Umbau eines Dreiseithofs mit alternativen Baustoffen wie Hanf, Lehm, Kalk und Holzfasern
In der Bauernsiedlung Braunersgrün renovierte ein fachkundiger Bauherr mit viel Idealismus einen denkmalgeschützten Dreiseithof. Dabei fanden in nahezu allen Gewerken natürliche oder alternative Baustoffe Verwendung: Stopfhanf, Holzweichfaser- und Lehmbauplatten sowie Putz aus Kalk und Lehm.
In Braunersgrün ist man auf dem Lande. Der Ort zu Füßen des Fichtelgebirges gehört zu der 1200 Einwohner kleinen Gemeinde Höchstädt im Kreis Wunsiedel. Der Ortsteil Braunersgrün besteht aus einer Ansammlung alter Bauernhäuser und Höfe sowie ein paar moderneren Wohnhäusern. Ein wenig scheint die Zeit hier stehen geblieben zu sein. Zur historischen Bebauung im Ort gehört auch ein gut erhaltener „Dreiseithof“. Darunter versteht man ein Bauernhof-Ensemble, in dem die Gebäude drei Seiten eines rechteckigen Innenhofs einnehmen. Die Anordnung variiert von Region zu Region. In Mittel- und Süddeutschland befindet sich das Wohnhaus der Anlage meist auf einer Seite neben der Einfahrt, wobei die „gute Stube“ an der Giebelseite mit Blick zur Straße ausgerichtet ist. Die Scheune liegt in der Regel auf der Rückseite und gegenüber dem Wohnhaus befindet sich der Stall. Häufiger finden sich Dreiseithöfe in engen Ortschaften. Anders im vorliegenden Fall, wo das Gebäude freistehend in eine Wiesenlandschaft eingebettet ist.
Der Hof ist eines der architektonisch und baugeschichtlich besonders wertvollen Gebäude im Fichtelgebirge und ist in der Liste der Baudenkmäler im Zuständigkeitsbereich des Denkmalamtes Wunsiedel erfasst. Der Bau wurde gemäß Dokumentation in Fachwerk 1777 errichtet, die Hofstelle selbst bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erwähnt.
Bemerkenswertes Renovierungskonzept
In den 1960er und 1980er Jahren haben bereits erste Renovierungen stattgefunden. Ab 2015 erfolgte dann die umfassende Sanierung des ehemals landwirtschaftlich genutzten Anwesens, die größtenteils nun abgeschlossen ist. Das Haupthaus bietet rund 200 m2 Wohnfläche, das angebaute, mittige Verbindungsgebäude im ersten Obergeschoss etwa 180 m2. Dort soll eine Ferienwohnung eingerichtet werden.
Federführend für die Renovierung war Bauherr Tobias Pöhlmann selbst zusammen mit seiner Lebensgefährtin Hanna Keding, die hier mit ihren Kindern ein neues Zuhause fanden. Pöhlmann, von Beruf freier Historiker und Mediengestalter, verfügt über ein ausgeprägtes architekturgeschichtliches und handwerkliches Wissen. Hinsichtlich des Sanierungskonzepts hatte das Paar klare Vorstellungen: Das Gebäude sollte auch nach der Renovierung seine Ursprünglichkeit bewahren. Deshalb setzte Pöhlmann fast ausschließliche auf natürliche oder alternative Baustoffe und deren fachgerechte Verarbeitung.
Fassade mit besonderen Akzenten
Die Renovierungsarbeiten begannen am Wohngebäude des Dreiseithofs. Die kompletten Außenwände erhielten Kalkputz auf Bruchsteinmauerwerk. Ein Akzent lag dabei auf den Fenstern, die von architektonischen Besonderheiten gekennzeichnet sind. Die Fensterhöhlungen an der Fassade weisen zum Teil unterschiedliche Formen auf. Laut Denkmalamt ein Hinweis auf die Entstehung in verschiedenen Epochen. Der Giebel des linken Flügels besteht aus mittlerweile renoviertem Fachwerk. Für den Außenanstrich verwendete Pöhlmann reine traditionelle Kalkfarbe im Wandbereich und Leinölfarbe für das Holz des Fachwerks.
Naturstoffe bringen gesundes Wohnklima
Auch im Inneren kam Kalkputz zur Anwendung: Im Erdgeschoss wurde er auf Bruchsteinmauerwerk mit „Wandtemperierung nach Henning Großeschmidt“ (= warmwasserführende Kupferrohre) im Sockelbereich ausgeführt. Auf Brusthöhe und in den Fensterlaibungen gibt es keine zusätzliche Wandabdichtung oder Lüftung. Dennoch sind die Räume trocken und besitzen ein natürliches und angenehmes Raumklima. Für den Fußboden benutzte Pöhlmann alte Holzdielen oder Granitplatten. Die Dämmung erfolgte mit Glasschaumschotter und einer Hanf-/Lehmschüttung.
