Maßnahmen gegen Fachkräftemangel

Selten waren die Aussichten für Handwerker in Bauberufen so gut wie heute. Trotzdem leidet die Branche unter Fachkräftemangel, der sich zukünftig sogar noch verschärfen könnte. Auf Einladung des Vereins Qualitätsgedämmt diskutierten Experten Ende September in München über Gegenmaßnahmen.

Eigentlich, so Lothar Bombös, Vorsitzender des Vereins Qualitätsgedämmt e.V., stehen die Chancen für die Branche, in großem Umfang energetische Sanierungen im Bestand auszuführen, so gut wie nie. Angela Merkel habe für die nächste Legislaturperiode sogar steuerliche Anreize für solche Modernisierungen in Aussicht gestellt. „Aber was nützt uns das, wenn das Fachhandwerk mit enormen Nach­wuchs­sorgen zu kämpfen hat und uns bald die Fachkräfte ausgehen, die solche Aufträge abarbeiten können“, spitzte Bombös das Thema des „runden Tisches“ aus Vertretern von Baugewerbe und Fachpresse zu.

Gute Aussichten – fehlende Attraktivität

Unter der Überschrift „Volle Auftragsbücher – aber woher bekommen wir den qualifizierten Nachwuchs?“ ging es Ende September in München zunächst darum, Ursachen für die rückläufigen Ausbildungszahlen zu identifizeren, um dann Strategien zu entwickeln, diese Entwicklung umzukehren.

Tatsächlich sind die beruflichen Aussichten für Fachhandwerker, auch und vor allem im Baugewerbe, derzeit so gut wie selten. Dank niedriger Zinsen boomt der Bau, gleichzeitig erfordert das Bauen durch steigende Anforderungen an Brand- und Schallschutz sowie Energieeffizienz hervorragend ausgebildete Fachleute. Da in den kommenden Jahren viele Unternehmen einen Nachfolger suchen, steigen auch die Chancen, innerhalb einer Firma Karriere zu machen oder sogar sein eigener Chef zu werden.

Trotzdem haben Handwerksunternehmen im Wettbewerb um gute Auszubildende gegenüber der Industrie oder dem öffentlichen Dienst häufig das Nachsehen. Verschärft wird die Situation durch den demografischen Wandel – die Zahl der Schulabgänger sinkt insgesamt – und den steigenden Anteil an Schulabgängern, die ein Studium anstreben. Außerdem ist es für viele junge Menschen attraktiver, in einem großen Unternehmen zu arbeiten, das international aufgestellt ist und ein erfolgreiches Image hat. Trotzdem erhalten immer noch (bezogen auf das Handwerk insgesamt) 35 Prozent der Bewerber um einen Aus­bildungsplatz eine Ab­sage. Viele Betriebe beklagen fehlende All­ge­meinbildung und einen Mangel an „Softskills“ wie Disziplin, Belastbarkeit und Leistungsbereitschaft bei den Schulabgängern.

Mehr Geduld und Engagement

„Seit mehr als 10 Jahren läuft die Kampagne, um das Image des Deutschen Handwerks zu verbessern. Gleichzeitig gibt es aber den gesellschaftlichen Trend: Mein Kind soll es mal besser haben und studieren“, beschreibt Karl-August Siepelmeyer die Ausgangssituation. Er sieht aber auch Anlass zu Selbstkritik: „Früher haben Handwerksunternehmen mehr Lehrlinge eingestellt, als sie brauchten und dann gnadenlos aussortiert. Das war nicht gut fürs Image“, hat der Präsident des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz erkannt. Allerdings müsse nicht nur das Handwerk seine Hausaufgaben in Sachen Fachkräftenachwuchs machen: „Ich wünsche mir für die kommende Legislaturperiode, dass endlich ein Bundeskultusministerium geschaffen wird.“

Auch Margarete Hauser, stellvertretende Leiterin der Münchener Berufsschule für Farbe und Gestaltung, bestätigt, dass viele Berufsschüler im Malerhandwerk sich nicht bewusst für diesen Beruf entschieden, sondern genommen hätten, was übrig geblieben sei. Sie hält die Erwartungen der Betriebe an die Vorbildung der Bewerber für überzogen: „Man kann in jeder Stufe noch etwas retten, wenn man realistisch bleibt. Im ersten Lehrjahr müssen die Betriebe die Azubis erstmal an das Berufsleben heranführen und dazu bringen, jeden Tag pünktlich um 7 anzufangen“. Nach ihrer Beobachtung blühten viele Lehrlinge erst nach der Hälfte oder im letzten Drittel der Ausbildung regelrecht auf, weil mit den erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auch der Stolz auf die eigene Arbeit wachse.

Sebastian Kaiser, Berufsberater bei der Münchener Agentur für Arbeit, empfiehlt, Defizite bei den „Soft­skills“ oder der schulischen Vorbildung der Lehrlinge hinzunehmen und mehr Aufmerksamkeit in die Zusammenarbeit mit Berufsschulen und Eltern zu investieren. Dafür halte die Agentur für Arbeit verschiedene Instrumente zur Unterstützung von Ausbildungsbetrieben und Lehrlingen bereit wie die „ausbildungsbegleitenden Hilfen“ (abH) oder die „Assistierte Ausbildung“ (AsA), mit der lernbeeinträchtigten oder sozial benachteiligten jungen Menschen der Einstieg und das erfolgreiche Durchlaufen der betrieblichen Ausbildung erleichtert werden soll.

Nachwuchsförderung ist Chefsache

Nach Ansicht von Dr. Roland Falk, Leiter des Kompetenzzentrums für Ausbau und Fassade in Stuttgart, werde das duale Ausbildungssystem, für das Deutschland in der ganzen Welt beneidet werde, hierzulande nicht genug wertgeschätzt. Wenn man nicht Gefahr laufen wolle, dass die Industrie ständig die guten und motivierten Auszubildenden wegschnappe, müsse sich das Handwerk auf die eigenen Traditionen besinnen und die Ausbildung ernst nehmen. „Das ist Chefsache! Und wenn es der Meister nicht selber machen kann, dann muss er einen Kümmerer benennen, der dann auch die Zeit hat, sich mit den jungen Menschen zu beschäftigen und den Kontakt mit den Eltern und der Berufsschule zu halten“, forderte Falk. Um überhaupt wieder mehr Bewerbungen zu erhalten, empfiehlt er Betrieben, aktiv auf  Schulen zuzugehen, Praktika anzubieten und die Praktikanten dann von dem besten Mann betreuen zu lassen. „Es hilft nichts, wenn die Praktikanten drei Wochen lang fegen, das Lager aufräumen oder auf der Baustelle nur zugucken. Man muss denen ein Programm bieten, das einerseits einen realistischen Einblick in den Beruf gibt aber vor allem auch Spaß am eigenen Werken vermittelt!“ Darüber hinaus könne man die Attraktivität einer Lehrstelle dadurch steigern, dass man den Azubis, die die Gesellenprüfung bestehen, eine Übernahme für mindestens zwei Jahre zusichert.

Autor

Thomas Schwarzmann ist Redakteur der Zeitschriften bauhandwerk und dach+holzbau.


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