Haus Buchthal in Berlin umgebaut

Was zunächst aussieht wie ein profaner Bau aus den Sechzigern, entpuppt sich in Berlin als architektonische Rarität: Dank der Sanierung des Hauses Buchthal blieb nicht nur das Gebäude, sondern auch seine spektakuläre Geschichte erhalten.

Im Berlin der 1920er Jahre ließ das Ehepaar Thea und Eugen Buchthal 1922/23 eine Villa errichten, die inmitten der zurückhaltenden Gebäude der Umgebung wie ein Raumschiff gewirkt haben muss: Kristalline Formen, markige Ecken und schneidige Kanten an Gebäude und Mobiliar. Leuchtende Farben und erlesene Kunst überall: Mit Haus Buchthal schufen die Brüder Wassili und Hans Luckhardt und ihr Büropartner Franz Hoffmann ein Glanzstück des Expressionismus der 1920er Jahre. Doch das Leben, der Alltag in diesem Gesamtkunstwerk stellte sich für die Buchthals und ihre drei Kinder schnell als schwierig heraus. Die öffentlichen, repräsentativen Räume waren riesig, die privaten der Familie dagegen viel zu klein. Der kantige Bau bescherte seinen Bewohnern nicht nur neugierige Blicke, sondern auch blaue Flecken. So dauerte es damals kaum fünf Jahre, bis die Eheleute den Entschluss fassten: Das Haus wird umgebaut!

Freud wandelt Expressionismus in Bauhaus um

Sie beauftragten Ernst Ludwig Freud, den Sohn des berühmten Psychoanalytikers. Er orientierte sich mit seinen Entwürfen an den Ideen der Bauhaus-Bewegung und gestaltete das Haus grundliegend um – hin zum Stil der Neuen Sachlichkeit. Eine gestalterische Kehrtwende. Freud vereinfachte die Grundrisse und setzte ein zweites Geschoss auf die große Dachterrasse, um den Bewohnern mehr Platz zu verschaffen. Wo eben noch kristalline Formen und knallige Farben den Betrachter fesselten, kam das Haus nun schlicht und hell, geradlinig und zurückhaltend daher. Lange freuen konnten sich die Buchthals an ihrer Villa jedoch nicht. Die politische Entwicklung im Deutschland der 30er Jahre zwang die jüdische Familie ins Exil. Ihr Haus wie auch die Kunstsammlung mussten die Eheleute veräußern. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebten einige Studenten zur Miete im Haus, einer von ihnen Dietrich Fischer-Dieskau: Der Lied- und Opernsänger kaufte das Haus, das im Laufe der Zeit etliche weitere Umbauten erfuhr. Fast 50 Jahre lang blieb es in seinem Besitz.

Renovierung fördert Ursprung zu Tage

Die expressionistischen Wurzeln des Hauses, sein Umbau zur Neuen Sachlichkeit, all das geriet mit der Zeit in Vergessenheit, bis Ursula Seeba-Hannan 2015 mit ihrem Unternehmen, der LenzWerk Holding GmbH, das unspektakulär anmutende Gebäude zu renovieren begann. Bloß: Die alten Grundrisse des Gebäudes von 1922 und 1928 wollten so gar nicht zu dem Haus passen, das sie in Berlin vor sich sah. „Ich dachte zuerst, das Haus könnte aus den sechziger Jahren stammen. ‚Falscher Bauhaus’, das war mein erster Eindruck. Die Grundrisse haben aber schnell gezeigt, dass da etwas anderes dahintersteckt“, erinnert sie sich. Ihre Neugier war geweckt. Gemeinsam mit den neuen Besitzern recherchierte Seeba-Hannan in den Archiven und brachte so die unglaubliche Geschichte der Villa Buchthal zurück ans Licht. Wie schließlich soll man so ein Gebäude renovieren, ohne seine Historie zu verstehen?

„Der Anspruch war, dem Haus und seiner Vergangenheit genauso gerecht zu werden wie den Ansprüchen seiner heutigen Bewohner. Ich bin deshalb durch das Objekt gegangen und habe mich gefragt: Was will das Haus? Was will der Raum?“, so Seeba-Hannan. So nahm sie sich die Grundrisse vor und ließ Wände und Einbauten entfernen. Sie baute von den Luckhardt-Brüdern entworfene Pergolen wieder auf, um ein harmonisches Gesamtbild mit der Terrasse zu erzielen. Tauschte die 80 vorhandenen, bunt zusammengewürfelten Fenster gegen eigens von Timm Fensterbau für das Haus Buchthal entwickelte, neue Fenster aus. „Die größte Herausforderung war es, ein stimmiges Gesamtwerk zu schaffen“, erzählt die Architektin weiter. „Ich wollte keine spektakulären Einzelteile zeigen, sondern dass es seine Bewohner und Besucher als
ein Ganzes umfängt.“ So präsentiert sich die Villa Buchthal heute nicht in ihrem Urzustand aus dem Jahr 1922, sondern vereint Elemente sowohl aus Expressionismus als auch aus neuer Sachlichkeit zu einem harmonischen Gesamteindruck.

