Gestaltungsmöglichkeiten von WDV-Systemen mit Putz
Die Fassade ist weit mehr als nur eine Schutzhülle. Fassaden verleihen einem Bauwerk eine individuelle Schönheit und Ausstrahlung. Auch und gerade auf dem WDV-System gibt es dafür sehr vielfältige Putz-Möglichkeiten – von klassisch bis modern, von historisch bis kreativ.
Individueller Charme an Fassaden gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dabei kommen nicht nur neue, kreative Putztechniken zum Einsatz. Neben modernen Erscheinungsbildern werden an Fassaden auch aktuelle Techniken mit historischen Putzweisen kombiniert. Putze sind somit mehr als nur ein Wetterschutz oder Barriere gegen mechanische Belastung. Was häufig nicht so ganz klar ist: Auch auf Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) können all diese Techniken angewandt werden. Die oft wiederholte Aussage, mit WDVS könnten nur triste „Einheitsfassaden“ mit „uniformen Charakter“ erstellt werden, gilt längst nicht mehr.
Maximale Vielfalt
Das Spektrum reicht dabei vom Klassiker, dem Kratzputz, bis hin zu imitierten Holzoptiken auf WDVS. Alle Oberflächen sind durch ihre Komponenten über die bauaufsichtlichen Zulassungen / allgemeinen Bauartgenehmigungen erfasst und abgedeckt. Nahezu jede erdenkbare Optik kann mittlerweile in Fassadensystemen umgesetzt werden – vom Neubau über Renovierung bis zur Denkmalschutzaufgabe – modern, klassisch, historisch und kreativ. Grundlage für die Ausführung der entsprechenden Oberfläche ist immer das fertig armierte WDVS. Der systemspezifische Oberputz beziehungsweise die Schlussbeschichtung kann die kreative Putztechnik sein.
Historische Putztechniken haben eine lange Tradition im Bauwesen und erleben heutzutage eine Art Wiedergeburt. Immer wieder wurden die Techniken auch durch die Zuhilfenahme von Maschinentechnik verfeinert. Gleichzeitig kam und kommt es stets zu Variationen verschiedener Techniken. Über die Jahre haben sich auch die Putze und Baustoffe weiterentwickelt. Alle Putztechniken vereinen die unzähligen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Bearbeitung oder dem Auftrag des Putzes und die Tatsache, dass sie vor allem handwerkliches Geschick erfordern.
Kammzug in zwei Putzlagen
Die Oberflächenstrukturierung mit „Kammzug“ wird zu den historischen Gestaltungen gezählt und wurde im Historismus und Jugendstil eingesetzt. Waagerecht, wellenförmig oder senkrecht gezogene Kammstrukturen werden zum Absetzen verschiedener Fassadenbereiche genutzt. Neben einem Putzkamm aus Stahl oder Hartholz kann auch ein sehr grobes Stahlsägeblatt verwendet werden. Die Erstellung dieser Struktur erfolgt in zwei Putzlagen, um Risse zu vermeiden. In die frische zweite Putzlage wird dann die Struktur mit dem Putzkamm eingezogen. Wichtig ist hier ein absatzfreies Arbeiten. Durch den Einwurf von Glimmer oder farbigen Putz können zusätzliche Effekte erreicht werden.
Kreative Trends: von Holz …
Heutzutage werden historische Oberflächen gern mit neuen, kreativen Techniken gemischt, um spezielle Effekte an der Fassade zu provozieren. Einer der aktuellsten Trends auf WDV-Systemen ist die „Holzpaneeloptik“. Es werden keine Paneele verklebt oder Holz verwendet. Vielmehr wird mit speziellem Werkzeug und handwerklichem Geschick eine Holzoptik in einem mineralischen Putz erzeugt. Mit einer Matrize wird die Struktur in den frischen Oberputz eingedrückt. Die Farbgebung erfolgt mit einer Lasur und wird dann vorsichtig mit einem Schwamm abgewischt, um die vermeintliche Maserung des Holzes hervorzuheben.
