Der richtige Umgang mit Schadstoffen in Gebäuden mit Baujahr vor Oktober 1993
Die Identifizierung von Schadstoffen ist ein wesentlicher Schritt vor Sanierungsbeginn. Mit der neuen
Gefahrstoffverordnung wird die Verantwortung zur Ermittlung der Gefährdungen auf das Handwerk übertragen. Wir geben einen Überblick über häufig vorkommende Schadstoffe in Gebäuden.
Gebäudeschadstoffe sind Substanzen, die in Baumaterialien vorkommen und gesundheitsschädliche Auswirkungen auf Bewohner und Nutzer von Gebäuden haben können. Häuser, die vor Oktober 1993 errichtet wurden, bergen oft besondere Risiken, da erst mit der Verabschiedung und Umsetzung diverser gesetzlicher Regelungen viele Schadstoffe verboten oder eingeschränkt wurden. Dieser Artikel gibt einen Überblick über häufig vorkommende Schadstoffe in älteren Gebäuden, deren gesundheitliche Risiken und wie mit ihnen umzugehen ist.
Häufige Baumaterialien, die gesundheitsschädlich sind
In Deutschland wurden bis in die 1990er Jahre verschiedene Baumaterialien verwendet, die heute als gesundheitsschädlich gelten. Die häufigsten Schadstoffe in Gebäuden vor Oktober 1993 umfassen:
Asbest
Zur Entfernung von astbesthaltigem Fußbodenkleber wird ein handgeführter Schleifer mit Direktabsaugung über einen Entstauber eingesetzt
Asbest war bis 1993 ein weit verbreiteter Baustoff, der für seine hohe Festigkeit, Hitze- und Säurebeständigkeit bekannt war. Er wurde in Dach- und Fassadenverkleidungen, in Brandschutzmaterialien, in Bodenbelägen und Dichtungen verwendet. Die feinen Fasern des Asbests sind jedoch lungengängig und können schwere Atemwegserkrankungen, wie Asbestose, Lungenkrebs und das Mesotheliom (Tumor des Weichteilgewebes), verursachen. Asbestfasern sind besonders gefährlich, wenn sie durch Abrieb, Bruch oder Bearbeitung freigesetzt werden.
Polychlorierte Biphenyle (PCB)
PCB wurden vor allem als Weichmacher und Flammschutzmittel in Dichtungen, Fugendichtungen, Bodenbeschichtungen und Farben sowie in elektrischen Geräten verwendet. Diese Stoffe sind langlebig und schwer abbaubar. PCB können über die Haut und die Raumluft in den menschlichen Körper gelangen und haben sowohl neurotoxische als auch krebserregende Wirkungen. Die Verwendung von PCB wurde in Deutschland 1989 verboten, aber viele Gebäude, die vor diesem Zeitpunkt errichtet wurden, können immer noch PCB-haltige Materialien enthalten.
Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)
PAK sind eine Gruppe organischer Verbindungen, die sowohl natürlich sowie durch menschliche Aktivitäten vorkommen. PAK entstehen vor allem bei der unvollständigen Verbrennung organischer Materialien. Sie bestehen aus mehreren kondensierten Benzolringen. Je mehr Ringe es enthält, desto weniger flüchtig und wasserlöslich ist es. Bekannte PAK sind Naphthalin (zwei Ringe) und Benzo(a)pyren (fünf Ringe). PAK können über die Raumluft und über die Haut in den menschlichen Körper aufgenommen werden und gelten sowohl als krebserregend als auch Erbgut schädigend.
In der EU gibt es spezifische Grenzwerte für einige krebserregende PAK in Lebensmitteln und Raumluft am Arbeitsplatz, insbesondere für Benzo(a)pyren. Auch im Bereich der Luftverschmutzung werden PAK in Luftmessprogrammen überwacht.
Künstliche Mineralfasern (KMF)
Künstliche Mineralfasern finden sich in älteren Gebäuden in Form von Glas- oder Steinwolle wieder. Sie können Atemwegsreizungen hervorrufen
Foto: Florian Tiemann
Mineralfasern wurden als Dämmstoffe oder Isolierung im Wärme-, Kälte- Schall- und Brandschutz verwendet. Sie finden sich in älteren Gebäuden in Form von Glas- oder Steinwolle wieder. Ältere Dämmmaterialien dieser Art sind teilweise lungengängig und können Atemwegsreizungen hervorrufen. Neuere KMF-Produkte sind als weniger gesundheitsschädlich eingestuft, da sie biologisch abbaubar und durch technische Verbesserungen weniger lungengängig sind.
Holzschutzmittel
Vor allem in den 1950er bis 1970er Jahren wurden Holzschutzmittel wie Pentachlorphenol (PCP) und Lindan im Innenbereich verwendet, um Holzbalken und -verkleidungen vor Schädlingsbefall zu schützen. Diese Stoffe sind sowohl toxisch als auch krebserregend und können über die Raumluft oder den direkten Kontakt in den Körper gelangen. Sie wirken auf das zentrale Nervensystem, das Immunsystem und die Leber.
