Schöner Schein
So wird Marmor und Naturstein handwerklich nachgemacht

Imitationen – oder edler echter Marmor und Naturstein? Darüber wird schon sehr lange am Bau gestritten. Seit dem Bauhaus lehnen viele Bauherren und Architekten jegliche Imitation grundsätzlich ab. Dieser Beitrag behandelt jedoch nicht das Für und Wider, sondern die handwerkliche Ausführung von Stuckmarmor.

Aus allen Zeiten gibt es mehr und weniger gute Marmor- und Natursteinimitationen, die ursprünglich nur eine preiswerte Alternative zum Original darstellten. Stuckmarmor ist die höchste Form bei solchen Arbeiten und konnte bisweilen teurer als echter italienischer Marmor sein. Gute Beispiele marmorierter Wandverkleidungen, Säulen und Pilaster finden sich heute in vielen denkmalgeschützten Bauwerken – sowohl in Schlössern und Kirchen als auch in historischen Bürgerhäusern.

Bis heute sind italienische Stuckateure in der Ausführung die Besten.Wirklich sehenswerte Arbeiten wurden in Deutschland zumeist noch vor Ende des 19. Jahrhunderts erstellt. Beispielsweise die Semper-Oper in Dresden: Dort sind alle „Marmor“- und „Echtholz“-Oberflächen auf Gips imitiert. Vorbild waren Arbeiten aus der Spätantike und aus der Blütezeit des Stuckmarmors im Barock.

Arbeiten mit Stuckmarmor

Für die Ausführung hat jeder Stuckateur eigene oder überlieferte Rezepturen. Die Grundmischungen bestehen aus Gips, Leimwasser aus Knochenleim sowie farbigen Pigmenten und Additiven. Aus unterschiedlichen Farbzugaben werden Teige hergestellt und marmorartig verknetet. In 1 cm dicken Scheiben wird der „Kuchen“ dann auf den Untergrund aufgebracht. Nach Aushärtung muss der Stuckateur das Material mehrfach schleifen und farbig transparent nachspachteln.

Zum Schluss erfolgt ein Feinschliff mit Polierstein (zum Beispiel Achat), leicht verdichtend und polierend. Intarsienartige Muster werden unter Verwendung einer Schablone ausgeschnitten und mit andersfarbigem Material gefüllt. Bei der Gestaltung ist eine gewisse Freizügigkeit erlaubt, das heißt, es dürfen Farben und Formen eingesetzt werden, die es in der Natur bei Marmor so nicht gibt. Heutiges Stuccolustro lässt zwar auf dem ersten Blick Vergleiche mit Stuckmarmor zu, ist jedoch eine dünnschichtige Kalkputztechnik, die vom Maler ausgeführt wird.

Grundregeln der Verarbeitung

Glättemarmor ist heute vielfach an die Stelle der alten aufwendigen Imitationstechniken getreten. Gegenüber Öl- und Kaseinlasuren können handelsübliche Dispersionsfarben und Spachtelmassen „Nass in Nass“ dafür eingesetzt werden. Auch Tadelakt, der Kalkpressputz aus Marokko, erfreut sich durch seine marmorähnlich schimmernde Oberfläche großer Beliebtheit. Immer mehr bisher monochrome Oberflächen werden heute in Optik und Struktur in unterschiedlichen neuen oder historischen Techniken belebt. Trotz der dafür erlaubten und auch gewünschten Freiheiten bei Formen und Farben sollten aber gewisse Grundregeln eingehalten werden. So sollten Untergründe nur in Naturfarbtönen mehrfarbig lasierend ausgeführt werden. Bei der Gestaltung der Fugen kann sich der Handwerker, sofern er nicht frei gestalten will, an typischen Steinverbänden orientieren. Bei der Ausführung von Licht- und Schatteneffekten hat sich eine Lichtrichtung von oben links bewährt. Adern dürfen nie über die Fugen hinauslaufen und werden an jedem Teil immer gegenläufig ausgeführt.


Grundsätzlich sollten bei der Oberflächenimitation Wiederholungen und unnatürlich wirkende 45-Grad-Winkel vermieden werden. Auch parallele Linien sind für ein zufriedenstellendes Ergebnis tödlich. Gegenläufigkeit erhöht dagegen die Spannung, und Zufälle sollte der Handwerker unbedingt für seine Gestaltung zu nutzen wissen.


Hilfreiche Vorbilder bei den Ausführungstechniken sind Originalstücke von geschnittenem und poliertem Marmor sowie Bruchstücke von echten Natursteinen. Die Imitationen sollten aber auch so ausgeführt werden, wie echtes Material in Abmessungen, Aufteilungen und Kombinationen montiert worden ist. Anregungen dafür finden sich in einschlägiger Literatur, im Internet und natürlich original an entsprechenden Gebäuden.

