Aktualisierung

Neue Gefahrstoffverordnung tritt in Kraft: Bundesverband Farbe und BG Bau kritisieren Bundesregierung

Seit 5. Dezember 2024 ist sie nun in Kraft: die neue Gefahrstoffverordnung. Lange wurde um sie gerungen. Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, der Fortentwicklung des Stands der Technik und veränderten Arbeitsbedingungen wurde die Verordnung aktualisiert und erweitert. Allerdings nicht zur Freude der Handwerks- und Bauverbänden.

„Wir sind wütend“, erklärt Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz. Der Bundesverband und die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) kritisieren scharf den Beschluss zur Gefahrstoffverordnung. Die gescheiterte Ampel-Regierung hat sich nicht mit Ruhm bekleckert.

Am 18. Oktober 2024 stimmte der Bundesrat in seiner Sitzung über die Änderung der Gefahrstoffverordnung (403/24) ab. Zuvor hatte der Bundestag zugestimmt. Am 13. November 2024 hat die Bundesregierung die Novelle nun final verabschiedet und seit 5. Dezember 2024 ist sie in Kraft. Die von den Handwerks- und Bauverbänden geforderte Stärkung der Bauherrenverantwortung bei der Erkundung von Schadstoffen fand keine Mehrheit. Diese Entscheidung schwäche massiv den Schutz für Beschäftigte und Umwelt und lasse die Baukosten weiter steigen. Der Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz spricht von einem Vertrauensbruch seitens der Bundesregierung. 

Bundesverband: „Alle Experten-Empfehlungen missachtet“

Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, vermutet, dass rein politisches Machtkalkül hinter der Entscheidung des Bundesrates zur Gefahrstoffverordnung steckt  
Foto: Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz

Mathias Bucksteeg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz, vermutet, dass rein politisches Machtkalkül hinter der Entscheidung des Bundesrates zur Gefahrstoffverordnung steckt  
Foto: Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz
Mathias Bucksteeg sagt: „Die Bundesregierung und jetzt auch der Bundesrat haben mit ihrer Verordnung alle Experten-Empfehlungen aus drei Jahren nationalem Asbestdialog sowie die Kritik aller Handwerks- und Bauverbände missachtet. Die vom Bundesrat abgenickte Verlagerung der Erkundungspflicht auf die Handwerksbetriebe ist für alle Seiten massiv nachteilig. Jedes Gewerk wird ab sofort eine Asbest-Beprobung durchführen müssen, auch wenn sie auf ein und derselben Baustelle tätig sind. Die Kosten trägt der Bauherr. Mit dieser Regelung hat die Bundesregierung wieder einmal einen bürokratischen Irrsinn erschaffen, der zu Lasten des Gesundheitsschutzes unserer Beschäftigten geht.“

„Als einen Meilenstein für den Arbeitsschutz“ wertet hingegen das Arbeitsministerium die beschlossenen Änderungen an der Gefahrstoffverordnung. Insbesondere bei Tätigkeiten mit krebserregenden Stoffen markierten die neuen Regelungen einen bedeutenden Fortschritt und zusätzlichen Schutz für Beschäftigte in Handwerk und Industrie. Zudem profitierten Arbeitgeber von einer höheren Rechtssicherheit durch genau festgelegte Schutzmaßnahmen, die präzise auf die jeweilige Gefährdung abgestimmt seien.

BG Bau: Asbest-Gefahr wird zu spät erkannt

Aus Sicht der BG Bau besteht allerdings die Gefahr, dass Asbest zu spät erkannt werde. Vor allem in Gebäuden, die vor 1993 errichtet wurden, kann an zahlreichen Stellen Asbest vorhanden sein. Wichtig sei daher, dass bereits vor Beginn der Arbeiten bekannt ist, ob bei Tätigkeiten in den Gebäuden mit Asbest zu rechnen ist.

