Historische Putztechniken
Vom Rapp-, Besen-, Kamm- und Spritzputz bis zum Kellenwurfputz
Die verschiedenen Stilepochen der Architektur brachten sehr unterschiedliche Putzoberflächen und damit Putztechniken hervor. Ob Rapp-, Besen-, Kamm-, Spritz- oder Kellenwurfputz – diese Techniken gilt es für den Stuckateure, Maurer und Putzer vor allem in der Sanierung neu zu beleben.
Das Verputzen von Steinwänden hat in der Menschheit eine lange Tradition. Schon in der Antike versah man die Wände aus unterschiedlichem Baumaterial mit Kalkputzen und gestaltete die Oberfläche mit reichhaltigen farbigen Bemalungen. Zum Beispiel fand man bei Ausgrabungen in Pergamon verschiedenartig gestaltete Putzreste. Mit dem Übergang vom Holzbau zum Steinbau wurden für Kirchen, Burgen und Stadthäuser unterschiedliche Putzarten entwickelt. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Kalkputze in unterschiedlicher Zusammensetzung. Durch die technische Weiterentwicklung bei der Herstellung von Ziegeln, wurden immer mehr Gebäude in Ziegelmauerwerk errichtet. Diese Gebäude versah man ebenfalls mit Putzen. Im 19. Jahrhundert entstanden verschiedene Architekturstile und die Architekten gestalteten die Fassaden oftmals sehr aufwendig. Besonders an Gebäuden des Historismus kamen unterschiedliche Putztechniken zur Anwendung. Die einzelnen Techniken waren regional sehr unterschiedlich und hingen von den jeweiligen Vorstellungen der Bauherren und des Architekten ab. Auch spielte das örtliche Vorkommen von Zuschlagstoffen und Bindemitteln eine große Rolle. Ende des 19. Jahrhunderts kam verstärkt Zement als Bindemittel zum Einsatz. Damit konnte man bestimmte Natursteinoberflächen imitieren. Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitete man mit so genanntem „Edelputz“, der von der Baustoffindustrie in großen Mengen vorgefertigt auf die Baustelle geliefert wurde.
Zuschlagstoffe und Bindemittel
Als Bindemittel wurden bis Ende des 19. Jahrhunderts hauptsächlich Kalkarten mit oder ohne hydraulischen Bestandteilen und zum Teil auch Gips, Lehm oder Anhydrit eingesetzt. Anfang des 20. Jahrhunderts arbeitete man der höheren Festigkeit wegen verstärkt auch mit Zement. Da es in diesem Zeitraum noch keine geregelten Normen für Putze gab, waren sie sehr unterschiedlich zusammengesetzt. Die Mischungsverhältnisse hingen von verschiedenen Faktoren ab. So beeinflussten sie unter anderem die örtlichen Bautraditionen, die Zusammensetzung der Putze oder auch welche Putzoberfläche erreicht werden sollte.
Putztechniken bestimmen die Fassadenoptik
Die verschiedenen Stilepochen der Architektur brachten sehr unterschiedliche Putzoberflächen hervor. Man versuchte vor allem im Historismus damit auch vergangene Stilepochen wieder zu beleben. Daraus entstanden sehr unterschiedliche Arten der Putztechnik. Diese Tatsache ist bei der Sanierung von historischen Fassaden für Bauhandwerker immer wieder aufs Neue eine Herausforderung. Neben dem glatten Putz gab viele andere angewendeten Putzarten, wie Rappputz, Besenputz, Kammputz, Spritzputz oder Kellenwurfputz sowie noch eine Reihe von nur lokal angewendeten Putzen. Den Rapputz oder auch Rauputz wendete man meist bei Giebelwänden oder Nebengebäuden an. Der grobe Putzmörtel wurde mit der Kelle aufgetragen und nur oberflächlich geebnet. Beim Besenstipputz stellt man zuerst einen rauen, ebenen Unterputz her. Als nächste Lage wird ein feinkörniger, fetter Mörtel aufgebracht. Danach richtet man die Putzfläche mit der Kartätsche ab, und mit Hilfe eines stumpfen Reisigbesens wird die Oberfläche abgestippt. Auch der Kammputz wurde sehr häufig angewendet. Nach Aufbringen einer ersten geebneten und aufgerauten Putzlage wird der fette, relativ dünnflüssige Oberputz aufgetragen. Sofort danach wird danach mit Hilfe eines Kammes die endgültige Oberfläche hergestellt.