Farbbefund mit Freilegetreppen

Dazu trägt auch die außergewöhnliche Farbwahl im Haus Buchthal bei. Den Farbbefund übernahm die Firma Caparol mit einem spezialisierten Kirchenmaler und Restaurator, der mit detektivischem Gespür zu Werke ging. „Mit Skalpellen und Glasfaserradierern haben wir sogenannte Freilegetreppen angelegt und die alten Farben Schicht für Schicht herausgearbeitet“, erklärt Hans Metzger, Leiter der Caparol-Baudenkmalpflege und verantwortlich für die Marke „Histolith“. Mehr als 50 verschiedene Farbtöne kamen dabei zum Vorschein, „darunter Ocker- und Grüntöne, so satt, dass sie jemanden mit dem heutigen Empfinden fast erdrücken. Die Farben waren damals vor allem künstlerisch ausdrucksstark, aber wenig wohnlich“, erinnert sich Metzger. Deshalb haben sich die Projektbeteiligten entschieden, die Farben pointierter als im ursprünglichen Entwurf der Luckhardt-Brüder einzusetzen. Das Wohnzimmer zum Beispiel ist ­damals wie heute in einem Grünton gehalten, der Eingangs-Treppenbereich leuchtet gelb. Gezielte Schattie­rungen sorgen dabei für eine angenehme Raumatmosphäre.

Fassade in abgetöntem Weiß

Sowohl innen als auch außen setzte die LenzWerk Holding AG, die auch für die Ausführung der Malerarbeiten verantwortlich war, auf die „Histolith“-Produktgruppe aus dem Hause Caparol. „Die ,Histolith‘-Produkte sind besonders gut für denkmalgeschützte Gebäude und Altbauten geeignet“, erklärt Caparol-Außendienstler und „Histolith“-Fachberater Lars Mutschall, der die Arbeiten am Haus Buchthal betreut hat. „In solchen Objekten empfiehlt es sich, minera­lische Werkstoffe zu verwenden: ,Histolith‘-Produkte sind ausgesprochen wasserdampfdurchlässig und ­ermöglichen gleichzeitig die Darstellung brillanter Farbtöne.“ Die Fassade der Villa erstrahlt heute auf Anraten von Gabriele Gerlach vom Caparol FarbDesignStudio in einem schlichten, nur leicht abgetönten Weiß. „Da das äußere Erscheinungsbild des Hauses zwischenzeitlich dem Bauhaus-Stil so viel näher war als dem Expressionismus, erschien uns das zurückhaltende Weiß richtig und passend“, erzählt sie.

Entdeckung aus dem Expressionismus

Unscheinbar wirkt die Fassade des Hauses heute dennoch nicht – im Gegenteil. Zu verdanken ist das einer großen Überraschung. Als nämlich der Bauleiter im Sturz über der Haustür eine Lampe anbringen wollte, stellte er fest: Da geht es noch weiter. Hinter der Verschalung fand sich ein original expressionistisches Portal aus dem Jahr 1922. „Die Phase, in der wir die Verschalung abgenommen und geschaut haben, was sich dahinter befindet, war wahnsinnig aufregend. Eigentlich wollten wir die Freud-Fassade in ihrer Schlichtheit belassen. Aber wenn man dann so etwas findet, ein echtes Kulturzeugnis, muss man es natürlich auch wieder rausholen“, schwärmt Seeba-Hannan. „Heute denken viele Passanten sogar, dass das Haus eine Kirche ist, weil es so besonders aussieht. Wir sind zwar spezialisiert auf Denkmalschutzthemen – aber so etwas hatten wir wirklich noch nie.“

Autorin

Katharina Mandlinger M.A. studierte Soziologie und Philosophie in Osnabrück und arbeitet heute als Freiberuflerin für B2B-Kommunikation in Hamburg.

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Planung Ursula Seeba-Hannan, Lenzwerk Konzept GmbH, Berlin, www.lenzwerk.com

Befund und Beratung Hans Metzger und Lars Mutschall, Caparol, Ober-Rahmstadt, www.caparol.de

Farbgestaltung Gabriele Gerlach, Caparol FarbDesignStudio, Ober-Rahmstadt, www.caparol.de

Sanierungs-, Umbau- und Malerarbeiten Lenzwerk Holding AG, Berlin, www.lenzwerk.com

Fensterbau Hans Timm Fensterbau, Berlin,

www.timm-fensterbau.de

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