Interview mit Norbert Kluger von der BG Bau über staubarmes Arbeiten

Staub wird selten als Bedrohung angesehen. Diese Erfahrung hat Dipl.-Geogr. Norbert Kluger, Leiter der Abteilung „Stoffliche Gefährdungen“ bei der BG Bau, gemacht. Sind Handwerker aber permanent mit Staub in Kontakt, kann das gesundheitsschädigend sein.

Staub ist etwas, das irgendwie überall ist – da muss man mal hinterher fegen oder hinterher saugen. Wo liegt das Problem?

Norbert Kluger: Genau das ist das Problem: Staub ist überall, ist allgegenwärtig, und wird als völlig normal hingenommen. Staub wird als Dreck, aber nicht als Gefahr erkannt, nicht als Bedrohung gesehen; schon gar nicht als hoch gesundheitsgefährdend. Wir haben uns daran gewöhnt, dass Staub „ganz normal“ zum Baugeschehen dazu gehört. Im letzten Jahr war ich zu einem Kongress in Innsbruck, Forum Prävention, um dort einen Vortrag über Staubvermeidung zu halten. Als ich aus meinem Hotelfenster auf die Straße schaue, sehe ich, wie jemand mit einem Trennschleifer Bordsteine zusägt –  und alles zustaubt. Das Erschreckende war: Kein Mensch schaut hin – oder wundert sich … Staub ist so „normal“, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, uns deswegen aufzuregen, wie wir das bei Lärm machen. Lärm stört, der macht irgendwie krank – das ist gelernt. Aber dass Staub krank machen kann, ist leider im Bewusstsein der allermeisten Menschen gar nicht angekommen.

Für das Arbeiten auf dem Bau sind Staubsauger unerlässlich
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur

Für das Arbeiten auf dem Bau sind Staubsauger unerlässlich
Foto: H.ZWEI.S Werbeagentur

Warum schützen die Kollegen sich dann nicht durch eine Maske?

Norbert Kluger: Das wäre der vollkommen falsche Weg. Im Arbeitsschutz gilt das so genannte STOP-Prinzip:

„S“ steht in diesem Falle für Substitution, für Ersatzverfahren, Ersatzstoffe; beispielsweise Materialien, die beim Arbeiten nicht stauben. 

„T“ steht für technische Maßnahmen, etwa Absaugen.

„O“ steht für Organisation – wie kann man die Arbeit so organisieren, dass möglichst keine Belastung auftritt.

„P“, die persönliche Schutzmaßnahme, die Atemschutzmaske, kommt ganz am Schluss, also erst dann, wenn keine substituierende, technische oder organisatorische Lösung möglich ist.

Wenn wir mit der Maske als erste beziehungsweise einzige Maßnahme anfangen, führen wir die Rangfolge der Schutzmaßnahmen, das ganze STOP-Prinzip, ad absurdum.

Wie geht’s dann richtig?

Norbert Kluger leitet bei der BG Bau, Hauptabteilung Prävention, die Abteilung Stoffliche Gefährdungen
Foto: BG Bau

Norbert Kluger leitet bei der BG Bau, Hauptabteilung Prävention, die Abteilung Stoffliche Gefährdungen
Foto: BG Bau
Norbert Kluger: Es ist so einfach, staubfrei zu arbeiten. Wichtig ist zu verhindern, dass die gefährliche Situation – hier Staub – überhaupt erst entsteht. Wir müssen uns also bereits bei der Planung überlegen, wie sich verhindern lässt, dass irgendjemand staubenden Materialien ausgesetzt ist. Wo Bearbeitungsmaschinen eingesetzt werden, müssen diese immer abgesaugt werden. Hierfür nutzen wir wirksame Bau-Entstauber. Das, was an Staub an den Maschinen nicht erfasst wird, holen Luftreiniger aus der Raumluft und sorgen für saubere Luft am Arbeitsplatz. Abschottungen und Staubschutztüren sorgen dafür, dass sich Staub nicht auf unbelastete Bereiche ausbreitet. Diese vier Maßnahmen sind die Basis für einen wirksamen Staubschutz. Ohne die – geht es nicht.

Wie kann man die Staubbelastung organisatorisch reduzieren?

