Leserbrief zum Thema
Wiesengrasdämmung
Zum Fachbeitrag „Grüner Dämmstoff“ des Autoren Gerhard Holzmann (BAUHANDWERK 3/2009, Seite 44 bis 47) erreichte die Redaktion ein durchaus emotionaler Leserbrief, der die mangelnde Sorgfalt der redaktionellen Bearbeitung und die fehlende Seriosität des Beitrags beklagte. Unser Autor hat daraufhin noch einmal umfassend recherchiert und kontaktierte hierzu sowohl den Leserbriefschreiber, den Hersteller der Wiesengrasdämmung sowie eine betroffene Bauherrin. Da der Disput mittlerweile weitgehend beigelegt ist, hat sich die Redaktion entschieden, den Leserbrief anonym zu veröffentlichen.
Der Leserbrief im Wortlaut
„In dem mir übersandten Heft Nr. 3/2009 berichten Sie auf den Seiten 44 ff über den Einsatz eines Dämmstoffes (es handelt sich hier um Dämmstoff aus Wiesengras – die Red.). Nach eigenen, mir vorliegenden Unterlagen (Fotos, Proben, eigene Anschauung) ist dieser Dämmstoff trotz der Zulassung durch das DIBT ungeeignet und in der Praxis mehrfach dergestalt eingebaut worden, dass die Besteller durch die enorme Geruchsbelästigung an der Nutzung der betroffenen Räume gehindert sind und die verarbeitenden Firmen durch Insolvenz außer Stande sind, den entstandenen Schaden zu beseitigen.
Ihre Berichterstattung ist offenbar unter Vernachlässigung der o. g. Umstände geeignet, Handwerker dazu zu verleiten, einen Dämmstoff zu verarbeiten, der nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht und seine Praxistauglichkeit in ausreichendem Maße nicht erwiesen hat.
Ich fordere Sie daher auf, auf diesen Mangel des Artikels in Ihrer nächsten Ausgabe hinzuweisen und behalte mir vor, an geeigneter Stelle von der Qualität ihrer Berichterstattung Zeugnis abzulegen.“
Antwort des Autors
Auch mir ist bekannt, dass der Einblasdämmstoff AgriCell der Firma Biowert, um den es in besagtem Beitrag geht, zu Beginn der Produktion Probleme mit Geruchsbelästigungen hatte. Ich konnte mit einer Umfrage, bei der ich 750 Verbläser im gesamten Bundesgebiet angeschrieben hatte, feststellen, dass sich fünf Handwerksbetriebe negativ äußerten. Weiterhin konnte ich aber durch eine tiefergehende Recherche feststellen, dass es sich hierbei um ein einziges Bauvorhaben handelte. Desweiteren stellte sich heraus, dass bei besagtem Bauvorhaben dem ausführenden Betrieb durchaus bekannt war, dass das Material durch falsche Lagerung nicht vollkommen in Ordnung war. Trotz vorhergehender Bekanntgabe dieses Mangels hatte er besagte Charge geordert und verblasen. Auf eine weitere Anfrage an die Bauherrin dieses misslungenen Projekts erhielt ich folgende Antwort:
„Seitdem die erste Dämmung wegen Geruchsbelästigung von der Herstellerfirma Bio-wert ausgetauscht wurde, habe ich keine Probleme mehr und bin sehr zufrieden. Ich war wohl auch bislang der einzige Fall mit Geruchsbelästigung. Nach dem Ärger mit dem Handwerksbetrieb, der mir die erste Charge eingelegt hat (diese Firma wollte sich jedoch um meine Probleme nicht kümmern) – hat sich Biowert direkt eingeschaltet. Das Unternehmen hat zusätzlich noch eine Dampfbremse verlegt. Das hatte der ausfürende Betrieb bei der ersten Dämmung nicht gemacht. Ich bin ausgesöhnt mit dem Wiesengras.“
Zusätzlich habe ich das Unternehmen Biowert kürzlich ein weiteres mal besucht und mir nochmals die Produktion und die Laborprüfungen angesehen. Zeitgleich war ein Mitarbeiter des Materialprüfungsamtes Nordrhein-Westfalen vor Ort und führt die zur bauaufsichtlichen Zulassung und dem Ü-Zeichen nötigen Kontrollen durch. Weder ich noch der Mitarbeiter des Materialprüfungsamtes konnten hierbei etwaige Mängel feststellen. Nicht auszuschließen ist hingegen die Tatsache, dass es sich bei dem Wiesengras, dass im Leserbrief kritisiert wird, gar nicht um das Produkt von Biowert handelt, sondern um ein Mitbewerberprodukt eines anderen, ursprünglich aus der Schweiz stammenden Unternehmens, das nun im Ostdeutschen Raum ansässig sein soll. Dessen Inhaber war auch nach mehreren Versuchen meinerseits über die letzten Jahre nicht erreichbar. Ergo könnte es sich durchaus um eine Verwechslung handeln.
