Tragfähige Lösung
Wohnungen in älteren Gebäuden werden nachträglich mit Balkonen ausgestattet, um die Wohnqualität und gleichzeitig auch den Marktwert zu steigern. Bei der Befestigung der neuen Balkone können deren Lasten entweder über Stützfüße in den Untergrund, oder mit einer Kragplatte ins Mauerwerk eingeleitet werden.
Nachträglich angebaute Balkone mit Stützfüßen verändern das Aussehen des Gebäudes erheblich. Zum Teil sind sie auch gar nicht ausführbar, beispielsweise wenn die Stützfüße einer Garageneinfahrt im Weg stünden. Alternativ kann ein neuer Balkon mit Hilfe einer freitragenden Kragplatte an der Fassade beziehungsweise der Außenwand befestigt werden. Dabei müssen auftretende Lasten, wie Eigengewicht, Verkehrslasten durch Personen, gelagerte Gegenstände oder Blumenkästen sowie Schnee- und Windlasten in das Gebäude eingeleitet werden. Die notwendigen Verankerungen zur Befestigung müssen bauaufsichtlichzugelassen sein, da bei deren Versagen Gefahr für Leib und Leben besteht.
Balkone als freitragende Kragplatten werden in der Regel in den bereits bestehenden Betondecken des Gebäudes verankert. Normale Stahl- oder Verbundanker können die hohen Lasten meist nicht übertragen. Deshalb kommen für diesen Anwendungszwecke so genannte nachträgliche Bewehrungsanschlüsse zur Anwendung.
Bei nachträglichen Bewehrungsanschlüssen werden handelsübliche Betonstabstähle bis zu 2 m tief im Beton verankert. Für die Kraftübertragung zwischen Stabstahl und Beton sorgt ein Injektionsmörtel, der für diese Anwendung eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) haben muss. Aufgrund der erforderlichen Dauerhaftigkeit bekommen nur Hybrid-Vinylester-Mörtel und seit jüngerer Zeit auch Epoxidharz-Mörtel eine solche Zulassung. Derart nachträglich eingemörtelte Betonstabstähle können nach Aushärtung des Mörtels wie ganz normal einbetonierte Stäbe behandelt und belastet werden.
Epoxidharz-Mörtel können für Betonstabstähle bis zu einem Durchmesser von 40 mm und sogar bei Diamantbohrungen eingesetzt werden. Sie verfügen über deutlich längere Verarbeitungs- und Aushärtezeiten als Hybrid-Vinylester-Mörtel. Bei einigen Systemen kann die Bohrlochreinigung reduziert werden.
Zertifizierung ist Pflicht
Für die zulassungskonforme Ausführung von nachträglichen Bewehrungsanschlüssen ist in Deutschland die Zertifizierung von Monteuren und Unternehmen vorgeschrieben. Einige Dübelhersteller bieten eintägige Lehrgänge an, bei denen neben der Theorie praxisgerechtes Bohren, blasenfreies Injizieren des Mörtels und das fachgerechte Einbringen der Betonstabstähle trainiert wird. Am Ende des erfolgreich absolvierten Lehrgangs erhalten die Teilnehmer ihr Zertifikat durch eine unabhängige Prüfstelle.
Neben dem Herzstück – dem Injektionsmörtel – und den einzumörtelnden Betonstabstählen braucht der gut ausgebildete Handwerker noch einen Bewehrungskoffer, der das Spezialwerkzeug für eine fachgerechte Bohrlochreinigung und das blasenfreie Injizieren des Mörtels sowie eine praxistaugliche Anleitung enthalten sollte. Das Auspressgerät – pneumatisch, akkubetrieben oder manuell – gehört ohnehin zur Standardausrüstung eines jeden Handwerkers. Und wenn mal nah am Rand gebohrt werden muss, ist die Bohrhilfe ein nützliches Zubehör.
Bohrung
Zuerst wird die Lage der einzumörtelnden Betonstabstähle, die der Planungsingenieur festlegt, auf das vorhandene Betonbauteil übertragen. Dabei muss überprüft werden, ob die Lage der bestehenden Bewehrung und die Anordnung der Bauteilränder mit dem Plan übereinstimmen, damit die vorhandene Bewehrung beim Bohren nicht beschädigt wird oder die neuen Stäbe zu nah am Bauteilrand gesetzt werden.
Bei Bohrlochtiefen bis zu 2 m ist absolut exaktes Bohren nahezu unmöglich. Es ist einzurechnen, dass der Bohrer etwas aus der Richtung läuft. Die Zulassungen sehen Mindestbohr- und Mindestrandabstände vor, die verringert werden können, wenn eine Bohrhilfe als optische Kontrolle verwendet wird. Beim Bohren selbst startet man zunächst mit einem kurzen Bohrer, dessen Arbeitslänge etwa 15 bis 20 cm beträgt. Anschließend wechselt man auf längere Bohrer, bis die erforderliche Bohrlochtiefe erreicht ist.
Für einen guten Verbund und eine kraftschlüssige Übertragung der Lasten ist eine intensive Bohrlochreinigung unverzichtbar. Im allgemeinen wird das Bohrloch mit Druckluft ausgeblasen, dann mit einer Edelstahlbürste, die gegebenenfalls mit Verlängerungen in die Bohrmaschine eingespannt wird, ausgebürstet und abschließend nochmals ausgeblasen.
Im nächsten Arbeitsschritt wird der neue Betonstabstahl vorbereitet. Dafür wird die erforderliche Setztiefe mit Klebeband markiert und der Stab dann probeweise eingeschoben, um die Gängigkeit zu prüfen.
Mörtel-Injektion
Auf einen Verlängerungsschlauch wird die für den Bohrlochdurchmesser passende Injektionshilfe aufgesteckt; auf dem Schlauch bringt der Handwerker eine Markierung an, die später zeigt, wann ausreichend Mörtel im Bohrloch ist. Auf die Kartusche wird der Statikmischer aufgedreht, der für die korrekte Mischung der Zwei-Komponenten-Mörtel sorgt und die ersten Hübe werden ausgepresst, bis das Mischungsverhältnis stimmt. Die Injektion beginnt man vom Bohrlochgrund her. Durch die Geometrie der Injektionshilfe schiebt sich der Schlauch dabei selbst aus dem Bohrloch und sorgt für blasenfreie Verfüllung, bis die angebrachte Markierung erscheint.
Als letztes wird der Betonstabstahl unter leichten Drehbewegungen in das mörtelgefüllte Loch geschoben, bis die Setztiefenmarkierung die Betonoberfläche erreicht und etwas Überschussmörtel aus dem Bohrloch austritt. Der Betonstabstahl darf danach bis zum Ende der Aushärtezeit nicht bewegt werden. Ist der Bewehrungsanschluss hergestellt und die Anschlussfuge aufgeraut, geht es wie im Betonbau üblich weiter: einschalen, restliche Bewehrung einlegen, betonieren.
Werden Balkone als Stahlkonstruktion ausgeführt, lassen sie sich mit Bewehrungs-Gewinde-Ankern an den Beton anschließen. Diese Anker sind halb Bewehrungsstab, halb Dübel mit einem Gewindestab aus nichtrostendem Stahl. Dadurch sind sie auch für den Einsatz im Freien bauaufsichtlich zugelassen und übertragen höchste Lasten wie Bewehrungsstäbe.
Nachträgliche Bewehrungsanschlüssen für Balkone als freitragende Kragplatten