Innere Wandlung
Umnutzung einer alten Industriemühle in Neustadt (Dosse) zum Reit-Internat

Bei der Umnutzung einer alten Industriemühle in Neustadt (Dosse) zu einem Wohnheim für Schüler eines Reit-Internats wurde der Niedrigenergiestandard erreicht. Mit dem Umbau erhielt das Backsteingebäude ein zusätzliches Geschoss in Trockenbauweise.

Der Abriss der Mühle Spiegelberg in Neustadt-Dosse wurde bereits diskutiert. Seit Beginn des neuen Schuljahres geht es im Gebäude jedoch wieder lebhaft zu: Das Industriedenkmal wurde zum Wohnheim der Prinz-von-Homburg-Schule umgebaut. Rund 80 Schülerinnen und Schüler sind hier untergebracht. 

Typisches Mühlengebäude mit langer Geschichte

Das vermutlich nach 1890 errichtete rote Backsteingebäude mit innen liegendem Holzbau hat eine Grundfläche von rund 32 x 12 m und ist ein typisches Mühlengebäude der Gründerzeit. Es gilt als herausragendes Zeugnis der regionalen Baukultur. Als höchstes Gebäude auf dem Spiegelberg ist die alte Mühle mit ihren vier Geschossen weithin sichtbar. Sie geht zurück auf eine Spiegelmanufaktur, die hier in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Auftrag des Königs hochwertige Spiegel produzierte. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte der Umbau zu einer Mahlmühle, später wurde sie unter wechselnden Besitzern als Dampf- und Wassermühle betrieben. Noch heute befinden sich mehrere große Antriebswellen im Erdgeschoss. Es folgte eine Nutzung als Lagergebäude; erst Anfang der 1990er Jahre wurde die Nutzung eingestellt. Seitdem stand das Gebäude leer. 2006 wurde es schließlich vom Amt Neustadt (Dosse) mit dem Ziel der Erweiterung der Internatskapazitäten erworben. Aber erst nachdem der Sanierungsträger, die BSG Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH, die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens geprüft hatte, wurde 2008 der Umbau zum Wohnheim in Angriff genommen.

 

Nutzerorientierter Umbau unter Erhalt der Bausubstanz

Der fast 20jährige Leerstand hatte deutliche Spuren in der Bausubstanz hinterlassen. Die konstruktiven Elemente waren teilweise so stark geschädigt, dass zwischenzeitlich nicht sicher war, ob das Gebäude trotz der Aufnahme in die Denkmalliste des Landkreises erhalten werden konnte. Realisiert wur-
de schließlich ein Konzept, bei dem die Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner im Vordergrund standen. Zusätzlich mussten die Anforderungen des Denkmalschutzes berücksichtigt werden. So wurde der historische Ausdruck des Gebäudes kaum verändert. Lediglich im Erdgeschoss haben die Architekten die Fenster etwas vergrößert, um mehr Licht ins Innere zu bringen. Aus energetischen Gründen wurde der Bau außerdem mit modernen Fenstern, die in ihren Proportionen jedoch den ursprünglichen Eisenfenstern entsprechen, ausgestattet. Nur an einer Stelle haben die Architekten ein historisches Eisenfenster erhalten. Hier wurde von innen ein modernes Isolierglasfenster dahinter gesetzt. „Diese Lösung“, erklärt die Architektin Sonja Bayer von dem mit der Umbauplanung beauftragten Berliner Architektenbüro Bühlmeyer, „konnte aus Kostengründen jedoch nicht für den gesamten Bau durchgeführt werden.“

Auf insgesamt fünf Etagen stehen für die Schüler Zwei- und Dreibettzimmer zur Verfügung. Ältere Schülerinnen und Schüler können von den Annehmlichkeiten mehrerer Maisonettewohnungen profitieren, die Platz für drei oder vier Bewohner bieten. Am Eingang der einzelnen Etagen befindet sich ein Erzieherinnenzimmer. Auf jeder Etage sind drei Bäder mit Duschkabinen und mehreren Toiletten, außerdem eine Teeküche. In Sitzecken auf den Fluren können sich die Schüler treffen. Zur Unterbringung von persönlichen Reitsachen ist ein separater Raum vorgesehen.

Während die Wohnräume auf den oberen Etagen verteilt sind, befinden sich im Erdgeschoss die Rezeption, der Speiseraum mit dem angrenzenden Küchen- und Sanitärtrakt, außerdem Fernseh- und Gesellschaftsräume sowie Computerarbeitsplätze. Eine Tür zur Terrasse ermöglicht den direkten Zugang zu Hof und Schlosspark, in dessen Gelände die Mühle eingebunden ist.

