Berner Fachhochschule untersucht Schallschutz und Dichtheit historischer Fenster
Die Erhaltung von Fenstern in geschützten Gebäuden ist ein gesetzlich verankerter Kulturauftrag. Der Fensterbestand von 1,2 bis 1,5 Milliarden Einheiten birgt ein immenses Potenzial hinsichtlich des Umweltschutzes. In Bern wurden Schalldämmung und Dichtheit von historischen Fenstern untersucht.
Kaum ein Bau- und Ausstattungsdetail an Gebäuden muss komplexere Anforderungen erfüllen als ein Fenster. Diese entwickeln sich zudem derart dynamisch, dass Fenster bereits nach kurzer Zeit nicht mehr den aktuellen Normen entsprechen. Der Wärmedurchgangskoeffizient (früher k-Wert, heute U-Wert) lag über Jahrhunderte bis 1970 nahezu konstant bei maximal 3,0 W/m²K. Innerhalb der vergangenen fünf Jahrzehnte wurde mit materiell und konstruktiv angepassten Produkten hingegen eine Verbesserung des U-Wertes auf aktuell 0,4 W/m²K erreicht. Fenstererhalt und Nutzerakzeptanz werden erreicht, wenn Wärme-, Licht-, Schall-, Brand- und Sicherheitsschutz beim Fenster gegeben sind.
Untersuchung der Berner Fachhochschule
In einem gemeinsamen Projekt mit der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau wurden „Schallschutz und Luftdichtheit historischer Fenster“ untersucht. Das Forschungsprojekt hatte das Funktionsverbesserungspotenzial von Bestandsfenstern – vor allem in denkmalgeschützten Gebäuden – zum Ziel. Es fehlt oft das Verständnis für den Erhalt der historischen Fenster bei Undichtheit, hohen Energieverlusten, niedrigem Schalldämmmaß oder einem Mangel an Sicherheit und Wärmeschutz.
Untersucht wurden folgende Aspekte:
Lüftungswärmeverluste von Bestandsfenstern: Verluste durch offene Fugen zwischen Flügel und Rahmen und im Bereich des Baukörperanschlusses
Transmissionswärmeverluste von Bestandsfenstern: Verluste über die Wärmeleitung der verbauten Materialien
Schalldämmung von Bestandsfenstern: niedrige Schalldämmmaße aufgrund der verbauten Materialien und offenen Fugen
An sechs unterschiedlichen historischen Gebäuden in der Schweiz wurden Fenstersanierungen auf die genannten Punkte geprüft. Der Heizenergiebedarf im Istzustand und die Veränderung der Lüftungs- und Transmissionswärmeverluste nach der Sanierung bei Einfach-, Verbund- und Kastenfenstern mit und ohne Vorfenster wurde ermittelt. Gemessen wurde hierfür der natürliche Luftstrom durch die Fenster vor (3-fache Überschreitung der kantonal definierten Grenzwerte für Lüftungs- und Transmissionswärmeverluste) und nach der Sanierung. Aus den Ergebnissen wurde das Energieeinspar- und das Schalldämmpotenzial durch die Fenstersanierung berechnet.
Lüftungswärmeverluste
Im Hinblick auf Baukultur und Klimawende lohnt sich eine Instandsetzung
Foto: Holzmanufaktur Rottweil
Durch die Grundinstandsetzung der Fenster mit Feinjustierung von Beschlägen, Optimierung des Anpressdrucks und Einbau einer auf die Falzgeometrie abgestimmten Dichtungsebene wurde eine Reduzierung der Lüftungswärmeverluste von bis zu 93 Prozent gemessen. In Einzelfällen wurden nach der Sanierung jedoch auch schlechtere Werte gemessen. Das heißt, ausschlaggebend für die funktionale Verbesserung der Fenster ist die Qualität der ausgeführten Arbeiten. Der Einbau einer Dichtung bedeutet nicht automatisch, ein dichteres Fenster. Die Dichtung muss auf die vorhandene Falzgeometrie abgestimmt sein und gegebenenfalls müssen Beschläge justiert werden, um ein gutes Ergebnis zu erreichen. Denn die Dichtungen dürfen nicht zusammengequetscht werden, da sie sonst die Elastizität verlieren und ihre Funktion nicht mehr erfüllen können. Der Flügel darf die Dichtung nur leicht touchieren. Um das zu erreichen, kann es nötig sein, die scharfe Flügelkante leicht zu brechen.
