Mit dem Herzog Anton Ulrich-Museum wurde deutschlands ältestes Kunstmuseum saniert

Die Neugestaltung des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig war die größte Sanierung und Erweiterung eines Kulturgebäudes in Niedersachsen in den letzten beiden Jahrzehnten.Rund 35,6 Mil­lionen Euro investierte das Land in den Bau.

Häufig sind die Wände zur Präsentation von Kunst auch in historischen Museumsbauten weiß, damit die Kunstwerke besser zur Geltung kommen. Wer aber sagt, dass ein Gemälde von Rembrandt, Vermeer oder Rubens nicht auch an einer mit kräftiger Farbe gestrichenen Wand hängen kann? Die Architekten vom Berliner Büro Kuehn Malvezzi griffen bei der Neugestaltung der Ausstellungsräume im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum (kurz HAUM) beherzt zur historischen Farbpalette und ließen die Wände mit kräftigem Rot, Grün, Gelb, Blau und sogar Lila streichen und bespannen. Nur für die Türen, Einbauten und für die Flurwände wählten sie ein warmes Grau.

So farbenfroh präsentierte sich das frisch sanierte Museum erstmals Ende Oktober vergangenen Jahres den Besuchern. Dem Festakt zur Neueröffnung ging eine umfangreiche Sanierung als zweiter Bauabschnitt von 2013 bis 2016 unter Leitung des Büros Kleineberg  Architekten und Ingenieure voran. Als ersten Bauabschnitt hatte man bereits 2010 das Erweiterungsgebäude nach Plänen des Büros Lehmann Architekten fertiggestellt. Durch den Neubau im denkmalgeschützten Museumspark mit direkter Anbindung an das Hauptgebäude erhielt das Museum auf drei Etagen rund 4000 m2 zusätzliche Fläche für eine moderne Museumspädagogik, für Depots, Werkstätten, die Bibliothek und das Kupferstichkabinett.

Gesteuert wurden all diese Bauaufgaben durch das Staatliche Baumanagement Braunschweig unter der Projektleitung von Oliver Bäthmann.

Sanierung eines Gebäudes von Oskar Sommer

Das ursprüngliche Museum stammt vom Semper-Schüler Oskar Sommer. Der hatte das 1887 fertig­gestellte Gebäude gemeinsam mit dem damaligen Museumsdirektor Hermann Riegel im Stil der italienischen Renaissance entworfen. Damit ist das Herzog Anton Ulrich-Museum das älteste Kunstmuseum Deutschlands. Das im Zweiten Weltkrieg nur wenig beschädigte Gebäude diente nach Kriegsende zunächst der britischen Militärregierung. Die gravierendsten Eingriffe in die Bausubstanz erlebte das Museum allerdings erst nachdem man beschlossen hatte, es auch für Verwaltungszwecke zu nutzen. Die damit einhergehenden baulichen Veränderungen mussten im Zuge der Sanierungsarbeiten wieder zurückgebaut werden. Daher entfernten die Handwerker nicht nur die Wand- und Deckeneinbauten aus dem 20. Jahrhundert, wodurch rund 800 m2 zusätzliche Ausstellungsfläche entstanden, sondern räumten letztendlich den gesamten Altbau leer, um mit den eigentlichen Sanierungs- und Umbauarbeiten beginnen zu können. Im Zuge dieser Arbeiten erneuerten sie die Dachabdichtung, die Fenster und Oberlichtverglasungen, überarbeiteten die Natursteinfassade, bauten eine neue Sicherheitstechnik und Elektro­leitungen sowie eine moderne Lüftungsanlage ein.

Brandschutz

Der Brandschutz ist neben der Sicherheitstechnik und Klimatisierung für Museen ein wichtiges Thema. Um diesem mit Blick auf die heutigen Anforderungen an die Rettungswege anzupassen, wurde das alte Nebentreppenhaus im Westen des Haupt­gebäudes komplett entkernt und durch ein neues Fluchttreppenhaus ersetzt, in dem die Museumsbesucher im Falle eines Feuers sicher ins Freie gelangen können. Sowohl die Trennwände, Vorsatzschalen als auch die abgehängten Decken wurden ebenfalls aus Gründen des Brandschutzes in Trockenbauweise ausgeführt. Eine Trockenbauvorsatzschale benötigten die Handwerker auch zur Befestigung der Wandbespannungen aus Stoff in den vier Oberlichtsälen und in den Seitenkabinetten der Gemäldegalerie. Die historischen Türen wurden unter Berücksichtigung der Brandschutz- und Sicherheitsanforderungen restauriert.

