Biozidfreie Putzfassaden auch bei stark strukturierten Oberflächen

Welche Faktoren beeinflussen das Algenwachstum an Fassaden? Hat auch die Putztechnik Einfluss auf den Befall, und wie kann man Fassaden schützen? Das Wissen um bauphysikalische Grundlagen hilft Handwerkern bei der Kundenberatung.

Immer wieder kommt es vor, dass Fassaden innerhalb weniger Jahre von Algen und Pilzen befallen werden. Was sind die Ursachen für den unschönen Bewuchs, und was lässt sich dagegen tun? Neben konstruktiven Details spielt der Fassadenputz eine wichtige Rolle. Die meisten Hersteller von Farben und Putzen setzen auf den Einsatz von Chemikalien. Doch es gibt auch bauphysikalische Lösungen, mit denen sich Fassaden effektiv schützen lassen.

Einflussfaktoren auf das Algen- und Pilzwachstum

Vier Faktoren beeinflussen das Algen- und Pilzwachstum und müssen im Vorfeld eines Neubaus oder einer Sanierung bewertet werden: das Klima, der Standort des Gebäudes, konstruktive Gegebenheiten und schließlich materialspezifische Eigenschaften. Auf veränderte Klima- und Umweltbedingungen haben die am Bau Beteiligten wenig Einfluss. Schwer zu beeinflussen sind auch standortspezifische Faktoren. Was der Bauherr konkret gegen Algen an der Fassade tun kann, ist eine Bepflanzung in unmittelbarer Fassadennähe zu vermeiden, beziehungswiese für einen regelmäßigen Rückschnitt zu sorgen.

Planer sind gefragt, die konstruktiven Gegebenheiten optimal zu gestalten und stehen in der Verantwortung, die Bauherren auf die Möglichkeiten eines durch konstruktive Details bedingten Algen- und Pilzbefalls schriftlich hinzuweisen. So führt beispielsweise fehlender Fassadenschutz durch nicht ausreichende Dachüberstände zu einer erhöhten Feuchtigkeitsbelastung der Fassade. Eine wichtige Rolle spielen außerdem materialspezifische Eigenschaften der Fassadenbeschichtung und in geringerem Maße auch die Oberflächenstruktur. Dabei setzen die Hersteller auf ganz unterschiedliche Konzepte.

Gutes Feuchtemanagement:
hydrophile mineralische Putze

Mineralische Putze zeichnen sich durch einen guten Feuchtehaushalt und einen hohen pH-Wert aus und bieten so einen natürlichen Schutz vor Bewuchs. Seit über 40 Jahren werden sie auch auf Wärmedämm-Verbundsystemen erfolgreich eingesetzt. Dickschichtige Aufbauten, wie sie zum Beispiel bei Edelkratzputzsystemen üblich sind, verfügen zusätzlich über eine hohe Wärmespeicherfähigkeit und verringern dadurch die Tauwasserbildung. Vor allem aber sind mineralische Edelputzoberflächen hydrophil, das heißt die Feuchtigkeit wird aufgenommen und erst später wieder kontinuierlich abgegeben. Dementsprechend ist die Oberfläche bereits kurz nach der Beregnung oder der Befeuchtung durch Tau wieder trocken. Algen und Pilzen wird das Wasser und damit die Lebensgrundlage entzogen, so dass sich die Gefahr des Bewuchses allein durch die Auswahl eines mineralischen Systems bereits erheblich minimiert.

Die herkömmliche Variante: hydrophob und biozid

Pastöse Putze auf der Basis organischer Bindemittel sind leicht zu verarbeiten und verfügen daher am Markt über eine hohe Akzeptanz. Doch in Bezug auf die Algen- und Pilzproblematik sind ihre Eigenschaften nicht optimal. Durch ihren dünnschichtigen Aufbau besitzen sie nur eine geringe Wärmespeicher­fähigkeit, kühlen nachts schneller aus und begünstigen so die Tauwasserbildung. Hinzu kommt: Wenn ein organischer Putz einmal Wasser aufgenommen hat, erfolgt die Austrocknung nur sehr langsam. Um dem entgegen zu wirken, werden diese Beschichtungen hydrophob – sprich wasserabweisend – eingestellt. Lange Zeit galt diese Vorgehensweise als optimale Lösung gegen Algen- und Pilzbewuchs. Wie jedoch
die Praxis zeigt, bleibt die Feuchtigkeit in Form von Tropfen gerade auf diesen Oberflächen besonders lange stehen. Verschiedene Hersteller setzen daher auf den Abperleffekt, der Sporen mit dem Regen ab­waschen soll, auf den Putzoberflächen jedoch oft nur eine reduzierte und nicht flächendeckende Wirkung zeigt.

