Neue Gefahrstoffverordnung: Wichtige Änderungen für den Umgang mit gefährlichen Materialien
Die Novellierung der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) ist abgeschlossen. Seit 5. Dezember 2024 ist sie in Kraft, die Änderungen wurden vom Bundeskabinett am 13. November 2024 verabschiedet. Es treten wichtige Änderungen in Kraft, die nicht nur den Schutz der Arbeitnehmer verbessern sollen, sondern auch den Umgang mit gefährlichen Stoffen im Hinblick auf Umweltverantwortung und Nachhaltigkeit sicherer machen sollen.
In unserem Fachbeitrag thematisieren wir die schädigenden Wirkungen von Gefahrstoffen, die Arbeitsschutzregelungen und das risikobezogene Maßnahmenkonzept bei Tätigkeiten mit krebserregenden Stoffen.
Was sind Gefahrstoffe?
Um Spritzasbest zu entfernen, müssen besondere Schutzvorkehrungen getroffen werden
Foto: Kluge Sanierung
Gefahrstoffe sind chemische Stoffe, Gemische oder Erzeugnisse, die aufgrund ihrer physikalischen oder chemischen Eigenschaften besondere Gefahren für die Gesundheit des Menschen oder die Umwelt darstellen. Dies können Stoffe sein, die entzündbar, akut toxisch, ätzend oder krebserzeugend sind. Ihre schädliche Wirkung kann sowohl bei akutem Kontakt als auch langfristig auftreten, wie es bei vielen krebserregenden und erbgutverändernden Stoffen der Fall ist.
Gefahrstoffe haben häufig schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen. Diese Effekte können sowohl akut, etwa durch direkten Kontakt oder Inhalation, als auch chronisch durch wiederholte Exposition auftreten. Zu den möglichen Gesundheitsrisiken gehören:
- Akute Toxizität: Substanzen, die beim Einatmen, Verschlucken oder Hautkontakt sofort schädlich oder gar tödlich sein können.
- Krebserzeugende Wirkung: Viele Gefahrstoffe sind krebserzeugend oder erbgutverändernd, was zu langfristigen gesundheitlichen Schäden führt.
- Ätzende und reizende Wirkungen: Diese Stoffe können Haut und Augen schädigen, Schleimhäute angreifen oder Atemwege beeinträchtigen.
- Gefahr für die Umwelt: Einige chemische Stoffe sind nicht nur für den Menschen gefährlich, sondern auch für die Umwelt. Sie können Gewässer, Boden und Luft verschmutzen und langfristige Schäden verursachen.
Arbeitsschutzregelungen für gefährliche Stoffe
Auch Bodenkleber können Asbest enthalten
Foto: Kluge Sanierung
Nach den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) §4 (1), sind Arbeitgeber zudem verpflichtet, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter vor den Gefahren von Gefahrstoffen zu ergreifen. Dies beinhaltet unter anderem:
- Gefährdungsbeurteilung: Die Pflicht, regelmäßig die Risiken von Gefahrstoffen am Arbeitsplatz zu ermitteln und entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen.
- Schutzmaßnahmen: Dazu gehören technische Schutzvorrichtungen (z.B. Belüftungssysteme), organisatorische Maßnahmen (z.B. Reduzierung der Expositionszeit) sowie die Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA).
- Dokumentation und Schulung: Arbeitgeber müssen ihre Sicherheitsvorkehrungen dokumentieren und die Mitarbeiter regelmäßig über die Gefahren und den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen unterweisen.
Risikobezogenes Maßnahmenkonzept für krebserregende Stoffe
Besonders gefährlich sind krebserregende Stoffe, die nicht nur sofortige Gesundheitsschäden hervorrufen können, sondern auch langwierige, tödliche Erkrankungen wie Krebs verursachen können. Die Gefahrstoffverordnung 2024 legt besonderen Wert auf den Schutz bei Arbeiten mit krebserzeugenden Stoffen. Für Unternehmen bedeutet dies:
- Erhöhte Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung: Bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Stoffen müssen Unternehmen detaillierte Bewertungen der Arbeitsprozesse vornehmen und feststellen, wie hoch die Exposition der Mitarbeiter ist.
- Risikobezogenes Maßnahmenkonzept: Für besonders gefährliche Tätigkeiten ist ein risikobezogenes Konzept zu erstellen. Dieses Konzept umfasst technische Maßnahmen (wie Abschottungen, Schleusentechnik, Wassermanagement und Luftfiltrierung), organisatorische Maßnahmen (z.B. reduzierte Arbeitszeiten, Reduzierung der Mannschaftsstärke) und den Einsatz von persönlichen Schutzmaßnahmen (PSA).