Neue Fußböden

Die durch das undicht gewordene Dach eingedrungene Feuchtigkeit hatte vor allem an den Hölzern des Dachtragwerks und an denen der Decken zu Schäden geführt. Hier mussten die Handwerker viele Balken austauschen. Im Zuge dieser Arbeiten entfernten die Handwerker auch das alte Parkett in den Obergeschossen, führten auf den statisch ertüchtigten Holzbalken­decken einen neuen Unterbau aus und verlegten darauf nach historischem Vorbild neues Eichenparkett.

Im Erdgeschoss brachen die Handwerker den alten Bodenaufbau ab, bis die Kappen der Gewölbedecken des Kellergeschosses zum Vorschein kamen. Darauf bauten sie dann einen statisch tragfähigen Boden komplett neu auf.

Im Hauptfoyer, in dem die Handwerker auch die historischen Türdurchgänge wieder öffneten, führten sie als Bodenbelag Terrazzo nach historischen Vorgaben aus und tauschten in Teilen in den Ausstellungsräumen im Erdgeschoss auch die größtenteils schadhaften alten Fliesen gegen neue nach ebenfalls historischem Vorbild aus.

Putz- und Stuckarbeiten

Eine wesentliche Aufgabe bestand für die Handwerker in der Erneuerung der Wandoberflächen im Gebäude. Hierzu stemmten sie den alten Putz zum überwiegenden Teil von den historischen Ziegelwänden des zweischaligen Mauerwerks. Bevor die Handwerker jedoch den neuen Innenputz aufbringen konnten, mussten die Mauern einer Rissbehandlung und statischen Ertüchtigung durch Vernadelung und Verpressung unterzogen werden. Zur Verbesserung der Wärmedämmung der Außenwände kam innen ein neuer mineralischer Wärmedämmputz zur Ausführung. Risse im Stuck mussten ebenfalls geschlossen und Fehlstellen daran teilweise ergänzt werden.

Alte und neue Farbigkeit

Für die eingangs beschriebene Farbigkeit wählten die Architekten und Maler recht unterschiedliche Anstrichsysteme. Silikatfarben kamen in den neuen Ausstellungsbereichen zum Einsatz. Für das historische Treppenhaus West verwendeten die Maler dagegen pigmentierte Weißkalkfarbe, die sie zum Teil in Lasurtechnik ver­ar­beiteten. Im Haupttreppenhaus stellten sie die ­his­torische Farbigkeit mit der dazugehörigen Anstrichtechnik wieder her. Für Nebenräume kam Dispersionsfarbe zur Anwendung.

Mit der zum Teil recht kräftigen Farbigkeit begrüßte das frisch sanierte und modernisierte Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig am 23. Oktober vergangenen Jahres die ersten Besucher.

Autor

Dipl.-Ing. Thomas Wieckhorst ist Chefredakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Im Internet finden Sie einen Film und weitere Fotos von den Umbauarbeiten sowie vom sanierten und neu gestalten Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig.

Baubeteiligte (Auswahl)

Träger Land Niedersachsen

Vertretung des Bauherrn

Staatliches Baumanagement Braunschweig

Planung Erweiterungsgebäude

Lehmann Architekten, Offenburg,

www.lehmann-architekten.de

Planung der Sanierung

Kleineberg Architekten und Ingenieure,

Braunschweig, www.kleineberg-architekten.de

Ausstellungsarchitektur Kuehn Malvezzi, Berlin,

kuehnmalvezzi.com

Rohbauarbeiten Kienemann Bau- und

Beteiligungsgesellschaft, Braunschweig,

www.kienemann-bau.de

Putzarbeiten Firma Bauer, Erfurt

Stuckarbeiten Stuck-Werkstatt Frank Kinder,

Plauen, www.stukkateur-kinder.de

Trockenbauarbeiten Kaefer Construction,

Isernhagen, www.industrie.kaefer.com

Fliesenarbeiten historisch SVF Steinveredelung Finsterwalde, Massen, www.svf-steinveredelung.de

Terrazzoarbeiten Stone West, Barsinghausen

Parkettarbeiten Spoma Parkett und Ausbau,

Magdeburg, www.spoma.de

Tischlerarbeiten Tischlerei Winkler, Lachendorf, www.winkler-tischlerei.de

Malerarbeiten Malerfachbetrieb Eisenberger,

Bad Salzdetfurth

Restauratorische Malerarbeiten Fuchs + Girke,

Ottendorf-Okrilla, www.fuchs-girke.com

Wandbespannung Anton Buchele Raumgestaltung, München, www.buchele-raumgestaltung.de

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