Kalkputz – die „natürliche Klimaanlage“
Ein Großteil der Bevölkerung verbringt etwa 80 Prozent der Zeit in geschlossenen Räumen. Deshalb ist es für den gesundheitsbewussten Menschen fasst schon Pflicht, die Vorteile ökologischer Baustoffe zu nutzen.
Atmungsaktive mineralische Kalkputze für Innenwände bieten diese Sicherheit.
Die natürlichen Inhaltsstoffe sind im Kalkputz die entscheidenden Faktoren für das Raumklima und die bauphysikalischen Eigenschaften. In neuesten Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik wurde der positive Einfluss von Kalkputz auf das Innenraumklima nachgewiesen. Innenputz auf mineralischer Basis beinhaltet aufgrund seiner porösen Struktur eine sehr gute Diffusionsfähigkeit. Dank dieser Wasserdampfdurchlässigkeit wirkt der Putz feuchtigkeitsregulierend: Überschüssige Luftfeuchtigkeit wird von der Wand aufgenommen und später wieder abgegeben. Wie eine natürliche Klimaanlage führt dieser Effekt zu einem spürbar besseren und gesünderen Raumklima. Gerade für Allergiker können mineralische Innenputze ein deutlich angenehmeres Wohnumfeld bewirken. Ein weiterer wesentlicher Vorteil: Kalkputz ist von Natur aus alkalisch, besitzt also einen hohen pH-Wert. Damit ist der Kalkputz grundsätzlich desinfizierend und schützt vor Schimmel-, Algen- oder Pilzbefall. Auch in Sachen Brandschutz zählen mineralische Innenputze zu den besten: Kalkputze werden mit Brandschutzklasse A1 der höchsten Sicherheitsstufe zugeordnet.
Wie definiert sich Kalkputz?
Ausgangsmaterial für den Baustoff Kalk ist der Kalkstein (Calciumcarbonat). Wird er bei etwa 800 °C gebrannt, entsteht so genannter Branntkalk. Mit Wasser versetzt, bildet sich daraus gelöschter Kalk. Bei einer genau abgemessenen Menge an Wasser entsteht ein Pulver, das als Kalkhydrat bezeichnet wird. Mit einem Überschuss an Wasser kann er über längere Zeit als Sumpfkalk gelagert werden. In früheren Zeiten wurde zum Löschen kein Wasser, sondern feuchter Sand benutzt. Dabei blieben mitunter Kalkklümpchen übrig, die in historischen Putzen als so genannte Kalkspatzen zu sehen sind.
Wird dem Kalkstein Ton zugemischt oder Mergel (ein natürliches Gemisch aus Kalkstein und Ton) verwendet, so entstehen je nach Brenntemperatur (bis etwa 1200 °C) und im Verhältnis dieser Stoffe zueinander hydraulische oder hochhydraulische Kalke. Kalkhydrat bindet allein durch die Reaktion mit der Kohlensäure der Luft ab; er wird daher auch Luftkalk genannt. Hydraulischer Kalk benötigt zum Abbinden sowohl die Kohlensäure als auch Wasser, während hochhydraulischer Kalk allein mit Wasser reagiert und sogar wie Zement unter Wasser abbindet. Er wird somit auch als Wasserkalk bezeichnet. Durch die Zugabe von latent hydraulischen Zusätzen – zum Beispiel Puzzolanerde, gemahlener Bims oder Ziegelmehl – kann die Festigkeit von Luftkalkmörteln deutlich gesteigert werden.
Verschiedene Arten von Kalkputz
Sumpfkalk: Ausgangsmaterial für das Bindemittel Kalk ist Steinkalk aus den Brüchen: der Lesekalk aus dem Geschiebe der Gebirgsflüsse, der Muschelkalk aus den Schalen in früheren Erdzeitaltern angeschwemmter Muscheln und schließlich der Mergelkalk, aus dem man auch den Romanzement und schließlich den hydraulischen Kalk herstellt.
Marmorkalk: Wenn ein besonders reinweißer, kristallinischer Kalk benötigt wurde, brannte man weißen Marmor und löschte ihn zu reinweißem Kalkhydrat. Marmorkalkhydrat wird durch eine mehrere Jahre lange Einsumpfdauer besonders fett.