Auch im Obergeschoss wurde die Außenwand an der Innenseite aus Bruchsteinmauerwerk mit Lehmputz und Wandtemperierung in Brusthöhe und Fensterlaibungen gestaltet. Im ältesten Teil hat sich im Obergeschoss in der ehemaligen „Guten Stube“ die komplette Schablonenmalerei vom Ende des 19. Jahrhunderts erhalten. Dessen Sicherung und langfristiger Erhalt waren eine spezielle Vorgabe des Denkmalschutzes. Das Obergeschoss hat eine Holzbalkendecke mit Fehlboden, Lehmschüttung für den Schallschutz, 1 cm Hanf-Vlies für Trittschallschutz sowie aus einer alten Scheune geborgene Holzdielen mit bis zu 50 cm Breite bekommen.
Originaler Dachstuhl von 1777 restauriert
Die Zwischenwände im Obergeschoss von Haupthaus und Nebengebäude besitzen ein Holzständerwerk mit Hanf gedämmt und beidseitig mit Lehmbauplatten (22 mm) beplankt, vollflächig Glasfaser- oder Jute-Armierungen und 4 bis 5 mm Lehmputzschicht versehen. Aufgrund der Materialeigenschaften der Lehmbauplatten bleiben die Duschräume auch während des Gebrauchs trocken. So gibt es keine mit Wasserdampf beschlagenen Spiegel.
Der originale Dachstuhl von 1777 wurde restauriert und mit neuer Holzständerung und Schieferdeckung hinterlüftet versehen. Zwischen Schalung und erster Dämmebene mit Holzweichfaserplatten setzt sich der Dachaufbau nach innen mit einer 20 bis 40 cm Stopfhanf-Zwischensparrendämmung fort, etwa 25 m3. Den Abschluss bilden 22 mm dicke Lehmbauplatten. In den Dachschrägen sorgt eine Wandheizung für wohnliche Wärme. Auf Unterdeckbahnen oder Dampfsperren wurde zugunsten einer völligen Diffusionsfähigkeit verzichtet.
Lehmbauplatten für die Innenwände
Bei der Renovierung spielten Lehmbauplatten („Lemix 16 und 22“) eine zentrale Rolle. Im Obergeschoss des Haupthauses wurden 300 m2 verbaut, in den Dachschrägen 150 m2, hinzu kommen 160 m2 im Obergeschoss des Nebengebäudes. Die Montage stellte keine allzu großen Herausforderungen dar. Lehmbauplatten lassen sich auf verschiedenen Unterkonstruktionen aus Holz oder Metall montieren. An der Wand werden sie auf Lattenkonstruktionen mit 62,5 cm Raster, an der Decke auf ein 31,5 cm-Raster oder auf einer flächigen Holz-Unterkonstruktion montiert.
Für den Zuschnitt empfiehlt der Hersteller eine Handkreissäge mit Absaugung. Die Lehmbauplatte wird im senkrechten oder waagerechten Verband montiert. Befestigt wird sie mit Schrauben mit Tellerkopf oder Halteteller, alternativ auch mit Breitrückenklammern. Nach der Montage werden die Platten angefeuchtet und mit Lehmputz verspachtelt. Mindestens im Stoßbereich der Platten muss man Gewebe einzulegen. Rationeller ist jedoch häufig die Einbettung einer vollflächigen Gewebelage. Wände und Decken können danach mit Lehm-Feinputz oder farbigem Lehm-Edelputz beschichtet werden.
Traditionelle Wandfarben aus der Natur
Besonderen Wert legte Pöhlmann auch auf die Beschichtung der Innenwände. Die Lehmbauplatten erhielten eine Grundierung mit traditioneller Kalk-Kasein-Mischung (Magerquark mit Sumpfkalk aufgeschlossen), weitere Oberflächen mit Sumpfkalk. Die Nassbereiche bekamen eine Schicht aus Tadelakt (traditioneller, marokkanischer Kalkputz) = „wasserfester Kalk“ in zwei Schichten aufgetragen. Dabei wird die obere Schicht verdichtet, mit Seife vermischt und poliert und erhält somit eine perlende, Wasser abweisende Schicht.
Die Vielfältigkeit der natürlichen Baustoffe haben aus dem Dreiseithof eine eine Rarität gemacht. Ganz abgeschlossen haben Tobias Pöhlmann und Hanna Keding ihr Renovierungsprojekt noch nicht. Man darf aber schon jetzt auf den fertigen Zustand des Bauwerks gespannt sein.
Autor
Sven Eulenstein ist Produktmanager bei der Hart Keramik AG in Waldsassen/Schirnding.
Baubeteiligte (Auswahl)
Bauherren
Tobias Pöhlmann und Hanna Keding, Höchstädt
Denkmalpflege
Denkmalamt des Landkreises Wunsiedel,
Hubert Besold
Bauleitung und Schreinerarbeiten
Sanimo - Stefan Hertwig, Thierstein
Fachwerksanierung und Dacheindeckung
Firma Schreiner, Kondrau, www.schreiner-dach.de
Kalkputzarbeiten
Limestone, Mladen und Veronika Klepac,
Schwebenried, www.limestone-kalkbaustoffe.de
Granitboden und Fenstergewände
Stein um Stein, Ekkehard Menne, Wunsiedel,
Fensterbau
Schreinerei Schelter, Markus Wegmann, Thiersheim
Lehmbauplatten
Hart Keramik, Waldsassen/Schirnding,