Gesundheitsrisiken durch Gebäudeschadstoffe
Die genannten Schadstoffe haben vielfältige gesundheitliche Risiken. Einige dieser Substanzen sind akut toxisch und können unmittelbar gesundheitliche Probleme verursachen, während andere erst durch jahrelange Exposition zu gesundheitlichen Schäden führen. Für Kinder, ältere Menschen und Personen mit bereits bestehenden Erkrankungen der Atemwege oder des Immunsystems besteht ein erhöhtes Risiko.
Zusätzlich zu den direkten gesundheitlichen Folgen verursachen Gebäudeschadstoffe oft psychische Belastungen bei den Bewohnern, da die Sanierung oder Entfernung dieser Schadstoffe komplex und zum Teil kostspielig ist.
Bei der Sanierung von Gebäudeschadstoffen sind bestimmte Vorschriften und Richtlinien einzuhalten, um eine Gefährdung der Nutzer und der Umwelt zu vermeiden. In vielen Fällen ist die Sanierung nur durch zertifizierte Fachunternehmen erlaubt, wie zum Beispiel bei Asbestsanierungen. Hier müssen spezielle Schutzmaßnahmen getroffen werden, wie das Abschotten des Arbeitsbereichs mit Zugangsschleusen für Personen- und Materialtransport, Luftreinigungssysteme und die Verwendung von Atemschutzmasken sowie Schutzanzügen.
Vorgehen zur Identifizierung und Beseitigung von Schadstoffen
Schwarzbereichsabschottung mit einer 4-Kammer-Personenschleuse, Wassermanagement und Unterdruckhaltegerät
Foto: Kluge Sanierung
Die Identifizierung von Schadstoffen ist ein wesentlicher Schritt vor Sanierungsmaßnahmen. Mit der neuen Gefahrstoffverordnung wird die Verantwortung zur Ermittlung der Gefährdungen durch Gefahrstoffe vor Tätigkeitsaufnahme auf das Handwerk und die Bauunternehmen übertragen. Eine Bewertung der Analyseergebnisse ist oft nur mit entsprechender Sach- und Fachkunde sowie langjährigen Erfahrungen möglich. Dazu gehört die systematische Materialprobenahme und eventuell die Überprüfung der Raumluft.
Geeignete Analysen lassen sich jedoch nur von Fachlaboren durchführen, die spezielle Verfahren für die Untersuchung auf Asbest, PCB, PAK und Formaldehyd durchführen können. Für die Planung einer nachhaltigen Schadstoffsanierung inklusive der Probenahme und Bewertung der Analysebefunde empfiehlt es sich, einen Gutachter für Gebäudeschadstoffe in das jeweilige Projekt einzubinden.
Bei der Entfernung und Sanierung von Schadstoffen ist es wichtig, die Belastungen für die Nutzer so gering wie möglich zu halten. Folgende Schritte sind in der Regel erforderlich:
1. Gefährdungsbeurteilung: Einschätzung der Art und des Umfangs der Kontamination sowie der Konzentration zur Festlegung der erforderlichen Schutzmaßnahmen.
2. Planung der Sanierungsmaßnahmen: Festlegung von Schutzmaßnahmen und Abläufen.
3. Fachgerechte Sanierung: Durchführung durch spezialisierte Fachfirmen unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.
4. Abschließende Sanierungskontrolle: Visuelle und messtechnische Überprüfung, ob die Schadstoffkonzentrationen nach der Sanierung unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen.
Technische Schutzmaßnahmen bei der
Schadstoffsanierung
Technische Schutzmaßnahmen sind bei der Schadstoffsanierung entscheidend, um Handwerker, Umwelt und umliegende Bereiche vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Durch Eindämmung und Abschottung soll verhindert werden, dass Schadstoffe in die Umgebung gelangen. Dazu gehören Maßnahmen wie:
Unterdruckzonen: Einrichtung von abgedichteten Arbeitsbereichen unter Einsatz von Luftreinigern beziehungsweise Unterdruckhalteanlagen. Dadurch wird vermieden, dass Schadstoffe durch Luftströmungen nach außen gelangen. Zudem wird die kontaminierte Luft gereinigt und nach außen abgelassen.
Staubschutzwände: Verwendung von Folien, Planen oder mobilen Wänden, um kontaminierte Bereiche abzuschotten. Dies ist besonders wichtig, um die Ausbreitung von partikel-, faserförmigen oder sonstigen Schadstoffen zu verhindern.
Abdeckungen von Oberflächen: schlecht zu reinigende Böden oder Strukturen mit Folien oder Planen abdecken, um den Reinigungsaufwand auf ein Minimum zu reduzieren und keine zusätzlichen Kontaminierungen zu verursachen.
Lüftungssysteme: sind entscheidend, um Schadstoffe aus der Luft zu entfernen und die Exposition für die Arbeiter zu reduzieren.