Als Schutz wird vielen organischen Fassadenputzen eine biozide Filmkonservierung beigemischt, die das Algen -und Pilzwachstum beeinträchtigt. Es handelt sich hierbei zumeist um eine Kombination von mehreren Wirkstoffen, die – und das ist der entscheidende Nachteil beim Einsatz solcher Stoffe – wasserlöslich sein müssen, um ihre Wirkung zu entfalten. Daher werden die Biozide durch das Regenwasser mit der Zeit ausgewaschen. Hierbei entstehen die meisten Austräge der Wirkstoffe innerhalb der ersten 10 bis 20 Regenschauer. Man spricht hier von „Anfangsauswaschung“. Um der raschen Auswaschung von Bioziden entgegenzuwirken, werden diese inzwischen meist in verkapselter Form in den Putz eingebracht. Durchschnittlich lässt sich die Auswaschung auf diese Weise etwa um die Hälfte reduzieren.

Biozide werden zu schnell ausgewaschen

Erhebungen haben ergeben, dass in Deutschland jedes Jahr mehr als 450 000 kg Biozide in Form von Farben und Putzen auf Fassaden aufgebracht werden. Werden die Wirkstoffe ausgewaschen, verliert die Oberfläche nicht nur nach und nach ihre Schutzwirkung, die ausgewaschenen Biozide sind auch eine gravierende Belastung für Grund- und Fließgewässer. Immer wieder kommt es zu Grenzwertüberschreitungen, obwohl der Einsatz der giftigen Stoffe, beispielsweise durch Verbote in der Landwirtschaft, gesetzlich immer weiter eingeschränkt wird. Doch auch innerhalb der Grenzwerte bleibt das Grundproblem bestehen: Da die Stoffe per se schädigend wirken, sehen Experten Risiken für so genannte Nichtzielorganismen, zu denen auch der Mensch gehört. Selbst wenn wissenschaftlich noch nicht einwandfrei geklärt ist, in welchem Ausmaß schädliche Effekte tatsächlich auftreten, kann letztlich nur ein weitgehender Verzicht auf die ökologisch bedenklichen Biozide das Problem lösen.

Wirksame Alternative:
die „AquaBalance“-Technologie

Ein bloßer Verzicht auf Biozide stellt hinsichtlich des Algen- und Pilzbefalls leider keine zufriedenstellende Lösung dar. Organische Putze, die keine Biozide ­enthalten und gleichzeitig keinen funktionierenden alternativen Schutz bieten, haben ein verstärktes ­Risiko der Veralgung. Eine wirkungsvolle, physika­lische Alternative bietet eine von Saint-Gobain Weber entwickelte Putztechnologie für mineralische und organische Putze, die das hydrophile Funktionsprinzip mineralischer Putze aufgreift und verstärkt. Dabei werden stehende Tropfen auf der Fassade durch eine Art Löschblatteffekt vermieden. Die Wassertropfen werden auf der Fassadenoberfläche gespreizt und somit ihre Verdunstungsfläche erhöht. Gleichzeitig verfügen die Putze über eine ausgeprägte Kapillaraktivität, wodurch das Wasser von der obersten Putzlage gezogen und erst später, während der nächsten Trockenphase, wieder abgegeben wird. Algen und Pilzen wird damit auf natürliche Weise das Wasser und damit die Lebensgrundlage entzogen.

Einflüsse der Gestaltung

Die Struktur des Putzes kann sich – neben den anderen beschriebenen Faktoren - ebenfalls auf den Grad der Veralgung auswirken. Unter dem Mikroskop betrachtet sind selbst Glattputze an der Oberfläche so rauh, dass sich Staub und organische Partikel problemlos festsetzen können. Auf stark strukturierten Putzen ist diese Möglichkeit noch etwas stärker ausgeprägt. Dies gilt insbesondere, wenn die Struktur waagrecht verläuft, wie etwa bei horizontal ausgeführten Besenstrich-, Kammzug- oder Reibeputzen. Auch Wassertropfen können sich hier unter Umständen etwas länger halten als an glatten Fassaden. Dies kann Algen und Pilzen einen Nährboden bieten. Andererseits lassen sich diese plastischen Putztechniken nur mit dickschichtigen mineralischen Putzen ausführen, die sowohl aufgrund ihrer mineralischen Konsistenz als auch aufgrund ihrer Dickschichtigkeit per se weniger anfällig für Algen- und Pilzbewuchs sind. Daher halten sich begünstigende und schützende Faktoren in etwa die Waage. Dennoch bietet sich, um das Risiko des unerwünschten Bewuchses so gering wie möglich zu halten, gerade für stark strukturierte Fassaden die Verwendung von „AquaBalance“-Putzen an. So bietet Saint-Gobain Weber beispielsweise ab 2019 auch einen „AquaBalance“-Putz speziell für die Fassadengestaltung mit Besenstrich- und Kammzugtechnik an.

Generell lässt sich festhalten, dass die Oberflächenstruktur den Grad der Veralgung nur geringfügig beeinflusst. Wichtiger als die Struktur der gewählten Putzoberflächen ist eine einwandfreie Verarbeitung.

Autor

Dipl.-Ing. Georg J. Kolbe ist Leiter des Produktmarketings Putz- und Fassadensysteme bei der Saint-Gobain Weber GmbH in Düsseldorf.

Die meisten Austräge biozider Wirkstoffe finden innerhalb der ersten 10 bis 20 Regenschauer statt. Man spricht hier von „Anfangsauswaschung“

Faszinierende Strukturen - natürlich biozidfrei

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