Der schöne Schein
Holz und Marmor handwerklich täuschend echt imitieren
Besonders Restauratoren im Handwerk müssen die historischen Techniken der Holz- und Marmorimitation für Arbeiten an Denkmälern beherrschen. Aber auch bei Neubauten und im Bestand können Maler damit an Teilflächen Akzente setzen.
Marmor- und unterschiedliche Holzimitationen waren in der Vergangenheit ein breites Arbeitsfeld des Ausbauhandwerks. Über Jahrhunderte schufen Stuckateure und Maler Höchstleistungen dieser Techniken. Davon zeugen noch viele historische Gebäude. Beispielsweise in der Dresdener Semper Oper sind diese Arbeiten aus bemaltem Gips von echtem Marmor und Holz nur schwer oder gar nicht zu unterscheiden. Möglichkeiten des Einsatzes dieser schönen alten Techniken sowohl im Bestand als auch am Neubau gibt es auch heute. Gut platziert auf Teilflächen innen und außen können Pfeiler, Unterzüge der ähnliche Bauteile in Szene gesetzt werden.
Am Denkmal müssen diese Techniken pedantisch genau ausgeführt werden. Das gilt sowohl für das verwendete Material, als auch für die Ausführungstechniken. Heute beliebte Naturholzoberflächen, auch einfache Nadelhölzer, wurden historisch immer deckend farbig behandelt. Neben deckenden Anstrichen konnten das auch Holz- oder Marmorimitationen sein. Dabei sind teilweise Farbtöne und Formen benutzt worden, die keinesfalls den natürlichen entsprechen. Die seinerzeit verwendeten Leinöl- und Kalkkaseinfarben haben Jahrhunderte in ihrer ursprünglichen Brillanz überlebt und sind ein wichtiges Vorbild für das heutige Handwerk. Allerdings muss der Maler Farben gleicher Art heute nicht mehr selbst anrühren. Verlässliche Hersteller liefern diese in gleicher oder besserer Qualität.
Holzimitation innen
Die technische historische Holzimitation verlangt umfangreiche Kenntnisse für die Ausführung. Das gilt auch für das verwendete Material und den Einsatz richtiger Werkzeuge. Der Untergrund muss immer streifenfrei und plan vorbereitet werden. Innen hat sich die Bierlasur aus abgestandenem Bier ohne Kohlensäure bewährt. Kohlensäure verhindert die Ausbildung von Wurzelmustern bei der Holzimitation. Transparente Lasurpigmente werden in das Bier gegeben. Einige Tropfen Spülmittel verbessern die Benetzbarkeit. Hier genügen die drei wichtigsten Pigmente Terra di Siena gelb natur, Terra di Siena gebrannt rötlich und Kassler Braun.
Vor der Ausführung sollte der Maler die Eigenarten und charakterlichen Merkmale von Holz und Marmor ausgiebig an Originalteilen studieren. Nur so kann naturgetreu imitiert werden. Das Zeichnen der typischen Adern, Kerne und Spiegel für die jeweils gewählte Holzart verlangt viel Übung. Auf einer Probeplatte sollte man dann den richtigen Grundfarbton sowie die erste und zweite Lasur anlegen.
Die praktische Ausführung der Holzimitation orientiert sich an dem Ablauf, wie der Schreiner konstruktiv arbeiten würde. Die Rahmungen von Türen oder Täfelungen erhalten eine längs gemusterte einfache Maserung. Die Füllungen dagegen kräftige Muster von Holzkernen, die sich immer nach oben verjüngen. Der Farbton des Untergrundes muss immer farbintensiv genug sein. Er wird durch zwei unterschiedliche Lasuren gemildert, die zusammen mit dem Untergrund erst ein naturnahes Farbbild ergeben.
Bierlasurimitation wird nach der ersten Lasur mit verdünntem Öl- oder Kunstharzlack vorlackiert. Wasserbasierende Klarlacke eignen sich nicht. Sie zerstören das Maserbild. Die Bierlasur wird mit Naturschwamm, Flächenstreicher oder Ringpinsel Feld für Feld gleichmäßig aufgebracht und mit dem Schläger verteilt. Das Holzmuster wird mit Modler, Fingerpinsel, Spitzpinsel, Kämmen und Dachshaarvertreiber erstellt. Für die Schlusslackierung im Innenbereich sind matte oder seidenglänzende Typen eine gute Lösung.
