Grundlagenwissen Lacktechnologie Teil 1: Acryllacke
Wasserbasierte Acryllacke sind umweltfreundlich, geruchsarm und aus arbeitsmedizinischer Sicht wesentlich unbedenklicher als konventionelle lösemittelhaltige Systeme. Doch sie punkten auch in Sachen Wirtschaftlichkeit, sind unkompliziert in der Handhabung und haften auf fast jedem Untergrund.
Wie alle Lacke bestehen auch wasserbasierte Acryllacke aus Lösemittel, Bindemitteln (Filmbildner), Pigmenten und weiteren Additiven. Alle diese Komponenten beeinflussen die Eigenschaften des Lackes maßgeblich. Acrylatsysteme erhärten und trocknen physikalisch. Diesen Vorgang nennt man „kalten Fluss“, da die Kunststoffpolymerteilchen nach der Verdunstung des Wassers „ineinander fließen“ und so einen geschlossenen Film bilden. Neben den genannten Bestandteilen werden dabei auch Stabilisatoren oder UV-Filter fest in das Bindemittelgefüge eingebunden. Da bei Acrylsystemen hauptsächlich Wasser als Lösemittel fungiert, sind sie wesentlich umweltfreundlicher als konventionelle lösemittelhaltige Systeme.
Die Beschichtung mit einem Acrylsystem gilt als besonders langlebig und alltagstauglich. Sie zeichnet sich durch eine gute Witterungsstabilität, hervorragende UV-Beständigkeit und eine sehr reduzierte Vergilbungsneigung aus und sie ist auch noch leicht zu reinigen. Das Material ist dabei einfach in der Anwendung, trocknet schnell, kann deshalb schnell überarbeitet werden und der wichtigste Pluspunkt: Es haftet auf nahezu allen Untergründen.
Universell einsetzbar
Mit diesen Eigenschaften eignen sich Acrylsysteme vor allem für den Einsatz auf Zink, Aluminium und anderen NE-Metallen, Holz und Holzwerkstoffen, Wand und Deckenflächen mit verschiedenen Bekleidungen, aber auch für die Anwendung im Außenbereich. Gerade bei Objekten mit Mischuntergründen (Beispiel: Betonbauteile, Kabelkanäle, Fallrohre, Kunststoffverblendungen und sogar Pulver- und Coilcoating-Flächen) kann wegen der universalen Haftungseigenschaften meist auf ein Produkt zurückgegriffen werden. Verantwortlich dafür sind die speziellen Eigenschaften des Bindemittels Acryl. Verstärkt wird die Haftungswirkung meist durch Einsatz von so genannten Haftungspromotoren. Kein anderes Bindemittel bietet in der Vielzahl der zu beschichtenden Untergründe eine so hohe Sicherheit in punkto Haftung wie das Acrylat. Dabei sind diese Anstrichfilme elastisch und können auch auf Untergründen eingesetzt werden, die durch Dimensionsschwankungen ihr Volumen verändern, wie zum Beispiel begrenzt maßhaltige Holzbauteile oder Kunststoffoberflächen.
Rollen, streichen, spritzen
Acrylsysteme werden als Grund-, Zwischen- und Schlussbeschichtungen verwendet, wobei „Eintopf-Systeme“ (ein Produkt für alle Beschichtungsschritte) aus wirtschaftlichen Gründen besonders bevorzugt werden. Die Systeme können durch Rollen und Streichen und in den meisten Fällen auch mit allen gängigen Spritzverfahren verarbeitet werden. Aus ökonomischer Sicht steht das Airlessspritzen jedoch an erster Stelle, da hiermit große Flächen besonders effizient bearbeitet werden können und das Material in den meisten Fällen unverdünnt bleibt. Die Leichtigkeit ihrer Handhabung und die schnelle Reinigung der Airlessgeräte machen den Profianwender sehr flexibel. Nach nur wenigen Handgriffen – wie Düsenwahl und Druckeinstellung – kann es losgehen.
Vor Beginn der Arbeiten ist es jedoch wichtig, die zu beschichtenden Untergründe fachmännisch vorzubereiten, denn nach wie vor kommen die meisten Reklamationen durch Nachlässigkeiten in diesem Bereich zustande. Die Substrate (Untergründe) müssen sauber, fettfrei und damit tragfähig hergestellt werden. Dabei können je nach Untergrund verschiedene Reinigungsarten und Materialien zum Einsatz kommen. Hinweise dazu geben die BFS-Merkblätter.
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen
Wichtig ist auch, die äußeren Parameter abzuwägen und zu prüfen, ob und wie wasserbasierte Acrylatbeschichtungen zum Einsatz kommen können. Im Gegensatz zu lösemittelhaltigen Lacken unterliegen die wasserverdünnbaren Systeme naturgemäß weitaus mehr den physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Anstricharbeiten sollten deshalb nur dann durchgeführt werden, wenn die Untergrund- und die Umgebungstemperatur nicht deutlich außerhalb eines Bereiches zwischen +10° und +30° C liegen. Denn niedrige, aber auch zu hohe Temperaturen wirken sich negativ auf die Trocknung der physikalisch erhärtenden Systeme aus. Auch eine zu hohe Luftfeuchtigkeit oder die Betauung im Außenbereich spielen dabei eine Rolle. Filmbildungsstörungen wie Risse, Blasen oder Verfärbungen, aber auch eine komplette Enthaftung der Beschichtung können die Folge sein. Liegen die Untergrund- oder die Umgebungstemperatur unter +8° C (VOB DIN 18363 Teil C), können Maßnahmen wie Einhausungen und/oder eine externe Wärmezufuhr Abhilfe schaffen. Diese können als besondere Leistungen abgerechnet werden.
Gute Bindemittel-Eigenschaften
Im Baufarbenbereich kommen Acrylate heute in unterschiedlichsten Formulierungen zum Einsatz. Die Anwendung stützt sich dabei immer wieder auf die guten Eigenschaften des Bindemittels. Acryllacke, Kombinationslacke aus Acryl, Alkyd und PU, modifizierte Reinacrylatdispersionen, Dispersionslacke und Acrylate mit speziellem Nasshafungspromotor sind dabei wichtige Entwicklungen im Profisegment. So können die modernen Acrylatsysteme mit vielen lösemittelhaltigen Systemen konkurrieren. In vielen Fällen bieten sie sogar echte Vorteile gegenüber den konventionellen Lacken, vor allem wenn es um das Thema Gesundheit und um die Forderung nach geruchsneutralen oder geruchsreduzierten Anwendungen geht.
AutorBenedikt Müller-Wortmann ist Leiter der Anwendungstechnik bei der CD-Color GmbH & Co. KG in Herdecke.