Obergeschoss statt: Hinter den beiden mit Brettern verschalten Giebelwänden befindet sich ein Holzständerwerk, in das die Handwerker 28 cm dick Zelluloseeinblasdämmung einbrachten. 5 cm dicke Mineralfasermatten sorgen in der Installationsebene darüber für eine weitere Verbesserung des Wärmeschutzes. Zwischen den Kehlbalken des Dachstuhls, auf denen die Obergeschossdecke liegt, verwendeten die Handwerker eine 20 cm dicke Variante der Mineralfasermatten als Dämmung. In Verbindung mit den dreifach verglasten Holzfenstern erreicht der ehemalige Schafstall nun den Dämmstandard eines Neubaus.
Nachdem die Sanierungs- und Umbauarbeiten Mitte vergangenen Jahres abgeschlossen wurden, überprüften Mitarbeiter des Büros Spooren Architekten die Dämmung und vor allem die Dichtigkeit des Gebäudes im Februar 2017 per Thermografie – und entdeckten dabei kleinere Leckagen. Das lag zum Beispiel daran, dass die Zimmerleute für die Schwellen frisches Holz verwenden mussten. „Das Holz schrumpft. Oben und unten ist das kein Problem, da sich das Gebäude noch setzt. Links und rechts mussten wir die Spalten mit Spritzkork verschließen. Früher hat man auch das mit Lehm gemacht“, erklärt Architekt Spooren. Eine solche Nachbesserung liegt in der Natur der Sache, also im Holz selbst, begründet.
Die eingangs beschriebene Abgrabung des Geländes reichte bei weitem nicht aus, um ausreichend Tageslicht in das mit Fenstern nicht gerade verwöhnte Stallgebäude zu bekommen. Vor allem durch die Tore der Deelendurchfahrten gelangt heute zu beiden Seiten viel Licht ins Erdgeschoss. Sie sind hinter der Außenwand nach innen versetzt und mit einer grau gestrichenen Pfosten-Riegel-Konstruktion aus sibirischer Lärche großzügig verglast. Auf der Südseite setzten die Tischler neben einer verglasten Balkontür zwei Reihen quer übereinander angeordneter Holzfenster ein, die deutlich als Zutat unserer Zeit zu erkennen sind. Auf diese Weise wird etwa die Hälfte der Fachwerkfassade auf der Südseite des Hauses für das Tageslicht geöffnet. Ins Dach- und Obergeschoss gelangt das Tageslicht durch drei Fenster einer Gaube, die auf der Südseite ins Satteldach eingebaut wurden. Für noch mehr Licht im Dach- und Obergeschoss sorgen die in den Giebelseiten eingebauten Fenster. Mit dieser „Ausbeute“ an Tageslicht ist der Bauherr hochzufrieden, auch ohne dass man das ganze Gebäude auf einen Hügel gestellt hätte.
Autor
Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.
Baubeteiligte (Auswahl)
Planung Spooren Architekten, Gütersloh
Mareike Busker, Lisa und Thomas Spooren
Zimmerer-, Dachdecker- und Lehmbauarbeiten
Zimmerei Jan Reckmann, Steinhagen
Fenster, Türen und Innenausbau Tischlerei Lasse Reckmann, Steinhagen
Malerarbeiten Rickmann-Rehage, Gütersloh
Herstellerindex (Auswahl)
Lehm und Schilfrohrmatten Conluto, Blomberg,
Holzwolle Steico, Feldkirchen, www.steico.com
Zellulose-Einblasdämmung Thermofloc,
Feistritz/Drau, www.thermofloc.de
Trockenbauwände „Rigidur“ Gipsfaserplatten,
Saint-Gobain Rigips, Düsseldorf, www.rigips.de