Trockenbauverein „WIR“ plädiert im Kompetenztreff für einfaches Bauen
22.11.2023Trocken geht es bei diesen Kompetenztreffen nie zu. Schon deshalb, weil der Verein „WIR für Trockenbau und Ausbau“, Veranstalter dieser Reihe, Referentinnen und Referenten an den Start bringt, die kein Blatt vor den Mund nehmen.
Ob BDB-Präsidentin, Unternehmerin und WIR-Vorsitzende Katharina Metzger, WIR-Vorstand Thomas Schmid oder Michael Hölker, Hauptgeschäftsführer des BDB und WIR-Geschäftsführer, sie alle suchen die direkte Aussprache mit Vertretern aus Politik, Handel und Industrie, um Konkretes zu erreichen, Komplexität im deutschen Baufach abzubauen und bei allen Optimierungen wieder „von effizienten zu effektiven Lösungen zu kommen“.
Und so wurde auch die achte KTT („kompetenztreff trockenbau“) Veranstaltung in Hamburg und die neunte in Augsburg mit Unterstützung der Industrie in diesem Herbst zu einem Treff der offenen Worte für Transparenz und Sicherheit im Trockenbau, teilt der Verein mit. Ganz im Einklang mit dem Vereinsziel, das nicht nur dem Gewerk generell, sondern bekanntermaßen auch den offenen Systemen auf die Sprünge helfen will. Mit Erfolg, so Hölker und Schmid, die gerade von ihrem dritten Prüfverfahren bzw. der Genehmigung für eine weitere offene Lösung (freigespannte Decke F30) mit sehr guten Ergebnissen berichteten.
Trockenbau soll schlanker werden
Sehr gut besucht war der Kompetenztreff des Vereins „WIR für Trockenbau und Ausbau“ in Hamburg.
Foto: WIR
„WIR hat es sich zum Ziel gesetzt, einfache, täglich wiederkehrende Konstruktionen und Aufbauten, die in großer Zahl auf Baustellen eingesetzt werden, über Normen abzubilden“, holte Thomas Schmid mit einem Rückblick auf die Entstehung des Vereins neue Interessenten mit ins Boot. „Wir wollen den Trockenbau schlanker, aber auch rechtssicher machen“, so das Credo des Stuckateurmeisters mit Ingenieursstudium. Produkte sollten frei vom Lager erworben und eingesetzt werden können.
Dass es aber im Trockenbau nicht nur im Umgang mit den Systemen hapert, sondern auch wesentlich bei den Wertschöpfungsprozessen, belegte Schmid erneut anhand jüngster Zahlen, was vor allem im Bauwerkskostenvergleich mit dem technischen Ausbau schmerzhaft deutlich wurde (Geschosswohnungsbau von 2000 bis 2023: Ausbau (konstruktiv) +139 Prozent; Ausbau (technisch) +318 Prozent). „Ist die Trockenbau-Branche eigentlich die einzige, die ohne Ertrag auskommt?“, fragte Schmid.
Dem kontinuierlichen Minustrend sei nur zu begegnen, wenn Fachhandel, Hersteller und Fachunternehmen über die eigenen Interessen und Motive hinaus, gemeinsame Schnittmengen stärkten. Dazu gehöre, Fachplaner für dieses Gewerk zu sensibilisieren und Fehlerquellen durch viel zu komplex dokumentierte Vorgaben (150 Seiten allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP) nur für eine F 90-Wand!) auf den Baustellen zu reduzieren. Darüber hinaus kämen immer mehr Features und Spezialitäten mit wiederum eigenen Vorschriften für die Montage seitens der Hersteller auf den Markt, obwohl die abP Innovationstreiber genug seien.
Trockenbau: eine getriebene Branche der Nachunternehmer
„Darüber hinaus ist der Trockenbau eine getriebene Branche der Nachunternehmer“, mahnte Schmid, der die Vor- und Nachteile von offenen, halboffenen und geschlossenen Systemen auch unter diesem Aspekt im Hinblick auf Akzeptanz und Haftungssicherheit thematisierte. Er plädierte dafür, in abP-Gremien mit Branchenteilnehmern und Institutionen gemeinsame Nenner in Anlehnung an realistische Anforderungen zu erarbeiten. Bei alltäglichen Standards seien offene Systeme durchaus möglich einzusetzen, bei speziellen Anforderungen an Brand-, Schallschutz etc. geschlossene, so seine Empfehlung.
