Grenzüberschreitung
Deutsche Handwerker mit großem Fachwissen und Können haben realistische Wettbewerbsvorteile bei
der Vergabe internationaler Aufträge. Auch im Ausland finden sie ein Aufgabengebiet zum Beispiel in der
anspruchsvollen Holzrestaurierung und Blattvergoldung.
Durch die Kooperation unterschiedlicher Gewerke und die sich daraus ergebende „Angebotsbreite“ können Handwerker besonders bei der gehobenen Mittelschicht einen höchst interessanten Kundenkreis finden. Für den weitsichtigen Handwerker, der grenzüberschreitend nach attraktiven Projekten Ausschau hält, rückt dadurch Europa als Arbeitsfeld bis auf Tuchfühlung heran (siehe auch bauhandwerk 6/2009, S. 24 ff). Auch die Bankenkrise ließ manchen Kollegen aus dem Handwerk quasi zum Fernglas greifen, um zu schauen, was sich an anspruchsvollen Bauaufgaben im Ausland finden lässt.
Alte Handwerkstechniken sind wieder aktuell
Zwei junge Restauratoren im Handwerk hatten nach bestandener Prüfung an der Akademie des Handwerks Schloss Raesfeld versucht, bevorzugt in der Denkmalpflege tätig zu werden, was schon im Ansatz nicht von Erfolg gekrönt war. „Wenn Du als frisch gebackener Absolvent des Studiengangs als geprüfter Restaurator im Handwerk an exponierter Stelle vorsprichst, fragt man dich zuerst nach deinen einschlägigen Referenzaufträgen, besonders auch nach möglichst langjähriger Erfahrung. Beides kannst du natürlich nicht nachweisen. Somit ist deine Möglichkeit, dort mit etablierten Kollegen auf Augenhöhe zu konkurrieren, gleich Null!“, so Restaurator Andreas Waldhelm.
Die Kenntnis und Beherrschung der erlernten alten und hochwertigen Handwerkstechniken kann als besonders anspruchsvolle Gestaltungsarbeit aber auch einer gehobenen Kundschaft angeboten werden. Alte Techniken sind schon lange wieder aktuell. Besonders Gestaltungstechniken wie der klassische Stuccolustro, die Tadelakttechnik, das Freskomalen, die Holz- aber besonders die diversen Marmorimitationstechniken sowie alle im Studiengang zum Restaurator im Handwerk erlernten alten Vergoldetechniken sind dabei gefragt.
Holz und Gold – zwei grenzübergreifende Projekte
Das haben sich Simone Krause und Klaus Martach zu Herzen genommen und wiederholt eine Arbeitsgemeinschaft gebildet – mit beeindruckenden Erfolgen: So arbeiteten sie zum Beispiel bei einem grenzübergreifenden Projekt in den Niederlanden, bei dem geplant war, in einem Museum die Vertäfelung eines Saales in der Originalfassung wiederherzustellen. Wegen der nicht völlig auszulagernden historischen Exponate sollten die Jahrzehnte alten Anstrichschichten weder im Strahl- noch im Abbeizverfahren entfernt werden. Letztlich favorisierte der Auftraggeber ein alternatives, oberflächliches Verfahren, mit dem sich die ursprünglich in klassischer Technik „gekalkten“ und abschließend mit Wachs behandelten Eichenpaneele, als eine Art optischer Imitation, mit Verwendung klassischer Werkstoffe ausführen lässt. Die Arbeiten wurden von einem deutsch/niederländischen Team unter Leitung des bekannten niederländischen Restaurators G. de Jongh unter Begleitung des Autors durchgeführt.
Bei einem weiteren Projekt ging es um die Vergoldung der Außenfläche einer in Segmente zerlegten Kuppel im arabischen Raum, die später wieder zusammengebaut, und an einem exponierten Gebäude verbaut werden sollte. Hierbei waren im Vorfeld viele Belastungsversuche mit bearbeiteten Originalmusterteilen nötig, denn die vergoldete Oberfläche durfte nicht mit einer Schutzlackierung versehen werden, obwohl sie der dortigen starken Sonnenbestrahlung und zu erwartenden Belastung durch mechanische Korrosion in Form von Sandstürmen ausgesetzt sein würde.
