Konviktgebäude in Lohr wird Wohnhaus
In Lohr verwandelte die top-bautäger gmbh das ehemalige Aloysianum in ein Mehrfamilienhaus. Keine leichte Aufgabe: Zum einen steht das ehemalige Knaben-Konvikt unter Denkmalschutz, zum anderen liegt es in einem Hochwassergebiet.
Wer am Mainufer entlangfährt und sich der Altstadt von Lohr von Süden nähert, wird von einem imposanten alten Konviktgebäude begrüßt. Die von einem kleinen Glockenturm bekrönte, langgestreckte Mehrflügelanlage wurde 1911 in den Formen eines leicht barockisierenden Historismus errichtet. Die Marianhiller Missionare nutzten das Gebäude als Internat. Im Zweiten Weltkrieg diente es vom Massenquartier für Vertriebene über ein Hilfskrankenhaus / Reservelazarett bis zur amerikanischen Besatzung, ansonsten aber stets als Bildungsstätte und Schülerheim. Seine kirchlichen Ursprünge lassen sich bis heute an der Kapelle ablesen, deren halbrunde Apsis den nördlichen Abschluss der gesamten Anlage bildet.
2003 endete der Internatsbetrieb, und es dauerte zehn Jahre, bis sich eine neue Nutzung fand: Im Mai 2012 erwarb die top-bauträger gmbh aus Villingen-Schwenningen das Gebäude, um es nach Plänen des Büros Burkhardt-Architekten aus Überlingen zum Mehrfamilienhaus umzubauen. 48 Eigentumswohnungen mit Flächen zwischen 53 und 132 Quadratmeter sind seither entstanden.
Neubeginn nach 100 Jahren Unterricht
Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, warf die neue Nutzung diverse Fragen auf: Wie lassen sich die einzelnen Einheiten mit Balkonen ausstatten, ohne dass dabei der ursprüngliche Charakter des Schulbaus verloren geht? Die Lösung war ein Kompromiss: Die Hauptfassade zur Straße musste von Anbauten freigehalten werden, und Balkone, Terrassen und Dachloggien durften nur auf der Rückseite und an den Seiten entstehen. Alte Fenster wurden dabei soweit möglich mit den historischen Gläsern erhalten. Wo Fenster neu hergestellt werden mussten, wurden sie mit dem Denkmalsamt hinsichtlich der Sprossenteilung, der Beschläge und Profile abgestimmt.
Auch im Inneren gibt es Bereiche, wo das Flair der früheren Schule noch zu spüren ist, etwa im großen Treppenhaus hinter dem Haupteingang. Hier wurden Details wie der Terrazzoboden oder die Werksteinstufen, die eisernen Geländer und die geschwungenen Holzhandläufe erhalten und restauriert. Die Kapelle blieb unverändert. Die Wohnungen bieten hingegen den heutigen Wohnstandard.
Vielschichtiger Schutz vor den Fluten
Da der Umbau insgesamt einen hohen Aufwand verursachte, war es für die Wirtschaftlichkeit des Projekts wichtig, auch die unteren Geschosse für Wohnzwecke nutzen zu können – das Aloysianum steht auf leicht abfallendem Gelände, so dass manche Räume ebenerdig, manche im Hoch- und andere wieder im Tiefparterre liegen. Die größte Herausforderung war hierbei der Hochwasserschutz. Wegen der Nähe zum Mainufer galt es, das Bauwerk vom Keller bis 1,5 m über Geländeoberkante gegen drückendes Wasser abzudichten. Hier zogen Burkhardt-Architekten die Remmers Fachplanung hinzu. Gemeinsam erarbeitete man ein umfassendes Abdichtungskonzept, das sich wegen der komplexen Situation im Altbau aus vielen unterschiedlichen Einzelkomponenten zusammensetzt.
Zunächst erhielten die Wohnungen im unteren Stockwerk neue Bodenplatten aus Stahlbeton. Diese wurden von oben mit „Profi Baudicht 2K“, einer kunststoffmodifizierten Dickbeschichtung mit Gummifüllstoffen, versehen. Die Außenwände in diesem Geschoss wurden von innen geschlämmt, um einen lückenlosen Anschluss an die vertikale Abdichtungsebene zu ermöglichen. Zur Vorbereitung verschlossen die Handwerker tiefliegende Fugen, raue Oberflächen und Ausbruchstellen im Mauerwerk mit „Dichtspachtel“ von Remmers. Weil er sich in Dicken bis zu 50 mm in einem einzigen Arbeitsgang aufbringen lässt und schon nach 2 bis 3 Stunden den Auftrag der mineralischen Schlämme ermöglicht, konnte zügig weitergearbeitet werden. Es folgte die „Sulfatexschlämme“. Diese zementgebundene Abdichtung eignet sich für den Hochwasserschutz im Altbau, denn sie ist einerseits noch wasserundurchlässig, auch bei rückseitigem Wasserdruck, wie er im Falle eines steigenden Pegels auftritt, andererseits sorgt ihre vergleichsweise hohe Dampfdurchlässigkeit dafür, dass die von außen durchfeuchtete Wand abtrocknen kann, wenn der Wasserstand wieder sinkt.