Natursteinimitationen führte der Stuckateur plastisch in vielfacher Form aus. Solche Arbeiten finden sich an Fassaden, Fenstern, Türen und Hauseingängen, aber auch außen und innen als steingemusterter Sockel. Neben Natursteinformen sind auch bossierte Quader- oder Pyramidenformen gewählt worden. Die gleiche oder ähnliche Wirkung erzielte der Maler als Illusionsmalerei mit Pinsel und Farbe.

Bei den hier beschriebenen Arbeiten lassen sich die unterschiedlichen Arbeitsfelder folgendermaßen aufteilen:


Marmorimitation

● Klassisch: mit Öl-, Silikat-, Kasein- oder Dispersionsfarben in Lasurtechnik

● Presstechniken, Spachteltechniken: zum Beispiel Stuccolustro oder Tadelakt mit Felderaufteilungen wie bei Originalmarmor.

● Großflächige freie Gestaltungen: phantasievolle Farb-und Formgebung ohne Unterteilungen; auch mit Effektzuschlägen; darf von Originalmarmor optisch abweichen; Ausführung wie Klassisch oder Press- und Spachteltechnik oder gemischt; mit richtigem Materialeinsatz auch außen anwendbar

Natursteinimitation

● Einfach flächig: mit Öl-, Silikat-, Kasein- oder Dispersionsfarben in Lasurtechnik

● In Steinformaten: richtig mit Licht und Schatten im Fugenbereich

● Plastisch und strukturiert: Farben, Formen und Fugen echtem Mauerwerk nachempfunden, mit richtigem Materialeinsatz auch außen anwendbar

● Phantasievoll großflächig: Farb- und Musterkombinationen dürfen von echtem Material abweichen; mit und ohne Flächenunterteilungen; Technik kann wie bei der einfach flächigen, der plastisch strukturierten Technik oder der Imitation in Steinformaten angewandt werden, auch Mischformen sind möglich; Einsatz auch an Fassade oder Sichtbeton; mit richtigem Materialeinsatz außen anwendbar

Arbeiten am Denkmal

Hier wird nach Fragmenten, Befunden und streng nach den Vorgaben der Denkmalbehörden gearbeitet. Historische Techniken und Materialien sind dabei gefordert, die unterteilt sind in:

● Freilegen: Das Entfernen späterer Fassungen auf der Suche nach erhaltungswürdigen Imitationen

● Konservieren: Imitationen erhalten durch Reinigung und Festigung

● Restaurieren: Zur Geltung bringen, Ergänzen und Retuschieren ohne zu verändern

● Ergänzen: Schließen von Lücken entweder „echt“ oder bewusst kontrastierend

● Renovieren: Erneuerung des Erscheinungsbildes in gleicher Art

● Kopieren: Nachbildung einer existierenden oder ehemaligen Imitation

● Rekonstruieren: Neue Wiederherstellung einer nicht mehr existierenden Imitation, deren Aussehen aber noch belegbar ist

Malerisch imitieren

Bei gemalten Darstellungen von Marmor und Naturstein sind gute Kenntnisse der historischen Steinformate und Steinverbände erforderlich. Zu sinnvollen gestalterischen Anwendungen von Steinimitationen, ob in Marmor oder Sandstein an Wölbungen, Bögen und sonstigen Quaderungen, sollte immer konstruktiv richtig imitiert werden.

Trends wechseln heute in kurzen Abständen. Bunte starke Farbigkeit mit knalligen Farben scheinen gottlob der Vergangenheit anzugehören. Der Kunde schätzt individuelle aber auch ausgefallene Oberflächen-Gestaltungen mit natürlichen Baustoffen und der Natur entlehnten Farbtönen.

Verschiedene Lasurtechniken ermöglichen dem Maler eine Vielzahl von Nuancen im Detail. Das können mineralische oder metallische Zuschläge oder Glanzeffekte sein. Solche Arbeiten sind immer ein persönliches Unikat des Handwerkers, wie auch jedes Stück Marmor oder Naturstein ein solches ist.

Die Hersteller liefern heute die benötigten Materialien in großer Auswahl und bewährten historischen und modernen Qualitäten. Der Anwender wird von der Industrie durch Ausführungsbeispiele, technische Literatur, Praxisseminare und Fachberater vor Ort unterstützt.

Marmor und Naturstein als handwerklich anspruchsvolle Imitation

Originalstücke aus Marmor und Naturstein dienen als Vorbilder bei der Ausführung

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