Höhepunkte des 1. Fachkongresses „Bauen im Bestand“ in Duisburg
Bei fast allen Tätigkeiten beim Bauen entsteht Staub: von mineralischem Staub über Holzstaub bis hin zu Asbest- und Quarzstaub. Wie man sich generell vor Gefahrstoffen in der Sanierung schützt, zeigte der 1. Fachkongress „Bauen im Bestand“ vom 7. bis 8. November 2023 in Duisburg.
Der erste Fachkongress „Bauen im Bestand“ feierte im Landschaftspark Duisburg-Nord eine gelungene Premiere. Abwechslungsreiche Expertenvorträge und eine informative Fachausstellung mit Werkzeugen und Schutzausrüstungen zeigten den 135 Besucherinnen und Besuchern auf, wie staubarmes Arbeiten in der Praxis möglich ist.
Die Gebläsehalle des ehemaligen Hüttenwerks wird vielfach als Event- und Veranstaltungsort genutzt. Dort führten die beiden Moderatoren Thomas Wieckhorst, Chefredakteur der Zeitschrift bauhandwerk, und Eugen Schmitz, Chefredakteur der Zeitschrift THIS, durch das zweitägige Programm.
Staubarmes Arbeiten ist möglich
Dipl.-Geogr. Norbert Kluger, Leiter der Abteilung „Stoffliche Gefährdungen“ der BG Bau, betonte, wie wichtig staubarmes Arbeiten für die Gesundheit der Beschäftigten auf der Baustelle ist
Foto: Stephan Thomas
Dipl.-Geogr. Norbert Kluger, Leiter der Abteilung „Stoffliche Gefährdungen“ der BG Bau, verdeutlichte in seinem Vortrag, dass Quarz- und Asbeststäube für den Menschen besonders gefährlich seien. Wer jahrelang Quarzstaub einatme, könne an einer Staublunge oder Silikose erkranken. Hohe Konzentrationen an Quarzstaub treten beispielsweise auf, wenn Pflastersteine trocken geschnitten oder Löcher in Betonbauteile gebohrt werden. „Tätigkeiten oder Verfahren, bei denen Beschäftigte alveolengängigen Quarzstäuben ausgesetzt sind, sind als krebserzeugend nach TRGS 906 eingestuft“, sagte Norbert Kluger. Staubpartikel mit einem Durchmesser von weniger als 5 µm werden als A-Stäube (alveolengängige Stäube) bezeichnet. Diese gelangen zum größten Teil bis tief in die Lunge. Seit April 2014 liegt der Grenzwert für A-Stäube bei 1,25 mg/m³, der Beurteilungsmaßstab für Quarzstaub liegt mit 0,05 mg/m³ sogar noch niedriger.
Mit einfachen Maßnahmen lasse sich eine staubarme Arbeitsumgebung auf der Baustelle schaffen. Dazu gehören eine Stauberfassung am Werkzeug oder der Maschine, Bau-Entstauber, Luftreiniger und Staubschutzwände. Die BG Bau fördert die Anschaffung solcher Schutzmaßnahmen für ihre Mitgliedsbetriebe. Außerdem bietet sie Online-Fortbildungen zum Thema Staubvermeidung und Schulungen zu Grundkenntnissen für den Umgang mit Asbest nach TRGS 519 an.
Asbest lauert in Bestandsgebäuden
Geht es um das Bauen im Bestand, spielt Asbest nach wie vor eine große Rolle – auf dem Kongress in Duisburg stand der Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen daher ebenfalls im Fokus. Seit Oktober 1993 gilt in Deutschland ein Verbot für die Herstellung und Verwendung von Asbest, 2005 folgte das EU-weite Verbot. Die meisten Bestandsgebäude in Deutschland wurden allerdings vor 1995 gebaut, sie können also potenziell asbesthaltige Baustoffe enthalten.
