Erweiterungsbau des Museums Unterlinden in Colmar aus gebrochenen Ziegeln

Das Architekturbüro Herzog & de Meuron erweiterte das Museum Unterlinden in Colmar um einen neuen Gebäudeflügel mit einer Fassade aus gebrochenen Ziegeln. Hierfür verwendeten die Maurer eigens für das Projekt entwickelten Trass-Mörtel und Spezialanker.

Das Museum Unterlinden ist in einem ehemaligen Dominikanerinnenkloster aus dem 13. Jahrhundert untergebracht. Als in den Räumen des Klosters 1852 ein Museum einzog, fand auch der in Colmar ausgestellte Isenheimer Altar von Matthias Grünewald seinen Weg in die Kapelle des Klosters. Schnell entwickelte er sich zum berühmtesten Ausstellungsstück des Museums. Außerhalb von Paris zählt Unterlinden zu den meistbesuchten französischen Kunstmuseen.

Seit 2012 erweitert die Stadt Colmar gemeinsam mit der Museumsstiftung die Ausstellungsfläche. Zudem wird der vorgelagerte Platz Unterlinden in das Gesamtkonzept eingebunden. Dafür wurde ein alter Bachlauf freigelegt, dessen Bett im Entwurf des renommierten Architekturbüros Herzog & de Meuron die Symmetrieachse zwischen zwei Gebäudeensembles bildet. Der Umbau ist eines der größten aktuellen Sanierungsprojekte in Frankreich. Nach Fertigstellung wird das Museum auf der hinzugewonnenen Fläche auch zeitgenössische Kunst präsentieren. Der neue Flügel bekommt einen direkten Anschluss an ein altes Badehaus, das sich auf der gleichen Seite des Wasserlaufs befindet und ebenfalls in das Museum integriert wird. Das alte Kloster auf der anderen Seite des Wasserlaufs wird im Inneren behutsam überarbeitet, dabei wird gleichzeitig ein zeitgemäßes Brandschutzkonzept umgesetzt.

Ein in die Stadtgeschichte integriertes Museum

Unterstützt wird das auch für die Umsetzung verantwortliche Architekturbüro Herzog & de Meuron von Richard Duplat, der als „Architecte en chef des monuments historiques“ die Interessen des französischen Denkmalschutzes vertritt. Ein zentrales Anliegen der Architekten war es, das neue Gebäude in eine Beziehung zur bestehenden Klosteranlage zu stellen. Die Verbindung zwischen dem neuen Gebäudeflügel und dem Kloster ermöglicht eine ebenfalls neue unterirdische Passage. Direkt über dieser befindet sich ein kleines Häuschen (la Petite Maison), das durch große Glasfenster einen Einblick in die unterirdische Galerie erlaubt und diese gleichzeitig mit Tageslicht versorgt.

Die Fassade des alten Klosters setzt sich aus Elementen zusammen, die aus verschiedenen Zeitperioden stammen. In den Mauern der Kapelle finden sich Sandsteine mit gänzlich unterschiedlicher Farbgebung, von braun über gelb bis hin zu rot und grau. Sie wurden im Laufe der Zeit aus nahegelegenen Orten herangeschafft. Der neue Flügel, dessen Volumen der Kapelle nachgebildet ist, erinnert in der Fassadengestaltung an dessen ursprüngliche Bauweise, ohne sie zu kopieren. Der neue Teil des Museums soll damit nicht nur durch seine Ausstellungsstücke, sondern auch durch seine Architektur ein Teil der Stadtgeschichte werden.

Grundlage dafür ist eine Fassade mit Vormauerwerk aus gebrochenen Backsteinen, die das Gebäude durch ihre raue Struktur in den historischen Zusammenhang im Herzen der Stadt einbindet. Auch die Farbgebung der Ziegel unterstützt diese Absicht. Die Wände bestehen aus verschiedenen Schattierungen von dunklen Braun-, Rot- sowie Grautönen und erinnern damit an das Kloster und weitere historische Gebäude der Stadt. Das Dach sowie ein Teil der Giebelseiten und der Fassade wurden in Kupfer ausgeführt. Auch hier war die Intention, ein traditionell in der Region verwendetes Material für den Bau des Gebäudes zu verwenden. Im gleichen Materialmix aus rauen Ziegeln und glänzendem Kupfer wurde auch die Fassade des „la Petite Maison“ über der unterirdischen Galerie errichtet.