Dass Prüfzeugnisse nach unserem Recht die Ausnahme sein sollten, die als Bauartgenehmigungen nur zum Tragen kämen, wenn nicht nach DIN gebaut werde, daran erinnerte Markus Runte, Technischer Leiter Danogips und Mitglied des DIN Normausschusses „Gips und Gipsprodukte“. Er plädierte für die Freiheit der Entscheidung im Trockenbau und verteidigte einen gewissen Egoismus der Industrie. Geprüfte Systeme kosteten schließlich Geld und so sei es legitim, herstellerspezifische Produkte zumindest teilweise wie in halboffenen Systemen vorzuschreiben.
Industrie sollte Normkonstruktionen diskutieren
Gastredner war Markus Gürne, Journalist und ARD-Börsenexperte.
Foto: WIR
Runte räumte aber gerade aus eigener Erfahrung als ehemaliger Bauleiter ein, dass der Trockenbau sich in der Tat das Leben mitunter selbst schwer und für die Anwender erst zum Hexenwerk mache. „Mir sind keine Abstoßungsprozesse bekannt, wenn Spachtel oder Schrauben von Fremdanbietern genutzt wurden“, scherzte Runde. Kernaufgabe der Industrie sei es seines Erachtens aber, in den Normungsgremien zu wirken und die Normkonstruktionen und Varianten zu diskutieren und umzusetzen.
Kein Hexenwerk, dafür aber ein System, das Fehler verzeihe und Löcher verschließe, präsentierte Dieter Reimund von der Firma Zapp-Zimmermann, spezialisiert auf Abschottung für offene oder teiloffene Brandschutzlösungen und nun auch ausgezeichnet für seinen „Brandschutz in der Box“, die Kombiabschottung M60-S90.
„Offen für Qualität“ bekennt sich auch die Firma Upmann mit ihren Revisionsöffnungsverschlüssen, die für das Zubehörsortiment sehr bewusst auf die Zulassung durch das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin setzt. „Wie sollen Fachunternehmen bei Produkten ohne DIN-Norm oder CE-Kennzeichen sonst eine Übereinstimmungsbestätigung abgeben?“, gibt Key-Accountmanager Jürgen Gervers zu bedenken, der auf Rechtssicherheit für seine Kundschaft setzt.
abZ als Klassiker für Verwendbarkeit
Standen die vielen neuen Features der Industrie im Schlüsselvortrag von Schmid gerade noch in der Kritik, warb Bernd Luckey von der Firma Ardex in Folge für innovative Spachtelprodukte in Feuchträumen und im Brandschutz. Bei allen optimierten Eigenschaften unter der Überschrift Nachhaltigkeit im offenen System müssten sie allerdings vor allem eins, nämlich nachvollziehbar für die Fachunternehmen in der Anwendung bleiben.
Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung – kurz abZ – ist der Klassiker unter den nationalen Verwendbarkeitsnachweisen für Bauprodukte. Und diese ist auch nach Ansicht von Stefan Schnell der richtige Weg zum nicht System gebundenen Trockenbau. Seine Botschaft lautete allerdings, dass eine Zulassung kein Freibrief für alle Produkte sei. „Lesen Sie bitte die abZ! Denn es gibt keine Klappe, die alles kann!“
Soweit die Vorträge der Hersteller, die bei aller Kürze die USPs und das Problem in Summe verdeutlichten. „Wir kommen in Komplexität um“, seufzte ein sichtlich erschöpfter Michael Hölker angesichts all der optimierten Produkt-Features. „Vor allem, wenn wir die Menschen nicht mehr finden, die sie sicher abbilden können!“, so seine Sorge. Umso dankbarer sei man den Mitstreitern im Handel und so zum Beispiel der Firma Protektor, die Überblick im Trockenbau schafften.