Stellungnahme des Herstellers
Der Geschäftsführer der Bio-wert Industrie GmbH, Dr. Michael Gass, äußerte sich zum Leserbrief wie folgt: „Die Biowert hat im Frühjahr 2008 eine einzige Reklamation wegen Geruchsbelästigung im Raum Mainz bearbeitet. Es handelte sich um die Dämmung einer oberen Geschossdecke. Ausgeführt wurde die ursprüngliche Dämmung von einem regionalen Zimmereibetrieb, der jedoch die Reklamation sofort an Biowert weiterleitete und sich nicht weiter um seinen Kunden gekümmert hat. Da in diesem Falle eindeutig AgriCell eingebaut wurde, hat Biowert mit eigenem Verblasteam sofort nachgebessert und auf eigene Kosten die schadhafte Einblasdämmung gegen eine Neue ausgetauscht. Der Kunde hat die Arbeit von Biowert positiv gewürdigt. Gerne nennen wir Ihnen unseren Kunden und Sie können sich bei Ihm über die Aktion persönlich erkundigen. Der Zimmereibetrieb, der unser Produkt ursprünglich verarbeitet hatte, ist weder insolvent noch hat er den Schaden beseitigt.“
Anmerkung des Autors
Ich möchte betonen, dass ich bei meinen Recherchen grundsätzlich sehr genau auf die Sachverhalte und Zusammenhänge schaue, über die ich berichte. Der angesprochene Fachbericht basiert auf mehreren Besichtigungsterminen beim Hersteller, wobei ich die Termine so lege, dass ich bei amtlichen Prüfungen beistehen kann. Zudem besuche ich grundsätzlich auch die Verarbeiter der Produkte sowie die Lieferanten der Rohstoffe. Im Fall eines neuen Produktes, wie der Wiesengrasdämmung, versuche ich durch eigene und auch recht aufwendige Umfragen grundsätzlich die Meinungen und Erfahrungen der Zielgruppe (Handwerker und Architekten) zu bekommen. Adressen für solche Umfragen werden dazu manuell zusammen gesucht und nicht über eine Kundendatei des Herstellers angegangen – so kann ich eine neutrales Bild erhalten. Im genannten Fall, wie Sie aus meiner Antwort auf den Leserbrief ersehen konnten, habe ich 750 Verblasbetriebe im gesamten Bundesgebiet angeschrieben und nach ihrer Meinung und Erfahrung mit dem Dämmstoff Wiesengras gefragt. Ich lege also sehr großen Wert darauf, dass ich von allen Seiten Fakten, Erfahrungen und Meinungen erhalte. Erst dann beginne ich Fachartikel zu einem Thema zu verfassen.
Anmerkung der Redaktion
Kontroverse Themen bieten häufig Anlass zu hoch interessanten Diskussionen, die wir mit Ihnen, liebe Leser, in Zusammenarbeit mit unseren Autoren sehr gerne führen. Pauschale Anschuldigungen und Vorverurteilungen sind dabei jedoch kontraproduktiv, zumal sie meist – wie auch in diesem Fall – unbegründet sind oder auf Missverständnissen beruhen. Sollten Sie zu einem Artikel in BAUHANDWERK Diskussionsbedarf sehen, so zögern Sie bitte nicht, uns zu schreiben. Die Redaktion freut sich über jede Zuschrift aus der Leserschaft.