- Überwachung der Exposition: Die regelmäßige Überwachung Exposition von Gefahrstoffen, welche die Mitarbeiter ausgesetzt sind, sowie die Durchführung von medizinischen Vorsorgeuntersuchungen sind unerlässlich, um frühzeitig gesundheitliche Schäden zu erkennen und vorzubeugen.
Generalverdacht gegenüber Asbest in Bestandsbauten vor Oktober 1993
Zutritt verboten: Bei Asbestsanierung gibt es besondere Gesundheitsrisiken
Foto: deconta
Ein weiteres zentrales Thema der neuen Gefahrstoffverordnung betrifft Asbest. Asbest wurde bis Anfang der 1990er Jahre in zahlreichen Bauprojekten eingesetzt, insbesondere in Fassadenbekleidungen, Bodenbelägen, Bodenklebern, Dacheindeckungen, Rohrisolierungen sowie Putz-, Spachtelmassen und Fliesenklebern. Da Asbest in mehr als 3000 Bauprodukten nachgewiesen wurde, besteht eine ständige Gefahr beim Bearbeiten. Aus diesem Grunde wurde in der neuen Verordnung ein Generalverdacht für alle Gebäude, die vor 1993 gebaut wurden, verankert. Als Datum wurde der Oktober 1993 gewählt, weil zu diesem Zeitpunkt das Asbestverbot veröffentlicht wurde. Was aber ist mit der dreijährigen Übergangsfrist des Verbotes? Bis 1996 ist es also nicht auszuschließen, Asbest nachzuweisen.
Für diese Gebäude gilt:
- Asbestverdacht: Bei Sanierungen, Abrissen oder Umbauten muss stets der Verdacht bestehen, dass asbesthaltige Materialien verwendet wurden.
- Gefährdungsbeurteilung und Sanierung: Vor jeglichen Arbeiten muss eine gründliche Schadstoff- bzw. Asbestprüfung durchgeführt werden. Im Falle von Positivbefunden ist ein spezielles Risikomanagement notwendig, um Handwerker zu schützen und die Freisetzung von Schadstoffen, wie Asbestfasern, zu verhindern.
- Besondere Schutzvorkehrungen: Arbeiten an Schadstoffen und Asbestmaterialien erfordern den Einsatz spezialisierter PSA, wie Schutzanzüge und Atemschutzmasken, sowie spezielle Entsorgungsverfahren.
Rechtliche Grundlagen
- Die neue Gefahrstoffverordnung basiert auf mehreren rechtlichen Grundlagen, die den sicheren Umgang mit Gefahrstoffen und den Schutz von Arbeitnehmern sicherstellen sollen:
- Grundgesetz §2 (2): Dieses Gesetz verpflichtet den Staat, zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Umwelt vor schädlichen Einflüssen beizutragen.
- Arbeitsschutzgesetz §4 (1): Es legt die Verantwortung des Arbeitgebers für den Schutz der Gesundheit und Sicherheit seiner Arbeitnehmer fest.
- Mutterschutzgesetz §11: Es schützt schwangere und stillende Frauen vor gefährlichen Stoffen am Arbeitsplatz.
- Musterbauordnung §13: Sie regelt die Anforderungen an den Bau von Gebäuden und Infrastruktur, auch im Hinblick auf die Gefährdung durch Gefahrstoffe wie Asbest.
- DGUV-Vorschriften: Diese Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung definieren die spezifischen Sicherheitsanforderungen für den Umgang mit Gefahrstoffen und gefährlichen Tätigkeiten.
- Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS): Definieren den Mindestschutz nach dem Stand der Technik für den Umgang mit Gefahrstoffen und gefährlichen Tätigkeiten.
Fazit
Die neue Gefahrstoffverordnung setzt einen klaren Fokus auf den Schutz von Gesundheit und Umwelt beim Umgang mit gefährlichen Stoffen. Unternehmen müssen sich intensiv mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen, ihre Sicherheitsvorkehrungen aktualisieren und sicherstellen, dass alle Mitarbeiter gut informiert und geschützt sind. Dies gilt besonders für Tätigkeiten mit krebserregenden Stoffen wie Asbest. Nur durch konsequente Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften können Unternehmen langfristig die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und den Schutz der Umwelt gewährleisten.
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Florian L. Tiemann ist Technischer Berater Gebäudeschadstoffe und Feinstäube bei der deconta GmbH in Isselburg.
Auch der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB), die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) und die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) informieren über die neue Gefahrstoffverordnung. Hier geht es zum Beitrag !