Die Ergebnisse schufen die Grundlage für die spätere Vorgehensweise der am Objekt tätigen Vergolder, die ihrerseits schon auf umfangreiche Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten zurückgreifen konnten (siehe auch bauhandwerk 6/2009, S. 24 ff).
Konzepte zur Durchführung der Arbeiten
Für das Projekt „Holzvertäfelung/Niederlande“ wurden, neben Restaurator de Jongh sein Deutscher Kollege Klaus Martach aus Recklinghausen und die bei ihm beschäftigte Technikerin für Baudenkmalpflege Simone Krause tätig. Es war außerdem geplant, einen Holzrestaurator mit einzubinden, dessen spezielle Fachkenntnisse bei der Durchführung der Arbeiten, gefragt sein würden.
Bei der Kuppelvergoldung arbeiteten zwei selbständige Restauratoren im Handwerk und zwei bei ihnen beschäftigte Techniker für Baudenkmalpflege gemeinsam an dem Projekt, das ebenfalls vom Autor über den gesamten Zeitraum begleitet wurde. Besonders bei diesem Projekt bestätigte sich erneut, dass deutsches qualifiziertes Handwerkskönnen besonders im arabischen Raum immer aufs Neue eingefordert wird.
Fakt ist, dass der für die handwerkliche Denkmalpflege ausgebildete Restaurator solche Projekte, wegen seiner umfassenden Erfahrung mit allen klassischen Gestaltungstechniken auf der Grundlage seiner soliden Ausbildung problemlos übernehmen kann. Als eine glückliche Symbiose ist die Tatsache zu sehen, dass die Protagonisten über Mitarbeiter verfügen, die als Techniker für Baudenkmalpflege ausgebildet worden sind. Einmal zufriedenstellend tätig gewesen, kann das die Grundlage für andauernde Berücksichtigung bei weiteren Projekten sein.
Ein klassisches Projekt im Segment der Denkmalpflege
Bei meinen Gesprächen zur Vorplanung des Projektes Museum Haarlem mit dem Restaurator de Jongh, zeichnete sich ab, dass es sich hier um ein Restaurierungsprojekt handelte, bei dem erneut die zuvor erwähnten Kollegen mit ihren Mitarbeitern eingebunden werden konnten. Nach den umfangreichen Voruntersuchungen seitens der dortigen Denkmalbehörde, unter anderem auch Freilegungen an der Originalsubstanz vor Ort, war vom Auftraggeber ein ausführliches Vorgabekonzept mit der Ausschreibung an die Bieter gegangen, in dem vier alternative Möglichkeiten zur Auswahl standen, nach historischer und neuzeitlicher Rezeptur die Restaurierungsarbeiten anzubieten.
Bei den zu bearbeitenden Oberflächen handelte es sich, neben großflächigen Eichenholvertäfelungen, um Ornamentik, unter anderem an den Supraporten, sowie um Säulen und Pilaster aus gleichem Material, die in der ehemaligen Originalfassung gekalkt (Ölbasis), und abschließend gewachst worden waren.
Leider hatte man die Originalfassung in späterer Zeit mit Lasuren und jeweiligen zeitgemäßen, transparenten Lackanstrichen überarbeitet. Nach geplanter Entfernung dieser Anstrichschichten sollte laut Ausschreibung die gesamte, gereinigte Oberfläche als Rekonstruktion wieder klassisch aufgebaut werden. Die alten Anstrichschichten sollten also „restlos“ entfernt werden. Das sollte so schonend wie möglich geschehen und nach Möglichkeit zu keinerlei Staubentwickelung führen. Zudem sollte der Einsatz von Wasser weitestgehend vermieden werden, und kostengünstig sollte es natürlich auch noch sein ...
Letztlich akzeptierte man den Vorschlag, die Oberfläche mit einem neutralen Produkt, unter absolut geringst möglichem Wassereinsatz zu reinigen, danach mit rostfreier Stahlwolle und Schleifvlies nachzuarbeiten, die vorhandenen Poren mit einer Messingbürste vom Schleifstaub (der sofort im Direktverfahren abgesaugt werden sollte) zu reinigen, eine weiße „Pigmentpaste“ in die geöffneten Poren einzureiben, um den bestmöglichen Oberflächeneffekt gekalkten Eichenholzes nachzuahmen, und darauf klassisch weiter zu arbeiten. Abschließend sollten die Oberflächen mit einem Wachsauftrag überarbeitet werden. Dazu wurde eine Musterfläche an exponierter Stelle angelegt.