Im Rahmen des Nationalen Asbestdialogs hatten Experten eine anlassbezogene, zweistufige Erkundung vor Baubeginn durch den Bauherren empfohlen. Diese sollte dazu dienen festzustellen, ob Gefahrstoffe wie Asbest vorhanden sind oder bei geplanten Tätigkeiten freigesetzt werden können. Für diese Vorgehensweise hatten sich auch Handwerks- und Bauverbände eingesetzt. Mit der Änderung der Gefahrstoffverordnung werden Auftraggeber nun aber weitgehend aus der Verantwortung für mögliche Schadstoffe auf ihren Baustellen entlassen. Die von der Bundesregierung vorgesehene Mitwirkungspflicht würde sich demnach nur auf die Weitergabe von Informationen beschränken. Das Arbeitsministerium erklärt hingegen, dass die Ergebnisse des zwischen 2016 und 2019 ausgerichteten Nationalen Asbestdialogs vollumfänglich umgesetzt würden.

„Rein politisches Machtkalkül“

Das kritisiert auch der Bundesrat in seinem Beschluss: „Der Bundesrat [...] ist der Auffassung, dass durch die jetzt vorgesehene Ausgestaltung der Veranlasserpflicht noch keine entscheidenden Verbesserungen der Informationslage für ausführende Unternehmen zu erwarten sind.“ Aus Sicht des Bundesverbandes ist das ein sicheres Zeichen, dass der Bundesrat die neue Verordnung entgegen besseren Wissens aus rein politischem Kalkül abgenickt hat.

CRB Analyse Service prüft im Labor Proben auf Asbest und künstliche Mineralfasern
Foto: CRB Analyse Service

CRB Analyse Service prüft im Labor Proben auf Asbest und künstliche Mineralfasern
Foto: CRB Analyse Service
Zwar stellt der Bundesrat eine Überprüfung der Mitwirkungspflichten und eine mögliche Verschärfung im technischen Regelwerk (TRGS 519) in Aussicht: „Unter Berücksichtigung der Objektgröße, des Bauumfangs und der potenziellen Gefährdung der Beschäftigten müssen auch Informationen eingefordert werden können, die über den bereits vorhandenen Erkenntnisstand hinausgehen. Vorgaben hierzu können im Technischen Regelwerk erfolgen und müssen angemessen und verhältnismäßig sein, auch um notwendige Baumaßnahmen nicht zu beeinträchtigen.“ An der Gültigkeit der nun verabschiedeten Verordnung ändere dieser rechtlich eher unverbindliche Hinweis allerdings nichts, so der Bundesverband Farbe.

Die Wohnungswirtschaft hingegen begrüßt die Entscheidung als „guten Kompromiss“. Gebäudeeigentümer müssen nun die Handwerksbetriebe über das Baujahr des Hauses informieren. Diese sollen dann anhand ihres Fachwissens einschätzen, ob in dem Gebäude Baustoffe mit Asbest-Anteilen verbaut sein könnten. Umfassende Erkundungspflichten für Eigentümer hätten dagegen bedeutet, dass vor Baubeginn alle Bauteile auf Asbest-Anteile untersucht hätten werden müssten, heißt es vom Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW).

Asbest-Prüfung muss vom Bauherren bezahlt werden

Michael Kirsch, Hauptgeschäftsführer der BG Bau, plädiert dafür, dass bei begründetem Asbest-Verdacht schon vor Beginn der Bauarbeiten Proben genommen werden
Foto: Jan-Peter Schulz / BG Bau

Michael Kirsch, Hauptgeschäftsführer der BG Bau, plädiert dafür, dass bei begründetem Asbest-Verdacht schon vor Beginn der Bauarbeiten Proben genommen werden
Foto: Jan-Peter Schulz / BG Bau
Die BG Bau begrüßt die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesrates im Hinblick auf die Ausweitung auf den Eigenheimbau sowie die Klarstellung, dass eine technische Erkundung sachgerecht zu erfolgen hat und die entstehenden Kosten als zusätzliche Leistungen gelten und vom Bauherren vergütet werden müssen. Zudem schlägt der Bundesrat vor, dass grundsätzlich eine Erkundung zu Asbest erfolgen muss, wenn der Unternehmer ansonsten für die anstehenden Bauarbeiten keine Gefährdungsbeurteilung für seine Mitarbeitenden erstellen kann.

