Kalkputz für das Bezirksrathaus Bad Cannstatt

Mit viel Fingerspitzengefühl gelang es den Architekten der Manderscheid Partnerschaft, das historisch bedeutsame Bezirksrathaus Bad Cannstatt zu modernisieren und seine Geschichte zu bewahren. Innen prägen weiße Kalkputzflächen den Raumeindruck und sorgen für ein angenehmes Raumklima.

Im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt war es mehr als nur eine unangenehme Tatsache, dass mit dem Bezirksrathaus eines der prägenden Gebäude der Altstadt aufgrund einer umfassenden Sanierung lange verhüllt war. Das historische, vermutlich als Kornhaus, Lagerhalle oder Markthalle erbaute Gebäude aus dem Jahr 1490/91 bildet im größten Stuttgarter Stadtbezirk häufig die Kulisse für die Höhepunkte im Kalender der Bewohner.

Im Zuge der 2013 abgeschlossenen Sanierung galt es die schlechte Bausubstanz zu ertüchtigen und den mangelhaften Brandschutz zu verbessern. Außerdem musste man den Bauschäden im südöstlichen Teil begegnen. Hier war die Gebäudeecke im Laufe der Jahre um bis zu 80 cm abgesackt. Um auf diese Herausfor­derungen adäquat reagieren zu können, beauftragte das Hochbauamt der Stadt Stuttgart die im Umgang mit historischen Gebäuden erfahrenen Architekten der Manderscheid Partnerschaft.

„Neues soll als solches erkennbar sein. Je wertvoller die Substanz, umso zurückhaltender wird das neue Bauteil eingefügt“, lautet die Grundhaltung der Architekten. Deshalb unterschieden sie zwischen dem Erhalt der historischen und geschichtlich wichtigen Elemente und der Erneuerung und Ertüchtigung des Gebäudes. Statt einer historistischen Rekonstruktion entschieden sie sich für einen sichtbaren Umgang mit alter Substanz und neuen Bauteilen. Ein Anbau mit Toiletten und Nebenräumen wurde abgerissen an der südöstlichen Gebäudeecke durch ein neues Sicherheitstreppenhaus ersetzt. Die neue Betonkonstruktion ist vom übrigen Gebäude durch eine leichte Kante abgesetzt. Zudem markieren zwei weitere Elemente den neu hinzugefügten Teil: Streckmetall-Elemente aus Kupfer heben sich von den ansonsten verwendeten Klappläden aus Holz ab und die Geschosslinien verlaufen gerade, während sie beim Altbau schräg verlaufen.

Auch innen tauchen immer wieder die bewusst gewählten Kontraste zwischen alt und neu auf. Stützbalken, alte Durchbrüche und Stuckfriese wurden freigelegt und weiß getüncht. Dadurch macht man sie bemerkbar, sie stechen jedoch nicht als eigenständige Gestaltungselemente hervor. Im neuen Anbau, der als Treppenhaus dient, wurde dagegen auf jegliche historistische Gestaltung verzichtet. Glastrennwände zum alten Teil hin grenzen diesen Bereich ab und dienen dem Brandschutz. Mit blauen Stahltreppen, blauen Handläufen und Treppenfassungen aus Stahl hebt sich der neue Teil auch optisch vom Bestand ab und nimmt trotzdem Verbindung zum Alten auf. So weisen auch im historischen Flur blaue Stahlelemente auf die Zugänge zum Treppenhaus und den eingebauten Aufzug hin.

Rotkalk reguliert Luftfeuchte

Ein weiteres verbindendes Element ist der Boden. Der gesprenkelte Terrazzo kontrastiert sehr gut mit den weißen Putzflächen der Wände und Decken. Für diese verwendeten die Mitarbeiter der Stuckateur Kraft GmbH einen Kalkputz des Typs „Rotkalk Grund“ sowie „Rotkalk Fein“ von Knauf. Da dieser zudem mit einem weißen Kalk getüncht wurde, ergeben sich Innenräume mit einer sehr guten, natürlichen Luftfeuchteregulierung. Die Stuckateur Kraft GmbH erhielt dabei besonders von den Planern ein großes Lob. „Es ist eine Freude mit Handwerkern zusammen zu arbeiten, die einen Kalkputz zu verarbeiten wissen“, berichtet Architekt Christoph Manderscheid.

Zunächst mussten die meist als nicht tragfähig eingestuften Altputze entfernt werden. Die darunterliegenden, zum Vorschein kommenden Fachwerkwände mussten dann entsprechend ihrer Güte und ihres Alters behandelt werden. Hierzu entfernten die Stuckateure zunächst die übrigen Putz- und Staubreste mit einem Besen und brachten anschließend Wellpappe als Schutz für die Fachwerkbalken auf. Auf diese Pappe sowie auf die übrigen Wände montierten sie ein Distanet Metallgewebe für eine bessere Haftung des aufzutragenden Putzes.

Der Aufbau der Wände besteht aus dem Unterputz „Rotkalk Grund“ mit Dicken von bis zu 10 cm, der maschinell mit der Mischpumpe „PFT G4“ aufgetragen wurde. So entstanden gerade Flächen für die weitere Bearbeitung. Darauf brachten die Handwerker eine 5 bis 7 mm dicke Gewebespachtelung aus „Rotkalk Fein“ auf und ergänzten diese durch „Oberputz Rotkalk Filz“.

Wo die Bestandswände erhaltenswert waren, besserten die Stuckateure die Flächen lediglich aus. Dies war möglich, weil man sich mit Kalkputz für die neu zu erstellenden Wände für das gleiche Material entschieden hatte, aus dem die alten Wände bestanden. Auch die teilweise noch erhaltenen Stuckgesimse wurden so lediglich ausgebessert oder angeputzt, bewusst jedoch nicht restauriert.

Wie gut geeignet „Rotkalk“ für den Einsatz in einem historischen Gebäude ist, zeigte sich besonders beim Ausbau des Dachgeschosses. „Im Dachgeschoss war vor den Putzarbeiten ein extrem schlechter Geruch bemerkbar. Schon wenige Tage nach dem Verputzen war dieser jedoch nicht mehr wahrnehmbar. Im Gegenteil: In den Räumen roch es nun neutral und es gab ein fühlbar besseres Raumklima“, berichtet Knauf Fachberater Markus Brosch, der beim gesamten Projekt beratend zur Seite stand. Einzige Materialausnahme bei den Putzflächen war das neue Treppenhaus. Hier wurde statt Rotkalk der Universalmörtel „Knauf SM 700 Pro“ eingesetzt, weil dieser mineralische Putz auf Beton eine beständige Haftung gewährleistet. Um eine ansprechende Optik zu erreichen bürsteten die Stuckateure den Putz, der hier als Oberputz Verwendung fand. Eine lebendige und raue Oberfläche, die den Rotkalk-Putzflächen in der Optik nicht nachsteht, ist das Ergebnis.

Autor
Andreas Gabriel ist Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Knauf Gips KG in Iphofen.

„Es ist eine Freude mit Handwerkern zusammen zu arbeiten, die einen Kalkputz zu verarbeiten wissen“

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