Warum PCB 30 Jahre nach dem Verbot immer noch gefährlich sind

In Zeiten der energetischen Sanierungen gewinnt das Thema PCB erneut an Aufmerksamkeit. Zudem treten immer mehr PCB-Ersatzstoffe in den gefahrstofftechnischen Fokus. Kenntnisse über Gefahrenquellen, Sanierungstechniken und Lösungen für den Arbeitsschutz werden somit immer wichtiger.

30 Jahre PCB-Verbot! Aber was ist PCB und warum müssen wir immer noch darüber sprechen?  Die Polychlorierten Biphenyle, kurz PCB, sind persistente ­organische Schadstoffe, die Mensch und Umwelt schädigen können. Es handelt sich um synthetisch hergestellte Stoffgemische, die seit den 1950er Jahren als elektrisch schwach- oder nichtleitende Substanz, Flammschutzmittel oder Weichmacher eingesetzt ­wurden. Zudem sind sie wasserabweisend und gelten sogar als superhydrophob. Somit fanden PCB Anwendung in dauerelastischen Fugendichtmassen, als Witterungs- und Korrosionsschutz in Lack- und Farbanstrichen, als Öl in hydraulischen Anlagen, in Kondensatoren, als ­Schalöl im Betonbau oder als Schmiermittel. Sie sind als reproduktionstoxisch und krebserregend eingestuft.

PCB-haltiger Heizkörperlack
Foto: ETI Umwelt­technik AG

PCB-haltiger Heizkörperlack
Foto: ETI Umwelt­technik AG
Mit dem Stockholmer-Übereinkommen vom 22. Mai 2001 wurde ein weltweites PCB-Verbot festgeschrieben. 2004 folgte das europäische Verwendungsverbot mit der Verordnung [EG] Nr. 850./2004, Anhang I und der Neufassung der Verordnung [EG] Nr. 2019/2021 im Jahr 2019. Diesem Verbot ging 1978 in Deutschland zunächst ein Verwendungsverbot von offenen ­Anwendungen voraus und ab 1989 das Verwendungsverbot von Produkten mit Gehalten über 50 mg/kg (mit einzelnen Ausnahmegenehmigungen), gefolgt von der ersten PCB-Richtlinie 1994.

PCB-Richtlinie

Die PCB-Richtlinie widmet sich der Bewertung und Sanierung PCB-belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden. Sie definiert unter anderem Richtwerte für Raumluftkonzentrationen, die sich in drei ­Beurteilungsstufen für die Bewertung der Sanierungsdringlichkeit unterteilt:

Raumluftkonzentrationen < 300 ng/m³ PCB-Gesamtgehalt: ist als langfristig tolerabel anzu­sehen und ist als „Vorsorgewert“ und „Sanierungszielwert“ definiert.

Raumluftkonzentrationen zwischen 300 und 3000 ng/m³ PCB-Gesamtgehalt: Eine Quellenbeseitigung ist anzustreben. Mindestens jedoch ist eine Minderung der PCB-Konzentration durch ­verstärkte Reinigung und Lüftung herbeizuführen.

Raumluftkonzentrationen > 3000 ng/m³ PCB-Gesamtgehalt: Es sind unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, weswegen dies auch als Eingreifwert oder „Gefahrenwert“ definiert ist.

Dabei haben die Messungen bei sommerlichen Temperaturen stattzufinden. Gemessen wird nach VDI 4300 Blatt 2 (Info: Die VDI 4300 Blatt 2 gilt auch für Messungen auf PAK, Dioxine und Furane).

An dieser Stelle ist ergänzend zu erwähnen, dass Schwangere und Stillende bei der Arbeit nach §11 Mutterschutzgesetz (kurz. MuSchG) keiner schädigenden Wirkung durch PCB ausgesetzt werden ­dürfen. Von einer schädigenden Wirkung ist bereits bei ­Erreichen des Vorsorgewertes von 300 ng/m³ Raumluftkonzentration auszugehen.