… über Sichtbeton …
Realistisch wirkende Sichtbeton-Wände, individuell modelliert in betongrauen Farbtönen, gehören inzwischen fast schon zum Mainstream, selbst auf dem WDVS. Bei dieser täuschend echten „Betonoptik“ wird frischer, mineralischer Oberputz nach dem Aufkämmen wieder ausgeglättet. Dabei werden jedoch nicht alle Löcher und Unebenheiten geschlossen, um die typische Betonoberfläche mit Lunkern nachzustellen. Anschließend werden mit Latten und Ringen die charakteristischen Abdrücke der Schaltafel vorsichtig eingedrückt. Nachträgliche Veredelungen können durch Farbe oder Schleifen erfolgen.
… zu Naturstein
Auch eine „Natursteinoptik“ ist auf WDV-Systemen möglich. Mit kreativer Putztechnik und entsprechender Farbgebung können ganze Natursteinfassaden nachgebildet werden. Der Oberputz wird mit Strukturbürste und Stachelwalze bearbeitet, die Fugen anschließend mit einer Maßschiene eingezogen. Nach der Trocknung des Putzes werden die Flächen als auch die Fugen unterschiedlich farbig behandelt, um den Naturstein nachzustellen.
Kreative Klassiker von Glimmer …
Der Einwurf oder Zusatz von Glimmer im Oberputz schafft Effekte. Auch die Technik des „Decosplittings“ zählt hierzu. In eine Trägerschicht wird der gewünschte Zuschlagstoff eingestreut beziehungsweise eingeworfen und anschließend leicht angedrückt. Wird der frische Oberputz des WDVS mit Strukturrolle, Pinsel oder Streichroller modelliert, entsteht ein so genannter „Rollputz“. Der funktioniert mit beliebigen Rauigkeiten. Diese Methode zählt zudem zu den einfachen kreativen Putztechniken.
… bis Besen
Herausfordernder ist der „Besenstrich.“ Hierfür werden die Putzflächen im noch feuchten Zustand mit einem Besen waagerecht oder senkrecht strukturiert. Es erfordert entsprechende Übung, um Ansätze, aber auch Abschlüsse, zum Beispiel an Fenstern oder Türen, sauber zu erstellen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Besen (Kunststoff, Reisig oder Stroh) können sehr feine bis grobe oder auch rustikale Oberflächen entstehen.
Italienischer Touch
Beim „Sgraffito“, einer althergebrachten Dekorationstechnik, werden eine oder mehrere übereinander liegende Putzschichten nach vorgegebenem Muster ausgekratzt, so dass freigelegte, erhabene Strukturen entstehen. Das Sgraffito ist hinsichtlich seiner Entstehung der Renaissance in Italien zuzuordnen. Diese Putztechnik erfordert eine detailgenaue Planung mit anschließender 1:1 Übertragung an die Fassade und kann somit für echte Hingucker sorgen. Auch eine „Klinkeroptik“ kann mit Sgraffito geschaffen werden. Dabei werden mit dieser Putztechnik Klinkersteine modelliert und durch farblich abgestimmte Fugen erhaben ausgebildet.
Modern ist auch, was sich lohnt
Was ist nun gerade modern? Alle beschriebenen Oberflächen können gerade modern sein. Wie immer liegt diese Entscheidung im Auge des Betrachters beziehungsweise Auftraggebers. Hervorzuheben sind sicherlich die Holz- und Betonoptik, wie auch die Klassiker Kammzug und Besenstrich. Für Handwerker bieten kreative Putztechniken eine Möglichkeit zur Differenzierung. Referenzen mit herausragenden, außergewöhnlichen Putzoptiken schärfen das eigene Profil und helfen, sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Hinzu kommt noch, dass kreative Putztechniken schon in der Angebotsphase Chancen bedeuten, um leidigen Preisdiskussionen und unseriösen Überkreuz-Vergleichen zu entgehen.
AutorDipl.-Ing. Architekt Joachim Pöcking ist Produktmanager bei Heck Wall Systems in Marktredwitz.