PrototypUmnutzung eines Lagerhauses in Hamburg zum Automobilmuseum
Das markante Backsteingebäude wurde von 1902 bis 1906 als Lagerhaus für die „Hamburger Gummi-Kamm-Co.“ errichtet. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lagerten hier jedoch keine Gummierzeugnisse mehr, sondern alte Autos – das heruntergekommene Gebäude war zur Sammelgarage geworden. Da erscheint es nur konsequent, das nach der Sanierung durch das Hamburger Büro Dinse Feest Zurl Architekten dort im März die Autoausstellung „Prototyp – Personen. Kraft. Wagen.“ einzog.
Die beiden Hamburger Unternehmer Oliver Schmidt und Thomas König sind nicht nur gute Freunde, sondern auch begeisterte Sammler seltener Automobile – deutsche Rennwagen, Sondermodelle, Designstudien und natürlich Unikate lassen das Herz der beiden Hamburger höher schlagen. Ihre Sammlung, die vor über 15 Jahren mit dem Erwerb eines verrosteten VW Kübelwagens gegründet wurde, umfasst mittlerweile mehr als 50 Autos, darunter 15 Porsche 356 und der berühmte „Fetzenflieger-Porsche“ des Rennfahrers und Automobilkonstrukteurs Otto Mathé, den sich dieser nach einem schweren Motorradunfall so umbaute, dass er ihn auch mit seinem einen verbliebenen Arm über die Rennpiste jagen konnte.
Für diese feine Sammlung suchten Schmidt und König nun schon seit einiger Zeit einen passenden Ausstellungsraum, bis sie 2002 am Rande der Hamburger HafenCity auf das zwar denkmalgeschützte, aber mittlerweile doch arg heruntergekommene Backstein-Lagerhaus stießen. Das markante, 1906 fertiggestellte Gebäude ist das letzte Zeugnis des bereits 1842 begonnenen, großen Gebäudekomplexes der Gummifabrik „Hamburger Gummi-Kamm-Co.“ südlich der Speicherstadt. Im Krieg wurde es stark beschädigt und beherbergte nach Kriegsende eine Druckerei. Als auch diese ausgezogen war, stand das Lagerhaus zunächst leer und wurde schließlich von ein paar Autoliebhabern als preiswerte Sammelgarage entdeckt. Die Idee von Oliver Schmidt und Thomas König bestand nun darin, die Atmosphäre des historischen Gebäudes und seiner motorisierten Bewohner auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Zuvor galt es jedoch, noch einige Hindernisse zu überwinden: So liegt das Gebäude mitten im Überflutungsgebiet und wartete aus diesem Grund mit einem beinahe dauerhaft unter Wasser stehenden Keller auf. Weiterhin gehörte das Gebäude nicht zur Vermarktungsgesellschaft der Hamburger HafenCity, so dass erst einmal der Besitzer ausfindig gemacht werden musste.
Umnutzungsplanung
Als auch dies erledigt war und die neu gegründete „Lohseplatz 1 Immobilien GmbH“ das Denkmal schließlich erworben hatte, mussten sich die beiden Autoliebhaber zunächst einmal Gedanken über die Nutzung des Gebäudes machen, denn: Selbst für die umfangreiche Sammlung von Oliver Schmidt und Thomas König war das ehemalige Lager mit seinen sechs Geschossen viel zu groß.
Aufstockung
Bestandsaufnahme
Um das Gebäude dauerhaft gegen Hochwasser zu schützen und damit auch den Keller ins Nutzungskonzept einbeziehen zu können, musste das ehemalige Lagerhaus von unten und umlaufend von der Seite gegen anstehendes Wasser geschützt werden. Zunächst entfernten die Handwerker deshalb die alte Kellersohle, schachteten das Erdreich um weitere 40 cm aus und bauten einen so genannten Flächenfilter samt Flächenfilterdrainage ein. Danach gossen sie eine neue, 30 cm dicke Sohle in WU-Beton. Von außen wurden die Bestandskellerwände lediglich gesäubert und anschließend eine Bitumendickbeschichtung sowie eine Perimeterdämmung aufgebracht.
Sanierung der gemauerten Kellergewölbe
Die Gewölbedecken des Kellers wurden von den Handwerkern zunächst vom alten Putz befreit und dann lediglich mit dem Sandstrahler gesäubert. Probleme gab es hingegen völlig unerwartet mit den 1,5 x 1,5 m dicken, ebenfalls gemauerten Gewölbestützen. „Nach einer Kernbohrung stellte sich heraus, dass nur die äußere Steinreihe sauber gemauert war“, erinnert sich Peter Dinse. „Dahinter fanden wir eine Mischung aus Bauschutt und Zementmörtel. Damit war klar, dass diese Stützen die zu erwartenden zusätzlichen Lasten der geplanten Aufstockung nie und nimmer würden aufnehmen können.“ Die Lösung fand sich in Form einer 20 cm dicken Betonummantelung mit konstruktiver Bewehrung in Kombination mit neuen Zugbändern aus Glasfaserbeton, welche die alten Stahlstreben ersetzen.
Fassadensanierung
Zum Leidwesen der Architekten wie auch der Bauherren löste sich die originale Backsteinfassade großflächig vom qualitativ eher mäßigen, mit Gipsanteilen durchsetzten Hintermauerwerk. „Wir hätten die schadhaften Stellen gerne rückverankert statt komplett ausgetauscht. Leider war dies an vielen Stellen unmöglich, so dass letztlich über 50 Prozent der Vorsatzschale erneuert werden musste“, erklärt Architekt Peter Dinse. Damit avancierte die Reparatur des Außenmauerwerks zum größten Kostenfaktor der gesamten Umnutzung.
Stahltragwerk
Die Handwerker befreiten die für die Speicherstadt charakteristischen, genieteten Gusseisenstützen von ihren hässlichen Verkleidungen, wobei im obersten Geschoss sogar seltene, gelenkig gelagerte Pfetten ans Tageslicht kamen. Freilich hatte das Tragwerk hier auch unter dem Bombentreffer aus dem Zweiten Weltkrieg gelitten – einige Pfetten und Stützen waren vom Sog der Explosion nach außen gebogen worden, was jedoch statisch kein Problem darstellt.
Eingänge und Fenster
„Bei der Gestaltung des Haupteingangs haben wir uns dafür entschieden, bewusst den stilistischen Bruch mit dem Bestand zu suchen“, erklärt Peter Dinse. In der Tat: Die Wandscheiben aus Beton, die teilweise mit brüniertem Aluminium verkleidet wurden, bieten einen angemessenen Kontrast zur Klinkerfassade.
Fazit
Im März dieses Jahres eröffneten Oliver Schmidt und Thomas König ihre Automobilsammlung „Prototyp“. Die denkmalgeschützte Hülle rund um die Exponate ist zwar im Wortsinne kein Prototyp, wohl aber ein Haus mit Geschichte. Nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten ist es aber vor allem ein wertvolles Einzelstück – und damit den Ausstellungsstücken absolut ebenbürtig.