PCB-haltige dauer­elastische Fugenmasse   
Foto: ETI Umwelttechnik AG

PCB-haltige dauer­elastische Fugenmasse   
Foto: ETI Umwelttechnik AG
Bei kontaminiertem Baumaterial unterscheidet die PCB-Richtlinie in Primär- und in Sekundär­quellen:

Primärquellen sind Produkte, denen PCB gezielt zur Veränderung der Produkteigenschaften zugesetzt wurden. Solche Produkte, zum Beispiel Fugendichtungsmassen oder Beschich­tungen, enthalten in der Regel mehr als 0,1 Gewichtsprozent PCB (das entspricht 1000 mg/kg PCB) und können nach den bisher vorliegenden Erfahrungen deutlich erhöhte PCB-Raumluftbelastungen verursachen. Neben dem PCB-Gehalt besitzen das Verhältnis von ­kontaminierter Oberfläche zu Raumvolumen sowie die Art des PCB-Gemisches einen entscheidenden Einfluss auf die resultierende Raumluftbelastung.“

„Sekundärquellen sind Bauteile (zum Beispiel Wände, Decken) oder Gegenstände (zum Beispiel Mobiliar oder Ausstattungsgegenstände wie Teppichböden oder Gardinen), die PCB meist über ­längere Zeit aus der belasteten Raumluft auf­genommen haben. Sie vermögen die an der ­Oberfläche angelagerten PCB nach und nach wieder in die Raumluft freizusetzen. Großflächige Sekundär­konta­minationen können – selbst nach vollstän­digem Entfernen der Primärquellen – erhöhte PCB-Raumluftkonzentrationen aufrechterhalten.“

Sekundär belastete Bauteile

Inwieweit diese veraltete Richtlinie noch dem ­aktuellen Kenntnisstand entspricht, soll hier nicht weiter thematisiert werden. Sie spiegelt aber eine ­äußerst unangenehme Eigenschaft der PCB wider. Denn sie gasen aus und können andere Materialien oder Oberflächen sekundär kontaminieren und anreichern, bis diese selbst zur Primärquelle werden. Untersuchungen und Sanierungsarbeiten der vergangenen 30 Jahren haben gezeigt, dass die sekundär belasteten Bauteile nicht zu unterschätzen sind. Ein fachkundig definierter und festgeschriebener Beurteilungsmaßstab wäre daher wünschenswert, um den diversen Arbeitskreis- und Expertenempfehlungen mehr Nachdruck zu verleihen.

In der Gefahrstoffverordnung definierten Arbeitsschutzvorgaben werden mit der Technischen Regel für Gefahrstoffe 524 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen (TRGS 524), der berufsgenossen­schaftlichen Regel für kontaminierte Bereiche (DGUV Regel 101-004) und der berufsgenossenschaftlichen Information zu Tätigkeiten mit PCB-haltigen Produkten (DGUV Information 213-045) konkretisiert. Mit der TRGS 900 werden Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) für die Luft am Arbeitsplatz mit 0,003 mg/m³ PCB-Gesamtgehalt festgelegt. Ein Risiko der Fruchtschädigung kann auch bei Einhaltung des AGW nicht ausgeschlossen werden. Nach europäischer CLP-Verordnung (Verordnung [EG] Nr. 1272/2008) erfolgt zudem eine Einstufung von Materialien mit einer PCB-Konzentration von ≥ 50 mg/kg als Gefahrstoff. Zu beachten ist, dass ab dieser Konzentration eine gesonderte und nachweisliche Entsorgung des PCB-kontaminierten Materials zu erfolgen hat.

Was bei der Sanierung beachtet werden muss

PCB-Raumluft­messung im Weiß­bereich mit dem deconta-„airsampler“
Foto: ETI Umwelttechnik AG

PCB-Raumluft­messung im Weiß­bereich mit dem deconta-„airsampler“
Foto: ETI Umwelttechnik AG
Aber was ist zu tun, wenn auffällige PCB-Konzen­trationen nachgewiesen wurden? Bei der Sanierung von PCB-Kontaminationen sind einige Dinge zu ­beachten. Dabei sind Maßnahmen bei der Bearbeitung von Primärquellen und Sekundärquellen zu unterscheiden.

Primärquellen, wie zum Beispiel dauerelastische Fugen­massen, sollten in der Regel entfernt werden. Allgemein wird empfohlen, die gut gereinigten Fugenflanken zu beschichten. Hier kommen zum Beispiel Epoxidharz, Acryl- oder Arcylharzlack zum Einsatz. Aber Vorsicht, bei einer Beschichtung ist auch immer eine Rückkontamination der neuen Fugenmassen zu beachten. Denn zuverlässige Untersuchungen oder Aussagen zu den PCB-Rückhaltewerten der zuvor genannten Beschichtungen auf Zeiträume wie Jahre oder Jahrzehnte gibt es nicht.