Die gereinigte Oberfläche wurde danach mit einem reversiblen Anstrichaufbau, analog dem Aussehen der ersten Originalfassung gestaltet, um die Möglichkeit zu erhalten, zu einem späteren Zeitpunkt erneut nach klassischer Manier zu restaurieren.
Vergoldung einer Kuppeloberfläche
ohne transparente Schutzlackierung
Die Risiken einer möglichst langfristigen Unversehrtheit der vergoldeten Oberfläche einer Kuppel ohne transparente Schutzlackierung waren im arabischen Raum kaum kalkulierbar. Dabei lag diese weniger an zu erwarteten Hitzebelastung durch die dort übliche Sonneneinstrahlung, hier lagen die Risiken in der möglichen Beschädigung (Abrieb) des Goldes durch die zu erwartenden Sandstürme nach Montage vor Ort. Hier ein Maximum an Beständigkeit zu erreichen, galten die Versuche mit Musterplatten des Originalmaterials der zu vergoldenden Metalloberfläche.
Einerseits musste die Oberfläche mit einem den Örtlichkeiten angepassten Lacksystem vor der Vergoldung beschichtet werden, zum anderen sollte auch das gewohnte Trägermaterial der Blattvergoldung auf Belastbarkeit getestet werden. Letztlich entschied man sich für ein Zweischichtmetallicsystem aus dem Kraftfahrzeugsegment, mit dem Argument, dass hier durchaus die bestmöglichen Gebrauchserfahrungen unter den unterschiedlichsten Bedingungen in der Witterungsbelastbarkeit vorlagen.
Um mögliche Beschädigungen durch „Abrieb bei Sandstürmen“ weniger sichtbar werden zu lassen, wurde unter fast 300 möglichen Nuancen ein dem verwendeten Blattgold sehr angenäherter Basisfarbton ausgewählt. Die Gesamtlackierung samt Vergoldung wurde zur Belastbarkeitsprüfung in einer Simulation getestet. Natürlich ist man sich auch hierbei klar, dass die Oberfläche nicht „für die Ewigkeit“ geschaffen ist, und in einiger Zeit eine Nachvergoldung nötig wird.
Ausführung der Vergoldearbeiten
Bei der in Segmente zerlegten Kuppel musste gewährleistet sein, dass nach dem späteren Zusammenbau ein gleichmäßiges Oberflächenbild gewährleistet war. Erleichtert wurden die Planungen, weil die Segmente in der Schmiede (Schlosserei) in Wabenform gefertigt und verschweißt wurden und dadurch die Segmente nach der späteren Montage zur Kugel exakt aneinander stoßen. Zudem konnte man sich an der nach der Lackierung noch leicht sichtbaren Wabenform beim Auftrag des Goldträgermaterials orientieren. Dieser Umstand erleichterte einen abgestimmten Zeitplan für den rationellen Einsatz aller Mitarbeiter. Außerdem konnte so der Goldverluste auf ein Minimum beschränkt werden.
Auch die Größe der Segmente war eine Herausforderung an das handwerkliche Können der Mitarbeiter, galt es doch, einen gleichmäßigen Glanzgrad aller Segmente nach fertiger Vergoldung zu erreichen. Das erforderte gelegentlich die Beschreitung unkonventioneller Wege, die nachweislich aus gewonnenen Erfahrungen bei vorangegangen Großprojekten resultierten.
Die Qualität der gemeinsam im Team geschaffenen handwerklichen Arbeit und letztlich besonders das Gesamtaussehen des fertigen Produkts soll vor Ort die Leistungsfähigkeit und Kompetenz deutscher Handwerker demonstrieren, um in Zukunft weitere Aufträge zu sichern.
Autor
Hans Rottländer ist Malermeister, Restaurator, Kunstmaler und Vergolder. Er ist tätig bei der Planung und Beratung von Illusions- und Wandmalereien, der Vergoldung und Restaurierung sowie in der Schulung, Bestandsaufnahme und Bewertung historischer Substanz. Er ist freier Autor der Zeitschrift bauhandwerk.
Die Beherrschung alter Techniken verschafft dem Hand-
werker den Zugang zur gehobenen Kundschaft
Auch beim Denkmalschutz gilt: „Man kann sich nicht waschen, ohne sich nass zu machen“