Raue Fassade aus gebrochenen Ziegeln

Die Fassade des neuen Flügels erreicht eine Höhe von 14 m. Auf der dem Museum zugewandten Seite bedeckt sie einen rund 35 m langen Teil der Gesamtfläche und auf der abgewandten Seite einen fast 50 m langen Teil.

Die Ziegel für das Vormauerwerk wurden von der Firma Gima hergestellt. Das erwünschte raue Erscheinungsbild erhalten sie, indem sie von den Maurern auf der Baustelle entzwei gebrochen und dann mit den Bruchstellen nach außen vermauert werden. Möglich wurde dieses Vorgehen, da die Ziegel schon ab Werk Sollbruchstellen mitbrachten. So ließen sie sich relativ einfach und genau an der richtigen Stelle teilen. In der Mitte enthalten die Ziegel Öffnungen, die nach dem Zerteilen wie Kanneluren erscheinen. Diese konkav eingeschnittenen, senkrechten Vertiefungen, wie sie sonst beispielsweise an Säulen zu finden sind, sorgen für eine vertikale Strukturierung der Wandflächen, die das raue Erscheinungsbild passend ergänzt.

Ab Werk werden die Ziegel mit in einer Dicke von 28 cm produziert. In gebrochenem Zustand kommt dann das Vormauerwerk entsprechend auf eine Dicke von 14 cm, wobei der letzte Zentimeter durch die eingearbeiteten Kanneluren nicht vollflächig ausgefüllt ist. Zu den Standardziegeln, die an ihrer Frontseite zwei Kanneluren aufweisen, werden auch noch breitere Formate mit drei und vier Kanneluren produziert. Mit diesen wird die erforderliche Überbindung der einzelnen Steinlagen gewährleistet.

Ein Anliegen der Architekten war es, offen zu zeigen, dass die Ziegel nur als Vormauerwerk vor einer Betonwand stehen. Deshalb haben die Handwerker die Übergänge zwischen den Fassadenbereichen mit Vormauerwerk und den Kupferflächen so gestaltet, dass der Wandaufbau erkennbar bleibt. Sichtbar ist so auch, dass es sich nicht um eine Riemchen-Fassade sondern um richtige Ziegel handelt.

Das Museum steht in einer Zone mit erhöhter Erdbebengefährdung. So kam der Standfestigkeit des Vormauerwerks schon unter diesem Aspekt eine besondere Rolle zu. Zudem wird sich die dunkle Fläche tagsüber stark aufheizen und nachts deutlich abkühlen. Die Ziegel werden sich unter diesen Temperaturschwankungen ausdehnen und zusammenziehen. Das bedeutet, dass der Mörtel genau zu der Festigkeit und dem Ausdehnungsverhalten der Ziegel passen musste, damit keine Risse entstehen können.

Trass-Mörtel für die Ziegelfassade

Den dieser Anforderung gewachsenen Mauermörtel lieferte das Unternehmen tubag aus Kruft in der Eifel. Für Colmar entwickelte man dort einen Trass-Mauermörtel, der sich auch für die Fugengestaltung eignet. Die gemauerten Ziegel mussten daher nicht mehr extra verfugt werden. Stattdessen strichen die Maurer die Fugen direkt im Anschluss an das Versetzen der Steine einfach mit einem sehr schmalen Spatel glatt. Dabei sind die Fugen nicht bündig, sondern leicht zurückliegend ausgearbeitet. So tritt das raue Erscheinungsbild der Oberfläche noch stärker hervor. Leichter hatten die Maurer ihre Arbeit durch die besondere Konsistenz des Mörtels. Er ist nämlich so eingestellt, dass herausquellendes Material nicht abreißt. Dadurch konnten die Maurer ihm mit einer Mörtelkelle leicht abnehmen, damit er die Sichtflächen nicht verschmutzt. Durch die Beigabe von Trass kann man den Mörtel geschmeidig sowie leicht und zeitsparend verarbeiten. Die Trassbeigabe verringert auch deutlich das Risiko von Ausblühungen auf der Fassade.

