Fassade mit Bibliothekscharakter: das neue Philosophikum der Uni Münster
Eine Herausforderung beim Bau des Philosophikums der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) bestand in der Fassadengestaltung: Es galt, den historischen Gebäudebestand mit dem Neubau zu verbinden, ohne den jeweiligen Charakter zu verleugnen. Dazu wurden die roten Ziegel sandfarben geschlämmt.
Im Herzen von Münster ist mit dem Philosophikum, das eine Bibliothek, geisteswissenschaftliche Institute und Forschungseinrichtungen der Hochschule beherbergen wird, eines der größten Bauprojekte der West-fälischen Wilhelms-Universität (WWU) realisiert worden. Die helle, sandfarbene Fassade verleiht dem Philosophikum einen unverwechselbaren Charakter. Den für das Münsterland typischen roten Ziegelstein hat Peter Böhm – Sieger des 2010 ausgelobten Architektenwettbewerbs – mit einem Gemisch aus Trass-Kalk und ausgesuchten feinen Mehlen und Körnungen schlämmen lassen. Die Fassade des Neubaus nimmt so Bezug zu den umliegenden Gebäuden wie dem angrenzenden Bischöflichen Hof oder dem Fürstenberghaus, ein bekanntes Hörsaalgebäude der WWU.
Das Philosophikum wirkt zwischen den historischen Nachbarn keinesfalls fremd – im Gegenteil. Vom Zentrum des Domplatzes aus betrachtet bietet sich ein interessantes architektonisches Zusammenspiel. Der älteste Teil des Philosophikums, das frühere Ludgerianum, stammt aus dem Jahr 1903. Nach Zerstörungen im Krieg folgten verschiedene An- und Umbauten. Aufgrund dringend notwendiger Instandhaltungs-arbeiten entschied sich der Bauherr, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes Nordrhein-Westfalen, für eine komplette Entkernung und Neugestaltung des Gebäudeinneren. Besonders sorgsam umgegangen wurde mit der Hauptfassade in Richtung Domplatz. Die unter Denkmalschutz stehende neugotische Frontseite wurde behutsam restauriert. Der von Böhm entworfene Neubau setzt diese Optik modern interpretiert fort. Die objektspezifischen Rezepturen für Mörtel, Putz und Schlämme sind in den Laboren der quick-mix Gruppe entstanden und wurden anschließend in industriellen Großchargen umgesetzt. 45 Handwerker waren allein für die Gestaltung der Fassaden vor Ort, zwei Silos standen auf der Baustelle.
„Die Struktur der Oberfläche am Bestandsbau sollte altdeutsch gewaschen sein, das heißt: keine normale Scheibenputzstruktur wie man sie sonst heutzutage auf einem Wärmedämmverbundsystem findet“, sagt quick-mix-Projektmanager Andres Gomez. „Die Farbe ist sehr wichtig, weil sie die Fassade bestimmen wird“, schreibt Architekt Peter Böhm in seinen Anmerkungen zum Neubau. Um dem Gebäude seine Einzigartigkeit zu verleihen, musste zudem an der Technik beim Erstellen der Muster gefeilt werden. „Erst haben wir Flächen per Drahtbürste bearbeitet, das hat nicht funktio-niert“, sagt Gomez. „Erst als wir das mit einem nassen Schwamm gemacht haben, sah es gut aus.“ So bekam die geschlämmte Fassade ihre unverwechselbare Optik.
Speziallösungen aus dem Labor
Gleichzeitig wurde im quick-mix-Labor getüftelt und probiert. Die Farbe und Körnung sind eine Sonder-rezeptur für dieses Objekt. Die Schlämme, der Mörtel sowie der Putz des Altbaus, der in den Neubau teilweise integriert wurde, besitzen einen Sonderfarbton, den der Projektmanager als „Quitte-Erde“ charakterisiert – alles ohne einen Anstrich. 1900 m2 der Fassade wurden mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen, etwa 2500 m2 Verblendmauerwerk und der komplette Innenbereich wurden verputzt, das Mauerwerk verfugt und die Wände geschlämmt.
Auch die Fugen des Neubaus bereiteten zunächst Kopfzerbrechen. Gemauert wurde mit einem Sondermörtel von quick-mix, denn die Stoß- und Lagerfugen sind in der Höhe und Breite so nicht üblich. Der Mörtel besitzt deswegen ein besonderes Stützkorn, damit die Wand beim Aufmauern nicht schwimmt.