Nicht nur in alten Faserzementplatten, sondern auch in Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern in Bestandsgebäuden kann Asbest enthalten sein. Werden Asbeststäube bei Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten freigesetzt und eingeatmet, können Krankheiten wie Asbestose oder Lungenkrebs verursacht werden, die noch immer zu den häufigsten Berufskrankheiten in der Bauwirtschaft gehören: Im vergangenen Jahr wurden der BG Bau 2414 neue Verdachtsfälle asbestbedingter Berufserkrankungen gemeldet. 3376 Versicherte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft sind in den vergangenen zehn Jahren infolge einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben.
Emissionsarme Arbeitsverfahren
Moderator und THIS-Chefredakteur Eugen Schmitz (l.) und Dr. Georg Hilpert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Foto: Stephan Thomas
„Wenn wir jetzt nichts unternehmen, werden wir es nicht schaffen, die hohen Zahlen von asbestbedingten Todesfällen in der Bauwirtschaft zu reduzieren“, betonte Dr. Georg Hilpert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Die Gefahrstoffverordnung solle bis April 2024 angepasst und aktualisiert werden, erklärte er. Die „Branchenlösung Asbest beim Bauen im Bestand“ dient in der Übergangszeit als Handlungshilfe vor allem für Arbeiten an asbesthaltigen Putzen, Spachtelmassen und Fliesenklebern. Sie beruht auf den Eckpunkten der geplanten Asbestregelungen der Gefahrstoffverordnung und zeigt Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten. Demnächst soll die Handlungshilfe um weitere, tätigkeitsspezifische Arbeitsblätter ergänzt werden. Erhältlich ist sie über die BG Bau-Website.
„Der Umgang mit Asbest beim Bauen im Bestand ist für das Maler- und Lackiererhandwerk kein neues Thema“, erklärte Dr. Oliver Nicolai vom Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz auf dem Fachkongress. „Geschätzte 80 Prozent der Aufträge in unserem Gewerk betreffen das Bauen im Bestand. Damit ist das Thema Asbest für fast jeden Betrieb relevant.“ Für den Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen gebe es geeignete, emissionsarme Arbeitsverfahren, erklärte Nicolai und nannte als Beispiel das Reinigen beschichteter Asbestzementfassadenplatten. Für solche Tätigkeiten sei es erforderlich, dass Mitarbeitende im Betrieb über einen Sachkundenachweis nach TRGS 519 verfügen.
Dr. Oliver Nicolai vom Bundesverband Farbe, Gestaltung und Bautenschutz berichtete über Erfahrungen des Maler- und Lackiererhandwerks bei Arbeiten mit asbesthaltigen Baustoffen
Foto: Stephan Thomas
Seit 2019 wird zusätzlich der Kurs „Grundkenntnisse Asbest“ angeboten, unter anderem als Online-Schulung von der BG Bau. Dieser Kurs richtet sich an Handwerker, die auf der Baustelle mit asbesthaltigen Baustoffen umgehen müssen. Außerdem gibt es „Q1E-Schulungen“ für Handwerksbetriebe zum Umgang mit Asbest.
Materialanalyse vor der Sanierung
Sollen Arbeiten im Bestand stattfinden, ist vorab eine genaue Recherche und Materialanalyse unerlässlich. Nicht nur Handwerker müssten für den Umgang mit Staub und Asbest sensibilisiert werden, sondern auch Bauherren, betonte Andrea Bonner, Leiterin des Sachgebiets Sanierung und Bauwerksunterhalt der BG Bau, auf dem Kongress. Die künftige Gefahrstoffverordnung sehe konkrete Informations- und Mitwirkungspflichten von Auftraggebenden als „Veranlasser“ von Bautätigkeiten vor. Der Bauherr einer Sanierung müsse vorab erkunden, ob Gefahrstoffe im Gebäude enthalten oder zu vermuten seien, wenn das Gebäude vor 1993 errichtet wurde.