Beim Spritzputz wird auf rauem Unterputz mit einem mörtelgetränkten Reisigbesen der Mörtel auf die Oberfläche gespritzt. Dabei schlägt man den Besen gegen ein Holz. Beim Kellenwurfputz wird in historischer Technik der Putz mit der Kelle aus dem Handgelenk an die Wand geworfen, so dass eine Kellenwurfstruktur an der Fassade entsteht.
An Fassaden von Gründerzeithäusern hat man oft eine kleinflächige Unterteilung der Fassade vorgenommen und es kamen häufig mehrere Arten von Putztechniken gleichzeitig zur Anwendung. Die gesamte Fassadenfläche wurden zum Teil noch mit einer Vielzahl von Stuckelementen untergliedert oder ergänzt. Es gibt auch Fassaden, wo kleinteilige Putzflächen mit Natursteinen oder vorgeblendeten Klinkern kombiniert wurden.
Sanierung historischer Putzoberflächen
Vor der Sanierung einer historischen Fassade ist eine enge Abstimmung mit den verschiedenen Gewerken, dem Planer und dem örtlichen Denkmalschutz notwendig. Bei Unklarheiten über das historische Fassadenbild können auch historische Dokumente, wie Zeichnungen aus dem Errichtungszeitraum oder Fotos weiterhelfen.
Danach muss der Handwerker mit dem Planer gemeinsam festlegen, welche Flächen vollständig erneuert werden müssen oder wo Teile des Fassadenputzes erhalten werden können. Als Erstes muss eine gründliche Untersuchung des Untergrundes vorgenommen werden. Dies kann durch Abklopfen auf Hohlstellen, mit der Abriss- oder Gitterschnittprobe geschehen. Das Ergebnis bestimmt das weitere Vorgehen. Entweder muss der vorhandene Putz komplett oder nur in Teile entfernt werden. Bei erwiesener Tragfähigkeit des vorhandenen Putzes kann auf diesem im Dünnschichtverfahren die Sanierung fortgesetzt werden.
Die vorgefundenen Untergründe können sehr verschieden sein. Ist man sich bei der Auswahl des Putzmörtels nicht sicher, sollte man einen Fachmann für historische Putze, zum Beispiel einen Restaurator im Maurerhandwerk, zurate ziehen. Bei der Auswahl der Mörtelsorte bieten auch die Herstellerfirmen für historische Putze eine entsprechende Fachberatung vor Ort an. Von verschiedenen Mörtelherstellern wird für historisch wertvolle Gebäude ein spezieller Service angeboten. Fachleute entnehmen dann eine Probe vor Ort, und es wird für das Sanierungsobjekt ein speziell gemischter Putzmörtel hergestellt.
Weiterbildung in historischen Putztechniken
Für die Aneignung historischer Putztechniken gibt es eine Reihe von Weiterbildungsmöglichkeiten. So bieten Mörtelhersteller Seminare auf dem Gebiet historischen Putztechniken an. Eine weitere Möglichkeit, sich auf diesem Gebiet zu qualifizieren, sind die Angebote von Weiterbildungseinrichtungen, wie die Propstei Johannesberg gGmbH in Fulda, das Bildungszentrum des Fördervereins für Handwerk und Denkmalpflege e.V. im Schloss Trebsen oder die Akademie des Handwerks im Schloss Raesfeld.
Eine traditionelle Möglichkeit ist die Aufnahme von zünftigen Wandergesellen des Bauhandwerkes. Diese Gesellen lernen auf ihrer Wanderschaft in Deutschland und Europa zum Teil unterschiedliche Handwerkstechniken auf dem Gebiet der historischen Putze in verschiedenen Betrieben kennen und können dieses Wissen an die Mitarbeiter weitergeben.
Literatur zu historischen
Putztechniken
Einen guten Überblick zum Thema historische Putze bietet das 2011 im Verlag Sandstein erschienene Fachbuch von Albrecht Gasch und Gerhard Glaser: Historische Putze. Materialien und Technologien. 124 Seiten, 29,80 Euro. Die beiden Autoren haben langjährige Erfahrung auf dem Gebiet des Denkmalschutzes. Es richtet sich an den geübten und qualitätsbewussten Handwerker und beinhaltet eine Anleitung zur Neuerstellung verschiedener Putzarten.
Autor
Dipl.-Ing. Lutz Reinboth ist Bauingenieur in Leipzig, Fachautor und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk.
Historische Putztechniken gilt es für den Stuckateur, Maurer und Putzer vor allem in der Sanierung neu zu beleben