Schleifen, Fräsen, Abbeizen

Doch wie sind die PCB-Gehalte der Sekundärquellen­sanierung einzustufen? Auch gering kontaminierte Oberflächen können sich, bei entsprechend groß­flächiger Verteilung, in der Raumluft niederschlagen. Eine entsprechende Festlegung, die über eine Empfehlung hinaus geht, wäre hier also wünschenswert. Währenddessen können PCB-kontaminierte Liegestäube durch trockene und feuchte Reinigung hervorragend beseitigt werden. Sekundär belastete Farben und Lacke können wie auch bei Primärquellen durch Entfernen saniert werden. Neben dem mechanischen Abtrag durch Schleifen oder Fräsen wäre hier noch das Abbeizen zu nennen. Eine weitere Reduzierung der sekundären PCB-Quelle ist aber auch durch Beschichtung der Oberflächen zu realisieren. Zum Einsatz kommen hier dann diffusionshemmende ­Isoliertapeten, hochabgebundene Latexdispersionsfarben auf Arcylatbasis und zweikomponentige Epoxidharz- oder Polyurethanbeschichtungen.

Persönliche Schutzausrüstung

Welche Sanierungsmethode bei der Sanierung von Sekundärquellen zum Einsatz kommt, legt ein Sachverständiger fest. Bewertet werden muss dabei der erforderliche Rückhaltezeitraum und der Kosten­aufwand für eine alternative Entschichtung. ­Alternativ muss auch bewertet werden, ob eine technische Lüftung die Sanierungsarbeiten dauerhaft unterstützen kann und inwieweit diese dann mit entsprechender Filtrierung der Abluft in Bezug auf PCB ausgestattet werden muss.

Bei Sanierungsarbeiten freigesetzte, PCB-­kontaminierte Stäube sollten möglichst auf den ­Arbeitsraum unter Verwendung entsprechender persönlicher Schutzausrüstung (Atemschutz, Schutzanzug und Handschuhe) begrenzt werdem.

Eine geeignete technische Schutzmaßnahme stellt dabei die staubdichte Abschottung des Arbeitsbereiches dar. Klassischerweise kommen hier Staubschutztüren und Ein- oder Mehr-Kammer-Personenschleusen zum ­Einsatz. Eine ergänzende Verwendung von technischen Lüftungsgeräten kann durch den zusätzlichen gerichteten Luftaustausch inklusive Luftfiltrierung (HEPA-Filter, Aktivkohlefilter oder eine Kombination aus beidem) die Arbeitssicherheit erhöhen.

PCB-Ersatzstoffe

Demontage einer PCB-haltigen Fugenmasse mit oszillierendem Messer und gleich­zeitigem Absaugen
Foto: ETI Umwelttechnik AG

Demontage einer PCB-haltigen Fugenmasse mit oszillierendem Messer und gleich­zeitigem Absaugen
Foto: ETI Umwelttechnik AG
Als Ersatzstoff für PCB-haltige Weichmacher und Flammschutzmittel in Dichtmassen und Klebstoffen werden in Deutschland seit 1990 Chlorparaffine (CP) eingesetzt. Unterteilt in kurzkettige (SCCP), mittelkettige (MCCP) und langkettige (LCCP) Chlorparaffine finden diese auch Anwendung bei Farben, Lacken, Textil- und Lederverarbeitung sowie in PVC-­Produkten.

Aufgrund ihrer PCB-ähnlichen Eigenschaften wurden die SCCP 2012 mit der Verordnung [EG] Nr. 850/2004 verboten. Für MCCP ist in der TRGS 900 ein Arbeitsplatzgrenzwert in Höhe von 6 mg/m³ für den einatembaren Schwebstoffanteil der Luft am Arbeitsplatz definiert. Auch die Alternativprodukte MCCP und LCCP werden mittlerweile aufgrund der möglichen toxischen und/oder persistenten Eigenschaften ­diskutiert.

Fazit

Das PCB-Thema und seine gefährlichen Ersatzstoffe ist aufgrund von Energieeinsparungen und daraus folgender energetischer Sanierungen, Ressourceneinsparungen und lebenszeitverlängender Maßnahmen beim Baubestand aktueller denn je. Eine Aktualisierung der einschlägigen Regularien unter Berücksichtigung von wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie praktische Arbeitshilfen für mögliche Sanierungsmethodiken sind jedoch längst überfällig. Zudem müssen Aufklärungsarbeiten bei Fachkräften, Architekten und Planern intensiviert werden, um Gefahrstoffe wie PCB beim Bauen im Bestand besser erkennen und bewerten zu können.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Florian L. Tiemann ist Technischer Berater Gebäudeschadstoffe und Feinstäube bei der deconta GmbH in Isselburg.

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