Sonderplatinen als Mauerwerksanker

Neben dem Mörtel spielten weiterer Faktoren eine wichtige Rolle für die Standsicherheit. So wurden gemeinsam mit Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger speziell für Colmar Sonderplatinen als Mauerwerksanker entwickelt. Jäger, ein Spezialist für Tragwerksplanung, stand den Architekten bei den umfangreichen statischen Berechnungen zur Seite. Die Anker umfassen pro Platine drei u-förmige dünne Stahlbügel, die beweglich gestaltet sind und zwischen die einzelnen Ziegellagen eingearbeitet wurden. Mit den drei Bügeln greift eine Platine in mehrere Ziegellagen, ohne sie komplett zu fixieren. Alle 1,5 x 1,2 m sind diese Platinen im Beton verankert. Zusätzlich arbeiteten die Mau­rer in den Mörtel in regelmäßigen Abständen eine bandartige Bewehrung ein.

Große Wandflächen erfordern sorgfältige Verarbeitung

Den Fassadenaufbau des neuen Museumsflügels übernahm das Unternehmen Groupement GFC Scherberich. An der Stahlbetonwand brachten die Handwerker zunächst die Spezialanker an. Diese wurden fest in der Betonwand verschraubt. Auf die Betonwand kam dann eine Hochleistungswärmedämmung, die mit entsprechenden Aussparungen für die Anker versehen werden musste. Zuletzt zogen die Maurer die Ziegelwand hoch. Die Ziegel vermauerten sie dafür vollflächig in der Stoß- und der Lagerfuge. Durch die enorme Höhe der Wandflächen kam es hier auf ein vollkommen senkrechtes Aufmauern der Fläche an. Deshalb legten die Maurer an der planen Rückseite der Ziegel ein Senkblei an und achteten Lage für Lage streng auf das Lot.

Besondere Sorgfalt war auch in einer anderen Hinsicht gefragt. Es durfte kein Mörtel auf der Rückseite der Wand herunterfallen. Am Boden zwischen Betonwand und Vormauerwerk befinden sich nämlich die Ablauföffnungen für anfallendes Wasser, und Mörtelreste könnten diese schnell verstopfen. Hilfreich war auch hier die plastische Beschaffenheit des Trass-Mörtels, die verhinderte, dass sich einzelne Mörtelreste herauslösen.

In den Mörtel der Lagerfuge legten die Handwerker in regelmäßigen Abständen lange Stahlstangen und -bänder als Bewehrung ein. Genauso regelmäßig bauten sie auch die Bügel der Spezialanker zwischen die Steinlagen ein. So ist die komplette Ziegelwand an vielen Stellen direkt mit der Betonwand verbunden. Da die einzelnen Bügel aber beweglich gelagert sind, behalten die Beton- und die Ziegelwand eine gewisse Unabhängigkeit voneinander. Materialbewegungen werden nur abgefedert weitergegeben.

Gebäude wird historischem Erscheinungsbild gerecht

Ende vergangenen Jahres öffnete das Museum wieder seine Pforten. Durch die neuen Flächen hat es die Möglichkeit bekommen, den künstlerischen Rahmen zu vergrößern und für die Besucher noch attraktiver zu werden. Und auch aus architektonischer Sicht geht es deutlich bereichert aus der Erweiterung hervor. Die Fassade des neuen Gebäudeflügels ist ein Blickfang. Die Mischung aus rauen dunklen Ziegelflächen sowie den Dach- und Wandbereichen mit leuchtender Kupferbekleidung stellt den neuen Erweiterungsbau gleichberechtigt den ehrwürdigen Mauern des alten Klosters gegenüber.

Autor

Guido Wollenberg ist Fachjournalist der Agentur Wollenberg-Frahm PR in Frechen. Er betreut unter anderem die quick-mix Gruppe, zu der auch tubag gehört, bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und schreibt als Autor für die Zeit­schriften bauhandwerk und dach+holzbau.

Raue Fassade aus auf der Baustelle gebrochenen Ziegeln

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