Alte Acrylsysteme vs. moderne Hybridlacke
Hybridlacke bieten ein profigerechtes Finish, sind anwenderfreundlich und umweltgerecht.
Bindemittelkombinationslacke sind in vielen Fällen eine echte Alternative zu den klassischen lösemittelhaltigen Systemen und können mehr als alte Acrylsysteme.
Wasserbasierte Bindemittel-Kombinationslacke – auch Hybridlacke genannt – sind eine Weiterentwicklung der klassischen Acrylsysteme. Sie bestehen aus mehreren kombinierten Bindemitteln, die einen erheblichen positiven Einfluss auf die Anwendungsmöglichkeiten und die Gebrauchstauglichkeit haben. Der Begriff „hybrid“ (gemischt, zusammengesetzt) stand ursprünglich für zwei kombinierte Systeme, wird heute aber auch als Bezeichnung für viele wasserbasierte Zukunftslacke im Profi-Bautenfarbensegment benutzt.
Entwicklung mit Anlaufschwierigkeiten
Jahrelang galten Acryllacke bei Malern als nicht ausgewogen, problematisch in der Anwendung und wenig oberflächenstabil. Kaum block- und handschweißbeständig, „bahnschienenartig“ mäßiger Verlauf – das sind nur einige Aspekte des Negativbildes, das heute immer noch in den Köpfen vieler Handwerker festsitzt. Dabei konnten auch diese „alten“ Acrylsysteme mit guten Eigenschaften punkten. Sie überzeugten vor allem durch hohe Flexibilität, Vergilbungsfreiheit und die – im Gegensatz zu den konventionellen lösemittelbasierten Systemen – geruchsneutrale Anwendung. Anders als in den USA, wo wasserbasierte Acryllacke einfach als Standard gesetzt wurden, konnte sich diese Technologie im europäischen Malergewerk nicht wirklich durchsetzen, zumindest nicht bei den Lacken.
Um für die herkömmlichen Acryllacke mehr Akzeptanz und ein noch breiteres Anwendungsspektrum zu schaffen, mussten die positiven Eigenschaften wasserbasierter Produkte mit denen der lösemittelbasierten kombiniert werden. Das klang erstmal einfach. Die Experimente in den Laboren zeigten jedoch, dass ein einfaches Mischen der Bindemittel nicht zum erwünschten Erfolg führte. Um die nötige Kompatibilität zu erreichen, mussten weitere Zusatzstoffe eingesetzt werden, die wiederum Einfluss hatten auf die Anwendungseigenschaften, auf die Optik und auf die Dauerbeständigkeit der Oberflächen.
Nur mit erheblichem Entwicklungsaufwand der Industrie konnte diese Hürde genommen und der Anspruch des Profis an leistungsfähige wasserbasierte Systeme eingelöst werden. Und aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre ist zu erwarten, dass das Ende des Entwicklungsprozesses zur Verbesserung der Eigenschaften bei wasserbasierten Produkten noch lange nicht erreicht ist. Hier werden in den nächsten Jahren sicherlich weitere Meilensteine gesetzt werden.
Das Beste aus verschiedenen Welten
Die verschiedenen Bindemittelarten bringen unterschiedliche gute Eigenschaften in die Lackrezeptur ein. So steuert das Acrylat die hohe Flexibilität und Dauerelastizität bei und sorgt für vergilbungsfreie Oberflächen. Die Alkydanteile werden kombiniert, um längere Offenzeiten und härtere Anstrichfilme zu erreichen. PU-Bindemittel verleihen den Beschichtungen zusätzliche chemische Beständigkeit, ermöglichen eine schnelle Durchtrocknung des Lackfilms und machen sie auch mechanisch hoch belastbar. Modifikationen von Hybrid- oder Spezial-Bindemittelkombinationen kommen für besondere Anwendungen zum Einsatz oder wenn spezielle Funktionen gefordert sind. Ein Beispiel hierfür sind Holzoberflächen. Da Hölzer wasserlösliche Holzinhaltsstoffe enthalten, die durch einfache Acrylat-Produkte nicht isoliert werden können, sind hier Systemlösungen mit Absperrfunktion gefordert.