Alle diese Maßnahmen waren möglich, ohne das Erscheinungsbild und die historische Lesbarkeit des Bauteils Fenster zu beeinträchtigen. Dieses Ergebnis bedeutet eine erhebliche Reduzierung der Heizkosten. Doch dadurch wird der natürliche Luftvolumenstrom der Fenster so stark verringert, dass die hygienisch notwendigen Mindestluftwechselraten nicht mehr erzielt werden können. Eine zu geringe Luftwechselrate führt aber zu Feuchteschäden und höheren Schadstoffkonzentrationen, zum Beispiel zu einem erhöhten Anteil von CO2 in der Raumluft. Eine Sensibilisierung der Eigentümer und Nutzer für ein regelmäßiges Lüften ist nötig, um Feuchteschäden zu vermeiden.
Gar keine Dichtung einzubauen, ist meist keine Alternative, da dies zulasten der Behaglichkeit und des Wohnwerts geht, klimaschädlich ist und der natürliche Luftstrom bei unsanierten, also nicht abgedichteten Fenstern, deutlich über den Standardnutzwerten für die hygienischen Mindestluftwechselraten liegt.
Bei der Sanierung dieses Stadthauses in Basel wurde das Vorfenster ausgebaut und das Permanentfenster durch Einsatz einer Sonder-isolierverglasung und einer Dichtungsebene energetisch ertüchtigt
Foto: Holzmanufaktur Rottweil
Für die Messung erzeugt ein Ventilator an der Zimmertür einen konstanten Unterdruck, der schrittweise erhöht wird.Parallel dazu wird gemessen, wie schnell die Luft durch vorhandene Undichtigkeiten, Leckagen und offene Fugen an den Fenstern in das Gebäude nachströmt. Die Messungen des BlowerDoor-Systems dokumentieren eine durchschnittliche Luftwechselrate im Gebäude. Der Ventilator wird mithilfe des Alurahmens und der roten Plane in die Türöffnung des Raumes hinter den zu untersuchenden Fenstern eingebaut. Zur Bestimmung der Fugendurchlässigkeit wird eine Folie mit Klebeband auf dem Fensterrahmen befestigt. Die Abklebung muss dabei lückenlos erfolgen, um Undichtheiten zu vermeiden.
Für die Unterdruckmessung präpariertes Fenster in der Küche: Es wird ein Unterdruck im Raum respektive zwischen Folie und Fenster erzeugt
Foto: Berner Fachhochschule
Danach wird in die Folie eine Öffnung geschnitten, die ein wenig kleiner als die Außenmasse der Lochblende ist. Die ausgewählte Blende wird auf die Öffnung geklebt. Zur Aufnahme des Druckes zwischen Folie und Bauteil wird ein Kapillarröhrchen durch die Folie gesteckt, das in diesem Zwischenraum endet. Die Durchdringung muss mit Klebeband abgedichtet werden. Sobald dieser Unterdruck im Hohlraum zwischen Fenster und Folie einsetzt und stabil ist, kann mit der Messung begonnen werden.
Ergebnis: Die Heizenergieersparnis durch Reduzierung der Lüftungswärmeverluste liegt zwischen 19 und 93 Prozent, der Mittelwert beträgt 60 Prozent. Das in Basel oft noch vorhandene Vorfenster – eine Variante des Kastenfensters – verbessert den Fugendurchlasskoeffizienten zudem erheblich.
Transmissionswärmeverluste
Transmissionswärmeverluste sind die Verluste der Wärmeleitung über Bauteile der Gebäudehülle. Holz hat einen niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten, so dass hier keine speziellen Ertüchtigungsmaßnahmen notwendig sind. Bei Bestandsfenstern hingegen weisen die einfachen Verglasungen überwiegend einen hohen Ug-Wert von 5,5 W/m²K auf. In diesen Fällen kann der Ug-Wert durch den Einbau einer effizienten Sonderisolierverglasung auf bis zu 0,9 W/m²K verbessert werden.
