Goldene Zwiebelhaube
Zimmerer, Spengler, Fahrzeuglackierer, Kirchenmaler und Vergolder in der Aus- und Weiterbildung stellten eine für Bayern so typische „Zwiebel“ vom rohen Holz bis zur Vergoldung her. Sechs Jahre lang begleitete Wolfgang Weigl von der Münchner Berufsbildungsstätte das Projekt.
Was macht man mit seinen Auszubildenden beim jährlichen Stadtgründungsfest im Handwerkerdorf? Zimmerermeister Wolfgang Weigl, Ausbilder an der Berufsbildungsstätte der Bauinnung München, hatte im Jahr 2013 die richtige Antwort. Im Verlauf der sonnigen Tage entstand am Odeonsplatz eine zwiebelartige Turmhaube, wie sie in allen Regionen Bayerns auf Kirchturmspitzen zu sehen und ein untrügliches Symbol für bayerische Lebensart ist.
Dass etwas ganz Besonderes entstehen sollte, war von Anfang an klar. Wolfgang Weigl schwärmt mit Begeisterung von der besonderen Form „seiner“ Turmhaube, die alle Raffinessen des Zimmererhandwerks aufweist.
Ein Jahr später steht die Turmhaube während der Internationalen Handwerksmesse in München am Aktionsstand der Handwerkskammer „Young Generation“ und wird durch einen passenden Pavillon erweitert.
Gewerkeübergreifendes Projekt
Mittlerweile haben auch Spenglerinnen und Spengler der Münchener Spenglerinnung unter Leitung von Helmut Becher die Verblechung der Turmhaube mit Kupferblech am Messegelände begonnen. Sie wird im folgenden Jahr in der Münchner Spenglerinnung durch angehende Meisterinnen und Meister fertiggestellt.
Die Vollendung der Turmhaube durch eine Vergoldung fand im Schuljahr 2018/2019 in der Städtischen Berufsschule für Farbe und Gestaltung in München statt. Fahrzeuglackierinnen und Fahrzeuglackierer im 2. Ausbildungsjahr lackieren die Turmhaube unter der Leitung von Berufsschullehrer Franz Brunnhuber mit einem wetterfesten Lack, der die Basis für die Vergoldung auf Kupfer bildet. Im Spritzverfahren werden, nach aufwendiger Reinigung der Oberfläche, der Grundierungslack und die ockerfarbene Decklackierung zeitgerecht und ressourcenschonend aufgebracht.
Hauchdünne Haut aus Gold
Die Auszubildenen der Berufsschulklasse der Vergolder und Kirchenmaler, ebenfalls im 2. Ausbildungsjahr vergolden, unter den kritischen Augen ihrer Berufsschullehrerinnen, Ingeborg Mende und Margarete Hauser, mit 23 3/4 karätigem Transfergold, die 4 m hohe und etwa 6,40 m im Umfang messende, achteckige Turmhaube. In zwei Tagen werden rund 3500 Blatt Gold auf der Turmhaube verarbeitet. Florian Bannach, Vergoldermeister und Anne Pfefferle, Kirchenmalermeisterin, die beide in der Innung und in der Überbetrieblichen Ausbildung der Kirchenmaler und Vergolder engagiert sind, standen den Auszubildenden mit Rat und Tat bis zum letzten Blatt Gold zur Seite.
Projekt über sechs Jahre
Ihren Aufstellungsort hat die goldene Turmhaube nun, 6 Jahre nach der ersten Idee, in Obernberg am Inn gefunden.
Unbürokratisch und mit „Hand, Herz und Verstand“ versammelte Wolfgang Weigl nach und nach alle notwendigen Gewerke um „seine“ Turmhaube und ermöglichte so allen beteiligten jungen Handwerkerinnen und Handwerkern die Mitarbeit an einem mehr als außergewöhnlichen Projekt.
AutorinMargarete Hauser ist Kirchenmalermeisterin und und stellvertretende Leiterin der Städtischen Fach-, Meister- und Berufsschulen für Farbe und Gestaltung München.