Lebensart
Südtirol ist reich an historischer Bausubstanz. Gemeinden wie Eppan hat der Zweite Weltkrieg nichts genommen. So konnte mit dem dortigen Lanserhaus – einem Adelssitz aus dem 16. Jahrhundert – ein Ensemble samt Wirtschaftsgebäuden dank einer neuen kulturellen Nutzung für die Zukunft erhalten bleiben.
Früher sagte man in Südtirol „Er lebt wie ein Lanser“ und meinte damit jemanden, der sich darauf versteht, mit Fröhlichkeit, Geselligkeit und Gastfreundschaft durchs Leben zu gehen. Dazu durfte das nötige „Kleingeld“ natürlich nicht fehlen. Kein Wunder also, dass solche Leute zum finanziell besser gestellten Teil der Gesellschaft, also zum Adel gehörten. Noch heute erinnern an das ursprünglich weit verbreitete Adelsgeschlecht vereinzelte Familienwappen sowie auch das Lanserhaus inmitten des zu Eppan gehörenden Ortsteils St. Michael.
Schon Ende der 1990er Jahre erwarb die Gemeinde das Ensemble samt Anger und führte 2001 einen Architekturwettbewerb durch, den das in Bruneck ansässige Büro forer°unterpertinger architekten gewann. „Erstes Anliegen war es, bestehende wertvolle Bausubstanz mit neuen Nutzungen zu füllen und nur zu ergänzen, wo dies für das Funktionieren des Ensembles notwendig war“, erklärt Architekt Gert Forer die behutsame Herangehensweise, mit der sich sein Entwurf der historischen Substanz nähert. Die neue Nutzung, die ins Lanserhaus Einzug halten sollte, war eine Kulturelle: Theater, Lesungen, Ausstellungen usw. sollten in Zukunft in und um die historischen Gebäudeteile stattfinden. Denn mit der Sanierung des Lanserhauses verfolgte die Gemeinde Eppan vor allem zwei Ziele: Zum einen sollte die wertvolle Bausubstanz erhalten und richtungsweisend mit einer neuen Funktionalität erfüllt werden, zum anderen sollte aber auch die Maxime der Lanser wieder aufgegriffen und ein lebendiger kultureller und gesellschaftlicher Ort geschaffen werden.
Analyse des Bestandes
Das Ensemble des Lanserhauses besteht aus drei Gebäuden: dem Adelssitz (Ansitz) und zwei Wirtschaftsgebäuden, einem Schuppen und Stall, die sich um einen Innenhof gruppieren. Der Ansitz war bis um 1800 im Besitz der Familie von Lanser – ein hoher Bau aus dem beginnenden 16. Jahrhundert. Das Krüppelwalmdach, die Gewölbe, der mächtige Erker und die steingefassten Viereckfenster weisen das Gebäude als einen Bau der späten Gotik aus. Über eine Freitreppe vom Hof aus gelangt man durch die steingerahmte Tür in den elegant gewölbten Eingangsraum.
Im Stall erhebt sich auf quadratischem Grundriss im Erdgeschoss ein Kreuzgewölbe, gestützt auf vier mächtigen Quadratsäulen. Hier befanden sich einst die Kühe, im Geschoss darüber, dem Stadel, lagerte ihr Heu. Beim zweiten Wirtschaftsgebäude, dem Schuppen, handelt es sich um ein eingeschossiges, von Rundsäulen getragenes offenes Gebäude, das einst der Aufbewahrung von landwirtschaftlichem Gerät diente. Der einfache, aus neuerer Zeit stammende Gebäudeteil, der Stall und Schuppen miteinander verband, wurde abgerissen. An seiner Stelle entstand ein moderner Verteilerbau.
