Das Korn muss springen
Traditionell wurden Kratzputze einlagig mit den unterschiedlichsten Werkzeugen wie Nagelbrett, Reisigbesen, Holzstempel und Schablonen verarbeitet. Der Kratzputz bildet den ersten Teil einer Serie von Praxistipps über historische Putztechniken und ihre Ausführung.
Gekratzte Strukturen können seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen werden. Dabei wurden die frischen Oberflächen des Putzes modelliert und gestaltet. Diese Gestaltung des Putzes war immer abhängig von den Gegebenheiten des Standortes und vom Auftraggeber. Im letzten Jahrhundert der industriellen Fertigung dieser Putze hat sich eine zweilagige Verarbeitung durchgesetzt. Heute werden aber preiswertere Kalk-Zement-Putze als Grund- beziehungsweise Unterputze verwendet. Dieser Unterputz dient zum Ausgleich und zur Vergleichmäßigung des Saugverhaltens des Untergrunds.
Traditionell wurden Kiessande bis zu einer Körnung von 14/16 mm als strukturgebendes Korn eingesetzt. Neben diesem groben Korn war der Einsatz von Feinkörnungen wesentlich. Hier musste nur beachtet werden, dass die abschlämmbaren Bestandteile der Körnungen gering beziehungsweise gleichmäßig vorhanden sind. Aufgrund der vorwiegend maschinellen Verarbeitung des Kratzputzes sind die Körnungen in den letzten Jahrzehnten auf 4 bis 6 mm Kornstärke begrenzt.
Heute können diese Putze manuell oder maschinell in einer dreifachen Kornstärke angetragen und mit der Zahnkartätsche eingeebnet werden. Durch diesen Verarbeitungsschritt werden mögliche Lufteinschlüsse beseitigt. Nach dem Ansteifen des Mörtels kann die Oberfläche mit Nagelbrett, Stahlklinge oder Sägeblatt gekratzt werden. Ziel ist es, dass das Zuschlagkorn leicht aus der Putzfläche herausspringen muss. Entscheidend für die Qualität der Oberflächenstruktur ist der richtige Zeitpunkt des Kratzens. Bei einem zu frühen Kratzen kommt es zu einem Verschmieren der Oberflächen, bei einem zu stark erhärteten Kratzputz ist ein gleichmäßiges Strukturieren nur noch mit einem hohen Kraftaufwand möglich.
Autorin
Dipl.-Ing. Heike Pfaff ist Leiterin der Bauberatung bei Rajasil und Handlungsbevollmächtigte der Heck Wall Systems GmbH in Marktredwitz.