Die WDVS-Fassade des Altbaus wurde mit dem „Hydrocon“-System der quick-mix Gruppe beschichtet, das mikrobiellem Befall vorbeugt. Herkömmliche Fassadensysteme setzen bei der Bekämpfung von Algen- und Pilzbewuchs häufig auf Bioziddepots. Diese Biozide werden jedoch mit der Zeit durch den Regen ausgewaschen und gelangen ins Grundwasser. Das „Hydrocon“-System setzt demgegenüber auf eine funktionale Oberflächentechnologie, die das hygrothermische Mikroklima der Fassadenoberfläche physikalisch aussteuert. Das Prinzip basiert auf der Kombination eines hydrophoben Untergrunds und einer hydrophilen Oberfläche. Durch den speziellen Schichtaufbau wird Wasser kontrolliert aufgenommen und abgegeben. Zu empfehlen wäre bei der Schlussbeschichtung auch der Einsatz der speziell auf den Oberputz abgestimmten „HC 425“ Silikat-Fassadenfarbe mit niedriger Wasseraufnahme und sehr hoher Wasserdampfdurchlässigkeit, die zu den Systemkomponenten gehört.
Elegante und robuste Oberflächen im Gebäudeinnern
Von außen erinnert der fünfgeschossige Neubau des Philosophikums, der sich über 65 m entlang einer sehr flach abfallenden Treppe vom Domplatz zum Flüsschen Aa erstreckt, an eine Bücherregalwand – in Anlehnung an die dort untergebrachte Bibliothek. Im Innern erheben sich beeindruckende Freitreppen über vier Stockwerke. Stilistisch nehmen die Innenwände die Gestaltung der Fassade wieder auf: Die frühere Außenwand des sanierten Altbaus ist mit dem gleichen quick-mix-Material grob geschlämmt – so grob, dass Handwerker per Warnzettel darauf hingewiesen werden mussten, dass die Wände so im Endzustand sind und keineswegs einen Anstrich brauchen oder beschriftet werden dürfen. Verarbeitet wurde im Innern eine Trass-Naturstein-Schlämme mit höherer Abriebfestigkeit. Robuste Oberflächen sind wichtig, da durch die Studenten der Frequenzverkehr hoch ist, denn die stoßen mit Taschen oder Büchern auch mal an die geschlämmten Wände. Das Gebäude wurde zwischenzeitlich im Wettbewerb „Gute Bauten“ des BDA Münsterland ausgezeichnet und erhielt ganz aktuell den Deuschen Ziegelpreis 2019.
AutorSebastian Deppe ist als PR-Redakteur bei der Agentur Sputnik in Münster tätig.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherr BLB NRW, Münster
Architekt Prof. Peter Böhm, Peter Böhm Architekten, Köln, www.peterboehm-architekten.de
Ausschreibung/Bauleitung Schilling Planung , Köln 1zu1 Architekten, Münster
Fachplanung TGA TEN Ingenieure, Aachen
Fachplanung Elektrotechnik HVB Planungsges. GmbH, Mönchengladbach
Fachplanung Tragewerk/Bauphysik/Brandschutz Kempen Krause Ingenieurges. bR, Aachen
Abbruch-/Tiefbauarbeiten Kögel Bau, Bad Oeynhausen, www.koegel-bau.de
Rohbauarbeiten Läer + Rahenbrock, Georgsmarienhütte, www.lundr-bau.de
Zimmer-/Stahlbauarbeiten Brüggemann Holzbau, Neuenkirchen, www.brueggemann-holzbau.de
Bauwerksabdichtung Altbau SanExpert, Braunsbedra, www.sanexpert-online.de
Dachdeckerarbeiten Brüggemann Dach- & Wandtechnik, Neuenkirchen, www.brueggemann-dachtechnik.de
Holzfenster Noll Fensterbau, Mühlheim, www.noll-gmbh.de
Montagearbeiten Hecker Montagebau, Pohlheim
Trockenbau Firma Dobermann, Münster
Tischlerarbeiten Innentüren TM Ausbau, Puchheim, www.tm-gruppe.eu
Tischlerarbeiten Einbaumöbel Portawin Kriege, Essen, www.kriege.com
Innenputzarbeiten BUS Bauunternehmung Süd, Hamburg
Estricharbeiten Elmas Fußbodentechnik, Landsberg
Fassadensanierung Ludger Wennemer, Münster, www.wennemer.com
Fliesenarbeiten Fliesen-Fromm, Eldena
Natur-/Betonwerksteinarbeiten GWG Natur- und Kunststeinaufarbeitung, Schwelm, www.gwg-natursteinaufarbeitung.de
Maler-/Lackiererarbeiten Jaeger Maler Plus, Zwenkau, www.jaeger-ausbau.de
Herstellerindex (Auswahl)
Mörtel Putz WDVS quick-mix Gruppe, Osnabrück, www.quick-mix.de
Holzfenster Noll Fensterbau, Mühlheim, www.noll-gmbh.de
Fenstergriffe Franz Schneider Brakel, Brakel, www.fsb.de
Innentüren Schörghuber Spezialtüren, Ampfing, www.schoerghuber.de
Dachziegel Dachziegelwerk Nelskamp, Schermbeck, www.nelskamp.de
Dachflächenfenster Velux Deutschland, Hamburg, www.velux.de
Dachbegrünung Opitigrün International AG Krauchenwies-Göggingen; www.optigruen.de