Als Werkzeuge für Öllasurimitationen eignen sich Gummistifte zum Zeichen sowie Leder- und Jutelappen in Verbindung mit Stahlkämmen. Mit einer Gänsefeder können dünne Linien gezogen werden. Mit einem Korken werden Äste imitiert. Bei der Gestaltung von Kreuzfugen muss man die einzelnen Felder abdecken und dann maserieren. Die dafür beliebten Wurzelholzeffekte werden durch Spiritusspritzer in die Bierlasur erreicht. Bei der Öllasur dagegen wird dafür mit Lederstücken oder Textilien das Wurzelmuster gewickelt. Wenn die Masern unschön zerfließen, kann man der Lasur etwas in Terpentin gelöste Kreide zugeben.
Holzimmitation außen
Holzimitation verlangt außen einen besseren Materialaufbau. Es ist hier hochwetterfestes Material für den gesamten Aufbau gefordert, bei den Lasurpigmenten zusätzlich eine hohe Lichtbeständigkeit. Bei natürlichen Erdfarben ist diese gegeben, bei modischen Volltönen jedoch nicht immer. Bierlasur ist hier fehl am Platz. Es kommen nur Öllasuren zum Einsatz. Für eine Holzimitation auf Ölbasis dürfen auch intakt scheinende Acrylanstriche keinesfalls überstrichen, sondern müssen restlos entfernt werden. Hochglänzende Schlusslackierungen sind besonders wetterfest. Denen sollte man jedoch als UV-Schutz eine kleine Menge Lasurpigment zugeben. Innen sind Überzüge aus matten oder seidenglänzenden Lackkombinationen mit Schellack oder Wachsen eine elegante Lösung.
Marmorimitation
Die Marmorimitation hat eine lange Tradition, nicht nur in Sakralbauten und Schlössern, sondern auch in den Wohnungen des Adels und des vermögenden Bürgertums. Vorreiter dieser Techniken waren italienische Handwerker. Bis zum Ersten Weltkrieg waren diese talentierten Leute auch noch auf deutschen Baustellen zu finden, denn echter Marmor war schon immer teuer.
Bei erhaltenen Marmorierungen in historischen Gebäuden waren die natürlichen Farben und Formen von echtem Marmor nicht immer Vorbild. Die Maler haben oft einfach einen neuen Marmor „erfunden.“ Das sollte heute nicht unbedingt Vorbild sein.
Alle Untergründe müssen vorab eine vollständig plane Oberfläche erhalten. Größere Flächen muss man so auf- oder unterteilen, wie auch mit echtem Marmor gearbeitet würde.
Grundregeln für die Ausführung
Untergründe sollte man immer nur in Naturfarbtönen lasierend ausführen, Fugen werden mit „Licht“ und „Schatten“ frei gestaltet. Licht kommt optisch immer von oben links. Aderungen dürfen nie über die Fugen hinauslaufen, sondern müssen im „Verband“ gegenläufig ausgeführt werden.
Sechs weitere wichtige Faustregeln lauten:
Parallelität vermeiden
gegen die Wiederholung arbeiten
wider den 45 ° Winkel gestalten
Mut zur Kontralinie haben
mit Gegenläufigkeit die Spannung erhöhen
kreative Zufälle nutzen
Die traditionellen Marmorimitationen werden am Denkmal nicht nur mit Öl- oder Kaseinlasuren, sondern auch in unterschiedlichen Kalkpresstechniken ausgeführt. Im Bestand und auch im Neubau bieten sich viele Möglichkeiten der Gestaltung auch mit neuen Produkten an. Die heutige Produktpalette der Hersteller verlangt jedoch für die Praxis eine umfangreiche Unterweisung. Das können Fachliteratur, Technische Merkblätter, Messen und besonders vorteilhaft Praxisseminare sein. Ohne vorbereitende Ausbildung kann der Maler die unterschiedlichen Techniken und Materialien für die Marmorimitation nicht perfekt ausführen.
Autor
Hans Jürgen Ronicke ist Malermeister, Innenarchitekt WKS, Restaurator im Handwerk und freier Autor unter anderem der Zeitschrift bauhandwerk. Er lebt und arbeitet in Wittenberg.
Alle Untergründe müssen vorab eine vollständig plane Oberfläche erhalten