Die Heizenergieersparnis durch eine Verringerung des Transmissionswärmeverlusts ist abhängig vom Flächenanteil der Fenster an der Gebäudehülle. Bei älteren Baudenkmalen mit überwiegend kleineren Fensterflächen ist daher nur eine geringe Reduzierung der Transmissionswärmeverluste möglich. Bei jüngeren und jungen Baudenkmalen mit viel Fensterfläche kann dagegen eine deutliche Reduzierung der Transmissionswärmeverluste erzielt werden.
Schalldämmwerte
Messaufbau zur Bestimmung des Schalldämmmaßes eines Fensters: Einstellen eines Abstands von
3 mm zwischen Mikrofon und Verglasung mit einem Abstandshalter
Foto: Berner Fachhochschule
Eine Reduzierung der Wärmeverluste durch den Einbau einer Schlauchdichtung und den Ersatz der einfachen Verglasung durch eine Standardisolierverglasung kann zugleich zu einer Erhöhung des Schalldämmmaßes um bis zu 13 dB führen. Durch den Einbau von Schallschutzgläsern kann dieser Wert auf bis zu 20 dB steigen. Bei 5 von 6 untersuchten sanierten Fassaden liegt das Schalldämmmaß bei 35 bis 38 dB, teilweise über 40 dB. Das bedeutet, dass die Mindestanforderungswerte der Schweizer Norm SIA 181 (2006) an den Schutz gegen Luftschall von außen problemlos erreicht werden. Das Schalldämmmaß am Fenster selbst lässt sich mit Messtechnik gut ermitteln. Die Schallnebenwege über Rollladenkästen und Baukörperanschlussfugen sind hingegen schwer zu erfassen.
Baupraktische Umsetzung
Zusammengefasst ist die Ausführungsqualität entscheidend für das Ergebnis der Sanierung. Der U-Wert der Verglasung Ug sollte so gut wie möglich sein. Bei einer Doppelverglasung ist ein Ug-Wert von maximal 0,9 W/m²K erzielbar. Vakuumisolierverglasungen (VIG) als Monoscheibe ermöglichen einen Ug-Wert von bis zu 0,7 W/m²K. Die Vakuumscheibe, in einer Isolierverglasung verbaut, erreicht einen Ug-Wert von 0,4 W/m²K. Um hohe Schalldämmmaße zu erreichen, sollte die Scheibe ein möglichst hohes Flächengewicht aufweisen. Die Fugendichtung muss auf die Falzgeometrie abgestimmt sein. Ein optimierter Anpressdruck durch richtig und sorgfältig eingestellte Beschläge ist Voraussetzung. Offene Anschlussfugen zum Baukörper müssen mit entsprechenden Materialien gedämmt und gedichtet werden. Schallnebenwege, zum Beispiel über Rollladenkästen, müssen ausgeschlossen werden.
Die Erhöhung der Schalldämmmaße um bis zu 13 dB und die Reduzierung der Lüftungswärmeverluste um bis zu 93 Prozent zeigen, dass es möglich ist, auch bei historischen Fenstern im Baudenkmal die Funktionswerte deutlich zu verbessern. Bei einem Glasaustausch ist eine Verbesserung des Ug-Wertes von 5,0 auf 0,4 W/m²K erreichbar.
Fazit
Fenstersanierungen und Fensterinstandsetzungen einschließlich der gewünschten beziehungsweise notwendigen funktionstechnischen Verbesserung sind sehr aufwendig und im Allgemeinen mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Doch gemeinsam mit Dämmmaßnahmen an Dach, Decken, Böden und Wänden sind zumeist deutliche Verbesserungen erreichbar. Es geht hier auch um andere wichtige Werte wie den Erhalt von Baukultur, klimafreundliche Sanierung und Weiternutzung der grauen Energie, um einen Beitrag zur Bauwende und somit zur Klimawende beizutragen.
AutorHermann Klos ist Schreinermeister, Restaurator im Tischlerhandwerk und Geschäftsführer der Holzmanufaktur Rottweil.