Heute sind wasserbasierte Bindemittelkombinationen aus dem Profi-Bautenfarbensegment nicht mehr wegzudenken. Der Marktanteil der Hybridlacke steigt kontinuierlich. Gerade im Innenbereich punkten sie mit ihrem universellen, nahezu geruchslosen Anwendungsspektrum und bieten damit echte Lösungen zu lösemittelbasierten Systemen. In einigen europäischen Ländern gilt schon heute die rechtliche Grundlage, dass in Gebäuden ausschließlich wasserbasierte Produkte verwendet werden müssen. Außerdem verfügen die Hybridsysteme über eine Vielzahl von Zertifikaten (wie zum Beispiel zur Gesundheitsverträglichkeit von Bauprodukten oder die DIN EN 71-3 zur Sicherheit von Spielzeug), die sie zum Einsatz in sensiblen Bereichen prädestinieren.
Auch auf das Werkzeug kommt es an
Beim Einsatz von Hybridlacken ist das fachgerechte Werkzeug entscheidend, denn nur mit systemkompatiblen Rollen und Pinseln können hochwertige Lackoberflächen hergestellt werden. Dabei sollte auf Pinsel mit neuer hochwertiger Synthetikfaser zurückgegriffen werden, denn sie ermöglichen eine optimale Farbaufnahme und -abgabe. Das Ergebnis sind hervorragend verlaufende Flächen.
Greift man dagegen unkritisch zu irgendeinem Werkzeug, enttäuscht das Ergebnis meist nicht nur den Endkunden, sondern auch den Handwerker selbst. Dabei können neben der optisch unschönen Oberfläche auch erhebliche Mängel auftreten, die die Schutzfunktion des Lackfilms beeinträchtigen.
Vergleich „Alt“ vs. Hybrid
Die Leistungsmerkmale moderner Bindemittelkombinationslacke zeigen sich am anschaulichsten, wenn man sie anhand einiger Beispiele den „alten“ Acryllacken gegenüberstellt: Die Blockfestigkeit spielt bei allen Untergründen, die miteinander im Flächenkontakt stehen, eine entscheidende Rolle. Das sind zum Beispiel Türen und Fenster, aber auch Untergründe, die nach der Beschichtung und Trocknung aufeinander gelagert werden. Alte Acrylsysteme hatten hier erhebliche Schwächen. Fenster, die mit diesem System beschichtet werden, lassen sich nach dem Schließen nur schwer oder mit erheblichen Schäden wieder öffnen, da die Lackschichten miteinander verkleben (verblocken).
Alte Acrylsysteme waren nicht dauerhaft resistent gegen Handschweiß und chemische Substanzen. Bei Türen wurden deshalb die Kontaktstellen im Bereich der Türklinke häufig schnell schmuddelig und der Lackfilm weich. Die rechte Seite zeigt dagegen die auch auf Dauer beständige Neulackierung mit dem Wasserhybridlack.
Der Verlauf und das Ausspannen einer Lackoberfläche lassen sich mit einem einfachen Hilfsmittel überprüfen. Die Flächen werden mit handelsüblichem Ruß bestrichen und anschließend mit einem Schleifpapier leicht angeschliffen. Hierbei legt sich der Ruß in die Täler der beschichteten Oberfläche. Auf dem Foto auf dieser Seite oben rechts sieht man rechts dunkle Streifen, gefolgt von schmalen hellen Streifen. Dies zeugt von einer schlecht verlaufenden Oberfläche. Weniger kontrastreiche Abbildungen und eine gleichmäßige, nur leichte Streifenbildung (links) lassen auf einen gut verlaufenden Lack schließen.
Hybridsysteme überzeugen zudem durch ihre gute Oberflächenhärte, so dass der Handwerker auch beim Anschleifen für Folgebeschichtungen keine Überraschungen erlebt. Im Gegensatz zu alten Acrylatsystemen, die gerade beim Einsatz von Schleifmaschinen in der Oberfläche weich wurden und die Schleifpads zusetzten, punkten hochwertige Hybridlacke mit einem sauberen Schleifbild, einem gleichmäßigen Abtrag und einer meist mehligen Oberfläche. Zum Einsatz kommen dabei für den Feinschliff Schleifscheiben mit einer 320er Körnung. Das komplette Entfernen eines Hybridsystems erfolgt mit einer 120er Körnung. Dabei wird der Untergrund perfekt für einen Neuaufbau vorbereitet. Die Wahl der Schleifmittel gilt ebenso für die manuelle Bearbeitung mit Schleifpapieroder mit Pads.
Autor
Benedikt Müller-Wortmann ist Leiter der Anwendungstechnik bei der CD-Color GmbH & Co. KG in Herdecke.