Wesentlicher Teil des Abdichtungskonzepts ist auch eine Horizontalsperre in den Wänden, die verhindert, dass Feuchte kapillar in die oberen Gebäudeteile aufsteigt. Hierfür wurde „Kiesol C“, eine Creme auf Silanbasis, ebenfalls von Remmers, verwendet. Sie wird im Bohrlochverfahren injiziert: Im Abstand von 12 cm bohrt man horizontale Öffnungen von 12 mm Durchmesser ins Mauerwerk. Nach dem Entfernen des Bohrmehls lassen sich diese einfach verfüllen. Da die Creme bei Kontakt mit dem Mauerwerk zerfällt und sich von allein ausbreitet, entfällt das mühsame Verpressen. Stattdessen wird das Einspritzrohr in die Bohrlöcher eingeführt und durch leichten Druck bei gleichzeitigem Herausziehen eine gleichmäßige Befüllung der Kanäle erzielt. Diejenigen Innenwände, die in die Außenmauern einbinden, wurden auf gleiche Weise mit einer Vertikalsperre versehen, um auch einen horizontalen Feuchtetransport von den Außenmauern ins Gebäudeinnere zu unterbinden.
Nicht zuletzt mussten auch die Abwasserrohre vor Hochwasser geschützt werden. Während die ungefährdeten Wohnungen vom ersten Obergeschoss aufwärts eine ganz normale Entwässerung erhielten, wurden die Einheiten in den unteren Etagen zu einem eigenen System zusammengefasst. Eine Rückstauklappe verhindert hier, dass Wasser aus der Kanalisation aufsteigt und ins Haus eindringt. Für den Fall, dass dies doch mal passieren sollte, ist eine Abwasser-Pumpanlage eingebaut.
Schutz vor Kälte
Für die Sanierung der Innenwandoberflächen kamen weitere Materialien von Remmers zum Einsatz. Die Wände in Nebenräumen und Fluren überarbeiteten die Handwerker mit „Feinputz“; wo der Untergrund salzbelastet war, arbeiteten sie zuvor mit „Grundputz“ nach WTA-Merkblatt 2-9-04/D. Beheizte Räume hingegen erhielten eine Innendämmung mit „iQ-Therm“, einer perforierten PUR-Hartschaumplatte, bei der die Löcher werkseitig mit einem speziellen, hoch kapillaraktiven mineralischen Material verfüllt sind, was die Platte sowohl dampfdiffusionsoffen als auch kapillaraktiv macht. Dadurch wird eine Tauwasseransammlung im Wandaufbau vermieden und Feuchtigkeit kann zum Raum hin austrocknen. Da die Verarbeitung im Gesamtsystem wichtig ist, befestigten die Handwerker die Dämmplatten mit dem Klebemörtel „iQ-Fix“ auf der Wand und überputzten sie anschließend mit „iQ-Top SLS“. Dieser Oberputz verfügt über eine spezielle Porengeometrie, die einen hohen Kapillartransport gewährleistet, so dass anfallendes Kondensat schnell abgeführt werden kann. Für die Laibungen der Fenster und Türen verwendeten die Handwerker spezielle, besonders schlanke Platten: „iQ-Therm L-15“ bietet eine Wärmeleitfähigkeit von 0,028 W/mK und ist nur 15 mm dick, während die anderen Platten für den Regelwandaufbau mit 0,031 W/mK aufwarten und in einer Dicke von 50 mm eingebaut wurden. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Platten verhindert die Entstehung von Wärmebrücken.
Aufgabe gemeistert
Insgesamt bedeutete der Umbau des Aloysianums eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Nicht nur die top-bauträger gmbh als Auftraggeber, sondern auch Burkhardt-Architekten sowie das Bauleitungsbüro Adrian & Partner, die Remmers Fachplanung und das ausführende Unternehmen Chemikon mussten immer wieder auf die Unwägbarkeiten der historischen Bausubstanz reagieren und baubegleitend neue Lösungen suchen. Auch wenn die Wohnungen nun für ein Jahrhunderthochwasser gerüstet sind, bleibt zu hoffen, dass sie sich nie diesem Praxistest unterziehen müssen.
AutorJens Engel arbeitet als Produktmanager Bauten- und Fassadenschutz bei Remmers in Löningen.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr top-bauträger gmbh,
Villingen-Schwenningen,
Architekten Burkhardt-Architekten, Überlingen
Bauleitung Adrian & Partner, Breisach am Rhein, www.adrian-partner.de
Sanierungs- und Umbauarbeiten
Chemicon GmbH, Limburg, www.chemicon.de
Produkte Remmers, Löningen, www.remmers.de