„Die BG Bau plädiert seit jeher dafür, grundsätzlich bei begründetem Verdacht anlassbezogen schon vor Beginn der Bauarbeiten eine Erprobung vorzunehmen. Im Falle von Asbestvorkommen sind dann umfassende Schutzmaßnahmen sowie eine fachgerechte Entsorgung sicherzustellen. Als BG Bau beraten wir die Unternehmen, führen Schulungen durch und bieten Unterstützung, wie zum Beispiel spezielle Prämien, um die Anschaffung geeigneter Arbeitsmittel zu fördern“, sagt Michael Kirsch, Hauptgeschäftsführer der BG Bau.

Gefahr für Mensch und Umwelt

Beim Umgang mit Asbest sind laut BG Bau besondere Schutz-Maßnahmen zu treffen
Foto: U. J. Alexander / stock.adobe.com

Beim Umgang mit Asbest sind laut BG Bau besondere Schutz-Maßnahmen zu treffen
Foto: U. J. Alexander / stock.adobe.com
Beim Umgang mit Asbest sind besondere Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und Dritter zu treffen. Grade bei Sanierungen von Mehrparteienhäusern und Eigenbauarbeiten, die im Hinblick auf Asbest nicht sachgerecht durchgeführt werden, sind Gefährdungen für unbeteiligte Bewohner, Anwohner oder Passanten nicht auszuschließen. Außerdem müssen Asbestabfälle fachgerecht entsorgt werden, um Umweltschäden zu vermeiden. Häufig wird dies allein durch Unkenntnis über das Vorkommen von Asbest und den Umgang damit verhindert.

Daher informiert die BG Bau umfassend vor Ort durch ihre Aufsichtspersonen, aber auch durch verschiedene Medien- und konkrete Unterstützungsangebote. Außerdem bietet die Berufsgenossenschaft ein E-Learning „Grundkenntnisse Asbest“ sowie eine Multiplikatoren-Schulung dazu an. Detaillierte Informationen zum Gefahrstoff Asbest finden sich in der Gefahrstoff-Datenbank der BG Bau „WINGIS“.

Wie das federführende Bundesarbeitsministerium (BMAS) mitteilt, wird es für einige neue Bestimmungen, etwa zum Nachweis der Sach- und Fachkunde für Asbesttätigkeiten, mehrjährige Übergangsfristen geben.

Der Regierungsentwurf vom 13. November ist hier abrufbar.

(bhw/ela)

 

Prüflabor CRB Analyse Service untersucht Proben auf Asbest

Asbest gilt als hochgradig krebserregend. Um Arbeitskräfte vor dem Einatmen der lebensgefährdenden Fasern zu bewahren, schaffen Verantwortliche mit einer Asbesterkundung Sicherheit. Das Prüflabor CRB Analyse Service mit Sitz im niedersächsischen Hardegsen beispielsweise führt mit modernen Rasterelektronenmikroskopen Analysen durch und liefert innerhalb weniger Tage Ergebnisse.

Fliesenkleber, Fensterkitt, Spachtelmasse: „Wir kennen mittlerweile über 3 000 Produkte, die Asbest enthalten können“, erläutert Laborleiter Stefan Pierdzig. Beim strapazierenden Reinigen alter Welldächer, beim Schleifen von Wänden oder Rausreißen von Fußböden können sich die bedrohlichen Fasern lösen und in die Atemwege der Handwerker gelangen. Mit schlimmen Folgen: Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) aus dem Jahr 2017 ist Asbest auch nach 30 Jahren nach dem Verbot noch immer die häufigste Ursache für Todesfälle in Folge einer Berufskrankheit.

Probenanalyse – der Prozess

Handwerksbetriebe, Firmen oder Behörden melden ihre Aufträge über das Firmenportal der CRB-Internetseite an. Nach Erstanmeldung erhalten Antragsteller ihre Zugangsdaten und hinterlegen auf Wunsch mehrere Niederlassungen und Mitarbeiter pro Account. Eine Probenanmeldung auf diesem Wege erlaube es CRB, Aufträge direkt und ohne Übertragungsfehler in ihr Labor- und Informations-Management-System (LIMS) zu übernehmen: Das beschleunige die analytische und kaufmännische Bearbeitung der Proben. CRB untersucht mit Hilfe hochauflösender Rasterelektronenmikroskope alle Arten von Material-, Staub- und Luftproben sowie Flüssigkeiten nach den jeweils aktuellen Richtlinien und Normen auf Asbest und künstliche Mineralfasern.

www.crb-gmbh.com


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