Weißkalk: Dieses Kalkprodukt wird im industriellen Prozess hergestellt und gebrannt. Dabei bleiben zum geringen Teil wasserbindende, hydraulische Stoffe erhalten und werden mitverarbeitet. Weil solche Verunreinigungen nicht auszuschalten sind, erlaubt heute die Norm DIN 1060 beziehungsweise DIN EN 549 - CL 90 (CL = calcium lime) bis zu 10 Prozent Gehalt an Magnesia, Silikaten und Tonerde.
Dolomit- oder Schwarzer Kalk: Das Kalkprodukt wird aus der Verbindungsmenge Dolomit CaMg (CO3)2 gebrannt. Das besagte Mineralgemenge besteht aus Kalziumkarbonat CaCO3 und Magnesiumkarbonat MgCO3. Der Namensgeber war der französische Mineraloge Déodat Gratet de Dolomieu (1750-1801). Früher wurde das Mineral auch Bitterspat genannt.
Mergel- oder Wasserkalk: Ein Mörtel mit dem Bindemittel Mergel- und Wasserkalk weist bereits eine geringfügig wasserbindende, also hydraulische Erhärtung auf. Dieses Bindemittel wird aus Kalkmergel (75 Prozent Kalk und 25 Prozent Ton) gewonnen und enthält daher erhebliche Beimengungen, nämlich mehr als 10 Prozent, aus Tonerde Al203 und Kieselsäure SiO2.
Zuschläge für historischen Kalkmörtel: Zuschlagstoffe bestehen allgemein aus einem Gemisch an Körnern, in Sonderfällen auch an Fasern oder organischen Stoffen wie Eiweiß oder Milch. Mit Kalk und Wasser vermengt, kann das Gemisch zur Produktion von Putz- oder Mauermörtel verwendet werden. Zuschläge für Kalkmörtel bestehen vorwiegend aus ungebrochenen oder zerkleinerten Natursteinen in Form von Kies und Sand. Daneben kommen auch künstlich hergestellte, vorwiegend mineralische Bestandteile wie etwa Schlacken vor.
Innenräume gestalten mit Kalkputzflächen
Der Handwerker muss darauf achten, dass Anstriche auf Kalkputzflächen die Oberfläche nicht verfestigen oder abdichten. Bei Luftkalkputzen muss der Farbanstrich durchlässig für die Kohlensäure der Luft und für Wasserdampf sein. Reine und vergütete Kalkfarben sowie zweikomponentige Silikatfarben erfüllen diese Voraussetzungen. Einkomponentige Silikatfarben sind nur bedingt geeignet. Ungeeignet sind Silikonharz-Emulsionsfarben sowie wetterbeständige Dispersionsfarben. Unter den ökologischen Putzen und Endbeschichtungen haben Kalkputze die Nase vorn. Mit Kalkputzen lässt sich nicht nur gesund bauen, sondern auch sehr ästhetisch gestalten. Hochwertig verputzte Innenwände unterstützen sowohl ein sachlich-reduziertes Wohnraumdesign als auch warme, mediterrane Inneneinrichtungen. Die verschiedenen Strukturen, die große Vielfalt gestalterischer Möglichkeiten und die vielfältigen Applikationsverfahren geben jeder Kalkputzoberfläche ein einzigartiges Erscheinungsbild.
Kalkputzinnenwände als „Raumluftfilter“ für das persönliche Wohlbefinden ersetzen zwar nicht ein ausreichendes Lüften der Wohnräume, beugen aber gesundheitlichen Schäden vor und bieten einen nachhaltigen Schutz vor Schimmelbefall. Kalkputz haftet auf nahezu allen Untergründen, ist antistatisch und zieht dadurch keine Schmutzpartikel an. Auch der bei Dispersionsanstrichen bekannte Foggingeffekt, der zu dunklen Verfärbungen in den Raumecken führt, tritt bei Kalkputzen nicht auf.
Autor
Maler- und Lackierermeister Wolfgang Christian Cremer ist seit 2006 Fachjournalist für die Ausbaugewerke. Er lebt und arbeitet in Erding und schreibt als freier Autor für die bauhandwerk.
Kalkputz wirkt desinfizierend und schützt vor Schimmel-, Algen- oder Pilzbefall