Die mit der Planung und Durchführung des Umbaus beauftragten Architekten gingen behutsam und in enger Absprache mit dem Denkmalamt vor. „Die Philosophie des Büros“, erklärt Sonja Bayer, „ist, vorhandene historische Substanz und die neue Nutzung zu einer Einheit zu verschmelzen. Alt und neu bleiben erkennbar, Zeitspuren sind sichtbar und verweisen auf die Geschichte.“

Dabei untersuchen die Architekten, die auch als Holzgutachter tätig sind, die vorhandene Bausubstanz ganz genau: „Wenn sich dabei herausstellt, dass Schäden vorhanden sind, dann wird der betreffende Balken oder die entsprechende Stütze ausgewechselt. Manchmal auch nur Teile davon.“ Allerdings: „Elemente die wir hinzufügen, formulieren wir auch modern, so dass sie gleich als neu erkennbar sind.“ Aber schon allein aus Kostengründen, betont Sonja Bayer, würden sie einen historischen Bau niemals entkernen.

So ist es auch im vorliegenden Fall gelungen, die Sanierung inklusive der funktionsgerechten Inneneinrichtung, die ebenfalls vom Architekturbüro individuell für jedes Zimmer entworfen wurde, im Rahmen des knappen Budget durchzuführen. Insgesamt beliefen sich die Baukosten netto mit Möblierung auf 1248 Euro pro Quadratmeter. „Das ist,“ so Architektin Bayer, „im Vergleich zu ähnlichen Objekten absolut günstig und verwundert angesichts der verwendeten hochwertigen Materialien.“

 

Vorsatzschalen und neue Innenwände in Trockenbauweise

Entsprechend der Architektenphilosophie wurde in den unteren Ebenen der Mühle die historische Bausubstanz so weit wie möglich erhalten. Schadhafte Stellen konnten ausgebessert werden. Um den Bau an die Erfordernisse modernen Wohnens anzupassen, bekam das alte Ziegelmauerwerk eine innenseitige Vorsatzschale aus 2 x 12,5 mm dicken Fermacell Gipsfaserplatten, welche die Trockenbauer auf einer Metallunterkonstruktion befestigten. Die Dämmung im Wandhohlraum wurde mit Zelluloseflocken aus Berliner Altpapier ausgeführt. In Kombination mit einer Hochleistungs-Dampfbremse, die wechselnden Lastfällen gerecht wird, entstand so eine diffusionsfähige Konstruktion.

Abgesehen von zwei aussteifenden Wänden gab es ursprünglich in der alten Mühle keine Zwischenwände. Die räumliche Unterteilung gelang durch nichttragende Montagewände, die je Wandseite mit 2 x 12,5 mm dicken Gipsfaserplatten auf einer Metallunterkonstruktion beplankt wurden. Die Dämmung im Wandhohlraum erfolgte aus Brandschutzgründen mit 50 mm Mineralwolle (Rohdichte 50 kg/m³). Entstanden ist damit eine sehr schlanke, nur 100 mm Wandkonstruktion – eine feuerbeständige Ausführung in der Brandschutzklasse F90-A. Im Schallschutz erreichen die Wände einen Wert von Rw,R 50 dB. Das relativ geringe Gewicht von etwa 64 kg/m² ist speziell für Sanierungsvorhaben mit wenig tragfähigen Decken interessant. Im vorliegenden Fall war schon allein durch die sehr dicke Holzbalkenkonstruktion von rund 24 cm eine hohe Tragfähigkeit gegeben, so dass statische Probleme nicht auftraten.

 

Verarbeitung der Gipsfaserplatten

Die Trockenbauer verwendeten Platten in den Größen 1,25 m x 2,00 m (b x h). Bei der Montage wurde die untere Lage lediglich stumpf gestoßen. Die Befestigung erfolgte auf der Stahlunterkonstruktion mit Schnellbauschrauben 3,9 x 30 mm im Abstand von
≤ 25 cm. Anschließend montierten die Trockenbauer die zweite Plattenlage mit Stoßversatz und befestigten diese direkt in der unteren Lage. Die Plattenfugen führten sie als Klebefugen aus. Nach Aushärten des Materials – je nach Raumtemperatur muss dafür eine Zeit von 12 bis 36 Stunden veranschlagt werden – wurde überschüssiger Kleber mit einem Spachtel abgestoßen. Die Fugen und die Befestigungsstellen wurden anschließend nachgespachtelt, so dass eine glatte, malerfertige Oberfläche entstand.