Ressource Lagerplatz
Zu diesem sollte auch die Podiumsdiskussion beitragen, welche die Kompetenzpartner rund um die Vor- und Nachteile von den geschlossenen, offenen und halboffenen Systemen führten. Katharina Metzger erklärte das spezielle Interesse des Fachhandels an offenen Systemen mit den hohen Investitionen in Lager und Regale für immer mehr Systemanbieter und Profile über 6,50 Meter, die sie als Trockenbau-Spezialistin den Fachunternehmen zudem noch in vernünftigen Mengen vorhalten müsse. In Ballungsgebieten sei dieser Platz schlicht nicht vorhanden. „Wir Händler müssen also mit dieser Ressource Lagerplatz wirtschaftlich umgehen und wir wollen natürlich Einkäufe bündeln, um unseren Fachunternehmen die Preise entsprechend weitergeben zu können“, betonte die Unternehmerin, die auch das gewisse Diktat der Hersteller geringschätzt. Die Marge durch die geschlossenen Systeme, wenn sie es überhaupt gäbe, könne die Logistikkosten nicht aufwiegen. Nicht zuletzt habe die flexible Lieferfähigkeit Priorität, betonte Metzger, die an die jüngste Vergangenheit der Materialknappheit erinnerte, in der die Systemfrage gar nicht mehr so relevant diskutiert worden sei. Hauptsache, das Projekt konnte überhaupt beendet werden.
Die Haftungsfrage
Die Haftungsfrage werde aber bei offenen Systemen gerne als Gegenargument herangezogen, wie Moderator Hölker einwarf. Dies entkräftete WIR-Vorstand Thomas Schmid, denn die Haftung bleibe grundsätzlich beim Auftragnehmer! Dieser stehe für sein Bauteil, welches er erstellt. Auch wenn der Kundendienst des Herstellers von geschlossenen Systemen gerne mit Expertise beispringen könne, eine Rechtspflicht bestehe nicht. „Und ein falsch verbautes System kann und würde auch der nicht gesundbeten. Sobald eine einzige Komponente nicht wie vorgeschrieben eingebaut wurde, zieht sich der Hersteller zurück. Fatal, gerade weil ja der Trockenbau eine so Subunternehmen lastige Branche ist!“
Für König liege die Motivation für offene Systeme, so Martin Drathschmidt, darin, dem Fachhandel hohe Qualität anzubieten bei maximaler Flexibilität und Vielfalt. Zur Freude des BDB, der ein Verfechter der Marken ist.
Ursa als Teil der Unternehmensgruppe Etex Building Performance verzichtet auf den Zukauf von Profilen und Schrauben für ein geschlossenes System. Oliver Ehlers, URSA Vertriebsleiter Nord-Ost: „Der Fachhandel ist unsere Hauptzielgruppe, die keine weiteren Lagerkapazitäten dafür hätte erübrigen wollen. Und auch bei den Fachunternehmen haben wir genau hingehört. So unterstützen wir, was hohe Sicherheit bietet. Systeme, wie sie WIR anbietet.“
Nach allen Ausführungen, die nicht nur eine bessere Orientierung boten, sondern auch alle Vorteile zutage gefördert hatten, stellten sich abschließend die Fragen, warum die Fachunternehmen immer noch nach agP bauten und warum Berlin die offenen Systeme nicht als Vorschlag für baukostengünstige Alternativen aufnehme. Immerhin habe Ministerin Gallwitz ihre Doktor-Arbeit über Normung geschrieben, räumte Katharina Metzger ein, die einen Paradigmenwechsel in der Politik zu erkennen glaubt. Dass wir einfacher bauen müssen, dass Wohnen bezahlbar werden muss, dass wir wieder leistungsfähige Normen brauchen, das sei angekommen. Wie schnell nun Taten folgten, sei freilich eine andere Geschichte.
Ebenso zu Gast war Journalist Markus Gürne, der für seine Sendung „Wirtschaft vor Acht“ den besten Sendeplatz im deutschen Fernsehen – vor dem „letzten Lagerfeuer, der Tagesschau“. Das sei der Segen. Der Fluch bestehe darin, so sagt der Journalist und Chef der Sendung, Wirtschaft und Finanzen machen zu müssen „für eine Bevölkerung, deren Finanzbildungsniveau unter null liegt“. 19 Sendungen habe er mit seinem Team über die Bauwirtschaft produziert. „Weil beim Thema Wohnen und Bauen die Wertschöpfung dahinter nie ein Thema ist. Niemand spreche darüber, was für ein wichtiger Faktor im Gemeinwesen, in der Bevölkerung die Bauwirtschaft ist“, sagte er. (bhw/ela)