Norbert Kluger: Falls sich staubintensive Tätigkeiten nicht durch Substitution oder technische Lösungen vermeiden lassen, dann sollten da nicht vier, fünf Mann im kleinen Raum herumstehen, sondern nur der Kollege, der wirklich arbeiten muss – gut geschützt, mit guter Technik. Und man muss  zuallererst schauen, wie man verhindern kann, dass staubende Produkte auf die Baustelle kommen. Man muss zum Beispiel keinen Trockenmörtel aus dem Sack in den Eimer auskippen; das staubt zwangsläufig. Es gibt Pellets, die stauben eben nicht mehr. Also, es gibt unendlich viel. Und wir wollen ja genau diese Technologien bei unserem Fachkongress in Duisburg vorstellen, damit die Leute das alles kennenlernen.

Leuchtet ein – vor dem Schutz kommt die
Vermeidung.

Norbert Kluger: Ja, genau. Es fehlt das Bewusstsein, dass dieser Staub, einmal aufgewirbelt, unendlich lange in der Schwebe ist. Diesen können wir auch nicht sehen, das ist das Fatale daran. Ja, der grobe Staub setzt sich relativ schnell wieder. Aber die kleinsten Partikel, kleiner als zehn Mikrometer, also kleiner als ein 100stel Millimeter, können wir nicht sehen. Einmal aufgewirbelt, bleibt dieser Staub über Stunden in der Schwebe. Und wir atmen mit jedem Atemzug 600 Milliliter verstaubte Luft ein. Und wo bleibt dieser Staub?

Er setzt sich in der Lunge ab.

Norbert Kluger: Ja, er bleibt in der Lunge, und kommt da nie wieder raus. Deswegen sind wir auch so extrem gegen das Fegen, weil man damit alles wieder hochwirbelt. Diese kleinen unsichtbaren Partikel bleiben in Innenräumen, etwa beim Trockenbau, unendlich lange in der Schwebe.

Was ist nun der Ansatz beim Fachkongress
„Bauen im Bestand“?

Im Landschaftspark Duisburg-Nord, einem stillgelegten Hüttenwerk, findet der 1. Fachkongress „Bauen im Bestand“ am 7. und 8. November statt
Foto: Thomas Wieckhorst

Im Landschaftspark Duisburg-Nord, einem stillgelegten Hüttenwerk, findet der 1. Fachkongress „Bauen im Bestand“ am 7. und 8. November statt
Foto: Thomas Wieckhorst
Norbert Kluger: Zunächst wollen wir zeigen, wie einfach es heutzutage ist, staubarm zu arbeiten. Ein guter, wirksamer Staubschutz ist  gerade beim Bauen im Bestand besonders wichtig. Zudem lohnt es sich ja auch für den Arbeitgeber: Die Kollegen arbeiten ohne Maske besser, schaffen mehr, bleiben gesund; auch die Arbeitszeit, die fürs Reinigen draufgeht, ist deutlich kürzer. Wer sich staubarme Technik spart, spart an der falschen Stelle. Der wird in Zukunft erhebliche Probleme haben, Nachwuchs zu finden oder Fachkräfte zu halten. Denn niemand arbeitet gerne an staubigen Arbeitsplätzen. Deswegen ist für mich ganz wichtig, dass wir junge Menschen diese neuen Technologien zeigen, denn wer einmal so ein tolles staubarmes Gerät in den Händen hatte, der will nie wieder anders arbeiten. Und der Gesundheit tut es obendrein noch was Gutes. 

Wo und wann findet der Fachkongress „Bauen im Bestand“ statt?

Norbert Kluger: Wir werden am 7. und 8. November 2023 im Landschaftspark Duisburg sein; eine coole Location, die oft als Filmkulisse dient. Das Tolle ist, dass wir durch diese Location jetzt erstmalig die Möglichkeit haben, auch staubarme Großmaschinen zu zeigen, etwa eine absaugende Straßenfräse, oder Maschinen, die speziell für die Entstaubung von Tunneln geschaffen wurden. Das ist keine Hotelzimmer-Veranstaltung, sondern eine phänomenale Location, bei der man mitmachen, anfassen und ausprobieren kann.

Jetzt anmelden: https://bauverlag-events.de/event/fachkongress-bauen-im-bestand


Autor

Eugen Schmitz ist Chefredakteur der Zeitschrift THIS (Tiefbau, Hochbau, Ingenieurbau, Straßenbau).

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