 

Deckenkonstruktionen der Brandschutzklasse F60-B

Auch für die Decken konnten die behördlichen Vorgaben zum vorbeugenden Brandschutz, die eine hochfeuerhemmende Ausführung in der Brandschutzklasse F60-B forderten, mit einer doppelten Beplankung aus 12,5 mm Gipsfaserplatten und Mineralfaserdämmung erfüllt werden. Oberseitig wurde im Obergeschoss die Deckenkonstruktion auf der Schalung mit Fermacell Estrich-Elementen versehen. Die Architekten setzten hier ein insgesamt 30 mm dickes Element mit Holzfaserdämmung ein. Dabei werden zwei 10 mm dicke Gipsfaserplatten miteinander verbunden und unterseitig mit einer ebenfalls 10 mm dicken Holzfaserplatte zur Trittschalldämmung kaschiert. Ein 50 mm breiter Stufenfalz macht die Verlegung einfach, bei der der Estrichkleber auf den Falz aufgetragen und dann das nächste Element aufgesetzt wird. Mit der anschließenden Verschraubung entsteht eine stabile Verbindung, die nach dem Aushärten des Klebers innerhalb weniger Stunden voll belastbar ist.

 

Sanitärräume aus zementgebundenen Leichtbauplatten

Sämtliche Nassbereiche wurden mit bodengleichen Duschen ausgestattet. Der Ausbau erfolgte mit wasserfesten, zementgebundenen Leichtbetonbauplatten. „Wir wollten hier“, erklärt Architekt Reinhard Bühlmeyer die Materialwahl, „ganz auf Nummer sicher gehen. Erfahrungsgemäß duschen Jugendliche in der Altersklasse zwischen 12 und 19 Jahren sehr häufig und sehr ausgiebig. Hier wollten wir kein Risiko eingehen und haben uns für einen Baustoff entschieden, der wasserfest ist.“

Eingesetzt wurde Fermacell Powerpanel H2O für die Wände und das Estrich-Element Powerpanel TE. Die beidseitig mit einem alkaliresistenten Glasfasergewebe armierten Leichtbeton-Platten mit Sandwichstruktur sind diffusionsfähig (Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl von µ= 56), Schimmelpilz-resistent und vor allem widerstandsfähig gegen Wasser.

 

Aufstockung im vierten Obergeschoss

Während in den unteren Ebenen der Mühle die vorgefundene historische Bausubstanz so weit wie möglich erhalten blieb, wurde das Gebäude im vierten Obergeschoss aufgestockt. „Wir haben hier eine zusätzliche Ebene eingefügt“, erzählt die Architektin, „um die vorgesehenen 80 Schüler unterbringen zu können und um die Forderung nach zusätzlichen Fluchtwegen zu erfüllen.“ Die Aufstockung, so die Planerin, sei problemlos möglich gewesen, da das Dach wegen seines schlechten Zustands ohnehin erneuert werden musste. Die Aufstockung und die damit verbundene Anhebung des Daches erfolgte mit einem kleinen Kunstgriff: Das Architektenteam stellte in die vierte Etage eine Holzkonstruktion hinein, die zunächst als Vorsatzschale mit einer doppelten Lage aus 12,5 mm Gipsfaserplatten und Zelluloseflocken für die Dämmung der Außenwand sorgt. Die Konstruktion wurde hinter der Fassade hochgeführt, die Vorsatzschale wird damit zur Außenwand. Im Ergebnis erscheint das neue Geschoss wie ein Staffelgeschoss. Ganz selbstverständlich tritt es hinter der alten Backsteinfassade zurück. Mit den Gipsfaserplatten konnte zudem das ökologische Konzept der Architekten rationell, schnell und kostengünstig realisiert werden. Durch die Kombination von Gipsfaserplatten mit einer Dämmung aus Zelluloseflocken und Solarthermie, sowie durch Nutzung von Synergien der benachbarten KiTa erreicht das Gründerzeitgebäude Niedrigenergiestandard gemäß der gültigen EnEV. Die Baukosten liegen dabei inklusive der speziell für das Gebäude angefertigten Möbel mit 1248 Euro netto inklusive Ausstattung weit unter Neubauniveau.

Bei der Aufstockung wurde die Konstruktion hinter der Fassade hochgeführt – die Vorsatzschale wird damit zur Außenwand

Baubeteiligte (Auswahl)

 

Bauherr Amt Neustadt (Dosse), Neustadt, Brandenburg 

Investor/Sanierungsträger BSG Brandenburgische Stadterneuerungsgesellschaft mbH 

Planung Sonja Bayer, Reinhard Bühlmeyer, Architekturbüro Bühlmeyer, Berlin 

Innenausbauarbeiten Spoma Parkett und Ausbau, Zahrensdorf 

Technische Beratung Thomas Kawka, Fermacell, Duisburg, www.fermacell.de

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