Punktabsaugung: Direkte Absaugung an der Quelle, zum Beispiel mit mobilen Absauganlagen und/oder zugelassenen Industriesaugern beziehungsweise Entstaubern, um die Schadstoffe unmittelbar dort zu erfassen, wo sie entstehen.
Filteranlagen: Hierbei kommen Luftreiniger und/oder Unterdruckhaltegeräte zum Einsatz. Ausgestattet mit Luftfiltern (zum Beispiel HEPA-Filter) zur Reinigung der abgesaugten Luft, bevor diese wieder in die Umwelt abgegeben wird. Dies ist besonders wichtig für feine Partikel oder asbesthaltige Stäube. Aber auch eine Filterung von gasförmigen Bestandteilen ist zum Beispiel über einen Aktivkohlefilter möglich.
Persönliche Schutzausrüstung (PSA)
Obwohl PSA als individuelle Schutzmaßnahme gilt, ist sie in Kombination mit technischen Maßnahmen unerlässlich:
Atemschutzmasken und Filter: Schutz vor inhalierbaren Schadstoffen wie Stäuben, Dämpfen und Gasen, je nach Schadstoff mit entsprechenden Filtern (beispielsweise FFP3, A2P3-Filter).
Schutzkleidung: Einweg-Schutzanzüge, Handschuhe und Schutzbrillen, die eine physische Barriere gegen direkte Kontamination bieten.
Schuhüberzieher, Schutzhelme, Schutzbrillen: zum Schutz vor Kontamination und mechanischen Gefahren.
Abfallentsorgung und Dekontamination
Die sachgemäße Entsorgung kontaminierter Materialien und die Dekontamination der Arbeitsflächen und Ausrüstung sind entscheidend:
Entsorgung von kontaminierten Materialien: Schadstoffhaltige Abfälle müssen in speziellen, zugelassenen Behältern gesammelt und gemäß gesetzlichen Vorschriften entsorgt werden. Beispielsweise dürfen Asbestabfälle nur in speziell gekennzeichneten Säcken, Bigbags oder Behältern transportiert werden.
Dekontaminationsstationen: Installation von Wasch- und Dekontaminationsstationen für Arbeiter und Ausrüstungen, um die Verbreitung von Schadstoffen über Kleidung, Geräte und Fahrzeuge zu vermeiden.
Reinigung von Arbeitsbereichen: Regelmäßige Reinigung der Arbeitsbereiche, zum Beispiel durch Staubsauger mit HEPA-Filter oder feuchtes Wischen, um freigesetzte Schadstoffe zu entfernen.
Prävention und Umgang mit Schadstoffen
Lüftungssysteme sind entscheidend, um Schadstoffe aus der Luft zu entfernen. Von deconta gibt es leistungsstarke mobile Entstauber
Foto: deconta
Die beste Präventionsmaßnahme gegen Gebäudeschadstoffe ist eine gründliche Materialprüfung bei Renovierungen oder Umbauten in Gebäuden mit Baujahr vor Oktober 1993. Für Bauherren und Vermieter ist es ratsam, beim Kauf oder bei der Nutzung von älteren Immobilien auf mögliche Schadstoffe zu achten und gegebenenfalls eine professionelle Schadstoffanalyse durchführen zu lassen.
Für Bewohner und Nutzer älterer Gebäude ist das regelmäßige Lüften eine wichtige Maßnahme, um die Konzentration von Schadstoffen in der Raumluft zu reduzieren. Bei Verdacht auf Schadstoffe sollten keine eigenständigen Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, da dies die Belastung oft weiter erhöht. Bei der Durchführung der Baumaßnahmen sind immer persönliche und technische Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen. Dies beginnt bereits bei der Freisetzung von mineralischen Stäuben.
Fazit
Gebäudeschadstoffe stellen ein ernstes Risiko für die Gesundheit der Nutzer und Arbeitnehmer dar, insbesondere in älteren Gebäuden mit Baujahr vor 1993. Die häufigsten Schadstoffe wie Asbest, KMF, PCB, PAK und Holzschutzmittel sind krebserregend oder toxisch und sollten fachgerecht saniert werden. Durch eine sorgfältige Analyse und professionelle Sanierungsmaßnahmen kann das Gesundheitsrisiko minimiert werden. Auch wenn die Sanierung oft kostspielig ist, ist sie für die langfristige Gesundheit und Sicherheit der Bewohner und Handwerker unverzichtbar.
Dabei sind technische Schutzmaßnahmen essenziell für den sicheren Ablauf von Schadstoffsanierungen. Die Kombination aus baulichen Abschottungen sowie Absaug- und Lüftungssystemen trägt erheblich zur Reduktion des Expositionsrisikos bei. Diese Maßnahmen gewährleisten nicht nur den Schutz der Arbeiter, sondern auch der Umwelt und unbeteiligter dritter Personen und stellen sicher, dass die Sanierungsarbeiten gemäß gesetzlichen Vorschriften und Standards durchgeführt werden.
AutorDipl.-Ing. (FH) Florian L. Tiemann ist Technischer Berater Gebäudeschadstoffe und Feinstäube bei der deconta GmbH in Isselburg.