Bauen unter historischen Gebäuden
Der Verteilerbau übernimmt die Erschließung der historischen Gebäude und dient gleichzeitig als Foyer. Von hier aus gelangt man auch zur Küche und zu den WCs. „Die Funktionsräume haben wir in unterirdischen Gebäuden angeordnet. Von hier aus funktioniert auch die Erschließung des Ensembles“, sagt Gert Forer. Damit die Rohbauer unter dem Innenhof einen „Tunnel“ graben konnten, der den Keller des Ansitzes mit dem des Verteilerbaus verknüpft, mussten die historischen Gebäude unterfangen werden. „Das musste angesichts der wertvollen Bausubstanz natürlich setzungsfrei geschehen“, erinnert sich Architekt Forer. Daher wählte das Büro mit dem Jet-grouting ein Verfahren, bei dem mit einem luftummantelten Hochdruckstrahl über Düsen eine Zementsuspension in den Baugrund injiziert wird. Im Gegensatz zur Durchdringung des Porenraums im Baugrund bei traditionellen Injektionen, wird mit dem Hochdruckverfahren die Vermischung des Bodens mit der Zementsuspension und damit die Ausbildung von verfestigten Bodensäulen erreicht. Das Herstellen der säulenartigen Betonkörper erfolgt durch Rotationsbohrungen. Wenn man die gewünschte Bohrtiefe erreicht hat, wird das Bohrgestänge herausgezogen und der anstehende Boden durch den energiereichen Hochdruckstrahl geschnitten, aufgewirbelt und gleichzeitig mit Zementsuspension vermischt. Der gelöste Boden ist hierbei der Zuschlagstoff für den so entstehenden „Bodenbeton“. Die Methode ist nicht nur setzungsarm sondern auch erschütterungsfrei, wodurch sie besonders für die Unterfangung von Fundamenten im Zuge einer Sanierung oder Restaurierung historischer Bauten geeignet ist. Erst danach konnte abgegraben und die unterirdischen Bauten in Ortbeton errichtet werden.
Sanierung und Restaurierung der Bestandsgebäude
Der Ansitz wurde von allen Einbauten aus neuer Zeit befreit. Dies waren vor allem Trennwände, die aus der Vornutzung als Wohnhaus stammten und die alte Struktur versteckt hatten. Dabei kamen unter anderem ornamentale Fresken im Erker des Ansitzes zum Vorschein. Bei den Arbeiten am Stall, dem heutigen Raiffeisen-Forum, fanden die Restauratoren ein Putzschild, das auf das Jahr 1606 verweist.
Die tragenden Hölzer der Dachstühle mussten von den Zimmerleuten verstärkt und die Konstruktion den heutigen Anforderungen entsprechend gedämmt werden. „Große Sorgfalt war von den Handwerkern vor allem beim gotischen Dachstuhl des Ansitzes gefordert, der in seiner tragenden Struktur erhalten und nur dort, wo unbedingt notwendig, ertüchtigt werden sollte“, so Gert Forer. Auf dem Dach des Ansitzes verlegten die Dachdecker wieder die alten Biberschwanzziegel, durchmischt mit neuen, wo alte Ziegel zerstört waren. Die Wirtschaftsgebäude erhielten eine Eindeckung mit Mönch-Nonne-Ziegeln.
Insgesamt griffen die Handwerker bei ihren Arbeiten auf traditionelle Materialien und Techniken zurück. Dies betraf die Putzergänzungen ebenso wie die statische Ertüchtigung der Holzbalkendecken. Dort setzten die Zimmerleute zwischen den bestehenden Balken neue ein, welche die durch die neue Nutzung hinzugekommene Deckenlast auf Wechsel übertragen, die mit dem alten Mauerwerk verschraubt wurden.
Verbindung zwischen Alt und Neu
Der moderne Verteilerbau zwischen den beiden Wirtschaftsgebäuden besteht aus Stahlbeton (Sichtbeton) mit einer zum Innenhof hin haushohen Glasfassade. „Die Verbindungsteile, die nur punktuell an den Bestand andocken, wurden von den Handwerkern mit Kupfer verkleidet“, erläutert der Architekt die Verbindung zwischen Alt und Neu. Das Kupfer wird im Laufe der Zeit altern und Patina ansetzen. Der Verteilerbau ist anhand seiner zeitgemäßen Baumaterialien eindeutig als Zutat unserer Tage zu erkennen und tritt so in keine Konkurrenz zu den historischen Gebäuden. Und was im großen Maßstab der Gebäude gilt, das gilt für das Büro forer°unterpertinger auch im Kleinen: So wurden die einst offenen Seiten des Schuppens, in dem sich heute die Verwaltung befindet, vollkommen verglast – unter Erhaltung des historischen Holztragwerks. Aber das versteht sich beinahe von selbst.