Fotoreportage: Rathaus Marl
Mut und die Begeisterung dafür, einfach mal etwas auszuprobieren, kennzeichnen viele prominente Bauten, die in den 1960er Jahren entstanden sind. Und weil einige davon bereits unter Denkmalschutz stehen, führte die 41. Pressefahrt des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz Ende Juni dieses Jahres in Düsseldorf unter anderem zum Schauspielhaus und zum Dreischeibenhochhaus sowie in Marl zur Scharoun-Schule und zum Rathaus der Stadt. Letzteres steht allein schon aufgrund der Statik zweier Gebäude für die Experimentierfreude und Aufbruchstimmung jener Jahre und daher seit 2015 unter Denkmalschutz. Denn bei zwei der vom Büro Johannes Hendrik van den Broek und Jacob Berend Bakema von 1960 bis 1967 für das Rathaus geplanten Gebäude handelt es sich um die ersten in dieser Größe in Europa als Hängekonstruktion ausgeführten Punkthochhäuser: Auf dem oberen Ende eines Betonkerns, der die vertikale Erschließung aufnimmt, sitzt ein Pilzdach, an dem das Hängewerk so befestigt ist, dass es außen vor der Fassade sitzt. Ursprünglich sollte dieses aus Stahl ausgeführt werden. Die mit der Ausführung der Arbeiten betraute Firma Hochtief führte die Züge damals allerdings in Stahlbeton aus. Aufgrund von Korrosionsschäden wurde bereits 1986 eine Ertüchtigung der Hängekonstruktion erforderlich. Zur Lastabtragung baute man für jeden der maroden Stahlbetonzüge einen Stahlzug im Gebäude ein. „Das alte Stahlbetonhängewerk trägt nur noch 15 Prozent der Last, also im Wesentlichen sich selbst“, sagt Dr. Michael Hoyer von der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen. Die Stahlzüge hätte das mit der Sanierungsplanung nun von der Stadt Marl beauftragte Büro HPP Architekten am liebsten wieder entfernt, da die Züge in den Büros innen vor der Fassade schon sehr stören, jedoch statisch nicht so einfach ersetzt werden können.
Zum Ensemble gehört auch ein Sitzungstrakt, dessen Faltwerk aus Schwerbeton auf nur vier mit Neopren gefüllten Auflagerpunkten sitzt. Größte Herausforderung bei der Planung der nun anstehenden Sanierung ist der Brandschutz: Die Treppenhäuser sind nicht abgetrennt und auch die ursprünglich vorgesehenen Brandabschnitte hatte man in den 1960er Jahren nicht umgesetzt. Das muss natürlich nachgebessert werden.