Nicht nur Handwerker müssten für den Umgang mit Staub und Asbest sensibilisiert werden, sondern auch Bauherren, betonte Andrea Bonner, Leiterin des Sachgebiets Sanierung und Bauwerksunterhalt der BG Bau
Foto: Stephan Thomas
Stellt man fest, dass Asbest im Bestand enthalten ist, müssen entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Arbeitsbereiche, in denen asbesthaltige Baustoffe zurückgebaut werden sollen, müssen von anderen Bereichen abgeschottet werden, damit Asbest nicht verschleppt wird. Eine Auswahl an Personen- und Materialschleusen wurde in der Fachausstellung zum Kongress von der deconta GmbH gezeigt. Der Hersteller stellte außerdem eine Staubschutztür vor, mit der sich Räume in einen abgeschotteten Sanierungsbereich umwandeln lassen. Die „Smart Door“ ist für alle gängigen Standardtüren verwendbar und lässt sich auch mit einer Personenschleuse kombinieren.
Akku-Werkzeuge mit Absaugung
Der Hersteller Milwaukee zeigte in der Ausstellung zum Kongress im Foyer der Gebläsehalle sein neues Sortiment an persönlicher Schutzausrüstung (PSA) für die Baustelle. Außerdem stellte Milwaukee ein großes Sortiment akkubetriebener Elektrowerkzeuge vor. Neu im Sortiment ist ein 350-mm-Akku-Trennschleifer für das Schneiden von Stahlbeton. Der „MX Fuel“-Akku-Trennschleifer wird ohne Benzin betrieben und erzeugt dadurch keine Emissionen.
Milwaukee präsentierte in der Fachausstellung zum Kongress einen 350-mm-Akku-Trennschleifer mit Absaugung
Foto: Stephan Thomas
Außerdem ist er leiser als vergleichbare, benzinbetriebene Trennschleifer und erzeugt weniger Vibrationen. Um den Staub beim Schneiden von Stahlbeton zu binden, verfügt der Trennschleifer über eine integrierte Wasserzufuhr. Passende Akku-Sauger und Absaugsysteme präsentierte Milwaukee ebenfalls.
Schüler informieren sich über Staubvermeidung
Am Abend des ersten Kongresstages wurden Stirnlampenführungen über das Gelände des ehemaligen Hüttenwerks angeboten. Dabei konnte man den früheren Produktionsvorgang des Roheisens direkt am Hochofen des ehemaligen Hüttenwerks kennenlernen und die bei Nacht bunt beleuchteten Industrieanlagen bestaunen.
Am zweiten Tag des Fachkongresses kamen zahlreiche Schüler und Schülerinnen des Hans-Schwier-Berufskollegs zum Kongress. Gemeinsam mit ihren Lehrerinnen und Lehrern erkundeten sie die Fachausstellung zum Kongress. Mithilfe eines Fragebogens setzten sie sich aktiv mit dem Thema Staubvermeidung auf der Baustelle auseinander.
Der Fachkongress „Bauen im Bestand“ 2023 im Landschaftspark Duisburg-Nord wurde vom Bauverlag mit den Redaktionen dach+holzbau, bauhandwerk, THIS und Bundesbaublatt in Kooperation mit der BG Bau ausgerichtet. Unterstützt wurde der Kongress von den Partnerunternehmen Hilti, Milwaukee, Bomag, deconta, Husqvarna und Starmix. Weitere Informationen und die Vorträge des Kongresses finden Sie zum Download unter https://bauverlag-events.de/event/fachkongress-bauen-im-bestand.
AutorStephan Thomas ist Redakteur der Zeitschrift bauhandwerk und Chefredakteur der Zeitschrift dach+holzbau.
Web-Service
Weitere Informationen und Eindrücke vom 1. Fachkongress „Bauen im Bestand“ im Duisburger Landschaftspark gibt es in unserem Youtube-Video.